Das Konzept, das die Frankfurter Buchmesse für diesen Herbst vorgestellt hat, stößt auch in den Medien eher auf Skepsis.
Eine Buchmesse auf Abstand ist ein Widerspruch in sich
„Es läuft auf ein großes Paradox hinaus: Das Konzept kann überhaupt nur funktionieren, wenn viele gar nicht erst kommen. Dann aber verliert die Veranstaltung ihren Daseinszweck. In jedem Fall wird sie ganz anders sein als alle Messen zuvor. Nicht wegen der ausfallenden Partys. Sie wird nüchterner sein, klinischer, stiller, geschäftsmäßiger, konzentrierter. Sie wird kleiner sein, aber nicht kuscheliger, sondern kälter. Eigentlich ist eine Messe auf Abstand ein Widerspruch in sich, denn was sie ausmacht, ob für Verleger, für Kritiker oder für Leser, ist eben Nähe. Nahekommen aber kann man in diesen Monaten nur den Büchern, nicht den Menschen dahinter.“
Richard Kämmerlings in der „Welt“ S. 21
Frankfurt en miniature
„Wirtschaftlich gesehen geht es […] im besten Falle um Schadensbegrenzung. Schon jetzt steht fest, dass die Messe ein erhebliches Defizit einfahren wird. Die Absagen der Frühjahrsmessen haben aber gezeigt, dass die mediale Aufmerksamkeit auch im Buchgeschäft ereignisgetrieben und ohne Großveranstaltungen kaum herzustellen ist. Ohne Messen gehen nicht nur die Verkäufe zurück, die Autorinnen und Autoren dringen auch medial nicht mehr durch, zum Schaden aller Beteiligten, also auch des öffentlichen Diskurses, der ohne die Fachleute auskommen muss, die zu den virulenten Themen die einschlägigen Bücher geschrieben haben.
Die Messe und die Verlage stehen nun vor der Herausforderung, diese Aufmerksamkeit auch im digitalen Raum herzustellen, wie es etwa E-Sport und Vaporwave schon lange gelingt.“
Felix Stephan in der „Süddeutschen Zeitung“ S. 9
Richtige Entscheidung
„Es ist richtig und wichtig, die Frankfurter Buchmesse trotz der Corona-Krise auszurichten. Es geht um mehr als ein trotziges Lebenszeichen der Branche. Denn dieses weltweit größte Medientreffen ist auch eine politische Plattform. Sie gibt unterdrückten und verfolgten Völkern und Gruppen eine Stimme, sie bietet Öffentlichkeit für den Kampf um Menschenrechte und Meinungsfreiheit. Und Medienbildung für bildungsferne Menschen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat diese Positionen in den zurückliegenden Jahren zu Recht stark ausgebaut.“
Claus-Jürgen Göpfert in der „Frankfurter Rundschau“ S. F6
Sonderedition Frankfurt
„[…] für Aussteller zählt der virtuelle Auftritt nicht: Sie wollen eben die unersetzliche persönliche Begegnung, für eine Geistermesse zahlen sie nicht. Und da sie nun der Rücktritt vom Vertrag mit der Buchmesse nichts mehr kostet, werden nach den großen Konzernverlagen auch viele unabhängige kleinere und mittlere auf Frankfurt verzichten. Auf die Frage, welche Aussteller noch Zugpferde für die Messe sein könnten, wenn die bekanntesten Publikumsverlage ausfallen, antwortete Juergen Boos: ,Das muss jeder für sich selbst entscheiden.‘ Mutmaßlich wird das dann auch bei den Lesern in eine Entscheidung gegen den Messebesuch münden.“
Andreas Platthaus in der „Frankfurter Allgemeinen“ S. 9
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