In der Buchbranche setzt sich Crowdfunding als alternative Finanzierungsform mehr und mehr durch. Für welche Projekte sich die Schwarmfinanzierung besonders anbietet und welche Faktoren über den Erfolg einer Kampagne bestimmen, erklärt Markus Streichardt von Startnext im Interview mit buchreport.de.
Streichardt ist einer der Referenten der Leipziger Autorenrunde auf der Leipziger Buchmesse am 14. März 2015 und steht in einer Tischgesprächsrunde für Fragen zum Thema „Erfolgreiches Buch-Crowdfunding – Finanzierungsstrategien für Autoren” zur Verfügung. Hier das Programm sowie Infos zur Teilnahme.
Sollte sich die Buchbranche stärker mit Crowdfunding befassen?
Zweifellos. In der Buchbranche hat sich das Subskriptionsmodell seit Jahrhunderten bewährt und genau dies führt Crowdfunding fort, allerdings in moderner digitaler Form. Verlage sowie Autoren können mithilfe der Crowd Herzensprojekte realisieren. Die Crowd – d.h. eine Vielzahl an Unterstützern (Lesern, Literaturbegeisterten) – finanziert mit kleinen und auch einigen großen Beträgen das Projekt vorab. Im Gegenzug erhalten die Unterstützer entsprechende Gegenleistungen, sog. Dankeschöns. Das sind in erster Linie Ebooks, (signierte) Bücher, exklusive Lesungen.
Die Verlage und Autoren haben dank Crowdfunding die Möglichkeit, in direkten Kontakt mit den Unterstützern zu treten, deren unmittelbares Feedback können sie in das Projekt einfließen lassen und nicht erst hinterher, wenn es schon zu spät ist. Crowdfunding ist also nicht nur ein Instrument der Finanzierung sondern auch eins der Kommunikation.
Für welche Projekte bietet sich Crowdfunding besonders an?
Bücher jeglicher Art, egal ob Sach- oder Hörbuch, sind prädestiniert für Crowdfunding. Durch das jeweilige Thema oder Genre gibt es eine klare Zielgruppe, an die sich die Autoren wenden und zur Unterstützung aufrufen können. Aber Crowdfunding dient auch dazu, Neues zu wagen und ungewohnte Projektideen vorzustellen, wie bspw. die Entwicklung einer dreisprachigen Kinderbuch-App der Erzählung Meta Morfoß von Peter Hacks. Durch das Crowdfunding finden die Starter heraus, ob der Funke überspringt und die eigene Begeisterung geteilt wird.
Welche Projekte aus der Branche haben Sie besonders beeindruckt?
Die Liste ist lang und wird immer länger. Drei Beispiele möchte ich kurz vorstellen:
- Der auf Graphic Novels und Comic spezialisierte Jaja Verlag nutzt Crowdfunding konsequent zur Kofinanzierung. Durch den Vorverkauf kann Verlegerin Annette Köhn die Kosten senken und langfristiger planen. Gleichzeitig dient das Crowdfunding auch zum Marketing, wodurch die Aufmerksamkeit auf die Autoren und auf das Verlagsprogramm gelenkt werden.
- Ein Vorzeige-Projekt ist Alltagstourist von Eva Jung, dass dem „Zauber des Alltäglichen auf der Spur“ geht. Ein spannendes Thema hervorragend präsentiert und deshalb konnte Eva Jung zu recht mehr als 25.000 Euro von 505 Unterstützern einsammeln. Eine lokale Buchhandlung kümmert sich um den Vertrieb. Hier ergänzen sich die digitale und analoge Buchwelt perfekt.
- Ein außergewöhnliches Projekt war der „Wanderhurenstreit“. Die Verlagsgruppe Droemer Knaur, Verleger der Bestsellerreihe „Die Wanderhure“, hatte gegen den satirischen Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ geklagt und in erster Instanz Recht bekommen. Der Indie-Verlag Voland & Quist konnte dank der Crowd mögliche Prozesskosten vorfinanzieren und in Berufung gehen. Mit Erfolg! Durch den gewonnen Fall konnte nun sogar das gesammelte Geld an das Kurt Tucholsky Literaturmuseum gespendet werden. Ein positiver Nebeneffekt des Crowdfundings.
Welche Faktoren bestimmen über den Erfolg von Crowdfunding?
Vor allem gesunder Menschenverstand und Begeisterungsfähigkeit!
Gesunden Menschenverstand, um die Größe der eigenen Community richtig einzuschätzen und eine realistische Fundingsumme zu wählen. Im Vornherein muss sich der Projektstarter klar sein: Wie viel Geld brauche ich, um mein Projekt umsetzen? Wie viel Geld kann ich von der Crowd erwarten? Wenn die eigene Community noch nicht so groß ist oder es sich um ein Nischenthema handelt, ist es ratsam, erst einmal eine niedrige Fundingsumme anzusetzen und den Rest auf anderem Wege zu finanzieren. Kommt mehr Geld durch die Kampagne rein, umso besser!
Die Begeisterungsfähigkeit zeigt sich bspw. im Pitch-Video, in dem der Starter sein Projekt vorstellt und deutlich macht, warum es ihm am Herzen liegt und er es gemeinsam mit der Crowd umsetzen möchte.
Mit attraktiven Dankeschöns legt er die Basis für eine erfolgreiche Kampagne. Hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Ein Beispiel: Der Journalist und Blogger Michael Seemann bot dem Unterstützer an „Kapitalpate“ zu werden. Er schickte ihnen vorab ein Kapitel und ließ dessen kritisches Feedback in sein Buch „Das Neue Spiel – Nach dem Kontrollverlust“ einfließen. Die Crowd war in dem Fall nicht nur Geld-, sondern auch Ideengeber.
Neben einer ansprechenden Präsentation ist die Kommunikation (on- und offline) entscheidend: Wann kommuniziere ich was an wen. Hier ist die persönliche Ansprache wichtig, nicht nur im Umgang mit Journalisten und Bloggern, sondern auch mit Endkunden sprich den Lesern. Nur so kann überhaupt deren Interesse für das Projekt geweckt werden.
Funktioniert Crowdfunding nur, wenn man eine bereits eine große Community aufgebaut hat?
Es kommt eher auf das Verhältnis an. Je höher die Fundingsumme desto wichtiger wird die eigene Community. Möchte ich 10.000 Euro einsammeln, sind E-Mail-Verteiler und eine Facebook-Gruppe mit ein paar Tausend Kontakten von Vorteil, keine Frage. Aber auch die eigene Community muss der Starter begeistern können, sodass diese die Projektidee teilt und weiterempfiehlt.
Crowdfunding bietet außerdem die Möglichkeit, die bestehende Zielgruppe zu erweitern. Weil durch die Crowdfunding-Plattform die Projekte eine erhöhte Sichtbarkeit bekommen.
Das erste Crowd-Buchprojekte, das ich wahrgenommen habe, war „Eine neue Version ist verfügbar“ von Dirk von Gehlen. Seine Euphorie über das gelingen konnte ich nicht gänzlich teilen. Denn ich hatte den Eindruck gewonnen, dass dieses Buch zwar finanziert, jedoch kaum gelesen und von der Community auch kaum promotet wurde. Habe dies mal in einem Beitrag „Geld oder Lesen“ weiter erörtert: https://thomasbrasch.wordpress….
Das zweite Projekt war dann Michael Seemann. Auch hier fand ich die Resonanz bescheiden. Sicher hat dieses Buch deutlich mehr Aufmerksamkeit als das Buch von Dirk von Gehlen bekommen und durch die Vorfinanzierung konnte man es dann auch kostenlos lesen. Dennoch fand ich auch hier das für mich wesentliche Ziel nicht genügend erreicht: dem Buch viele Leser und einen breiten Diskurs zu verschaffen.
Meine These oder Vermutung ist, dass zum einen durch die Vorfinanzierung der Druck der Vermarktung sinkt. Zum anderen – und das wäre tragischer – dies aktuell nur ein Hype ist. Es ist recht cool mal was Crowd zu finanzieren, doch nach einiger Zeit wird der Coolnessfaktor deutlich sinken und die Nachfrage zugleich steigen.
Das Modell Crowd-Funding für Bücher erachte ich einzig, wie hier beschrieben, in Verbindung mit einem Verlag nach dem Subskriptionsprinzip oder gar mit der Option der Gewinnbeteiligung (wie im Kommentar von hempstar angedeutet) als nachhaltig. Doch dies wäre letztlich nur Altbekanntes neu entdeckt – was ja auch ok ist.
Ist auch der deutsche Buchmarkt prädestiniert für Crowdfunding? Pentian meint ja und will dieses Jahr nach Deutschland expandieren: http://crowdstreet.de/2015/02/… Dann werden Unterstützer zu Verlegern und können mit Literatur Geld verdienen.
Ein hilfreiches, kostenloses Whitepaper zum Thema Crowdfunding gibt es hier: http://gobasil.com/blog/crowd-… Viel Spaß damit!
Ergänzender Lesetipp für Autoren, die mit Crowdfunding liebäugeln:
„Crowdfunding für Self-Publisher“ (http://blog.xinxii.de/selfpubl…. U.a. berichtet die Autorin Eva Jung über ihre Erfahrungen mit Startnext und gibt Tipps zum Durchführen einer erfolgreichen Kampagne.
Und es gibt ein Whitepaper von Eva Jung zum Thema Crowdfunding, nämlich hier: http://gobasil.com/blog/crowd-…