Wo kaufen Amerikaner mit Vorliebe Bestseller zu Niedrigpreisen? Nicht im Buchhandel, der sich trotz fehlender Preisbindung überraschend häufig an den empfohlenen Ladenpreis der Verlage hält, sondern bei den Discountern und Price Clubs, die in riesigen schnörkellosen Lagerhallen Waren auf Paletten stapeln und ihren Mitgliedern konkurrenzlos günstig anbieten; allen voran Marktführer Costco, der mit weltweit 405 Warenhäusern (davon 299 in den USA) 64,4 Mrd Dollar (50,2 Mrd Euro) umsetzt.
In seinen US-Läden hält Costco maximal 200 Bücher bereit; hoch gestapelt auf Büchertischen (intern „The Table“ genannt), die üblicherweise in bester Lage mitten im Getümmel stehen. Wie gut sich das Geschäft mit dem gedruckten Wort in Zahlen liest, ist Verschlusssache. Doch dass Bücher in den strategischen Planungen der Konzernoberen eine nicht unerhebliche Rolle spielen, zeigt das aktuelle Kundenmagazin „The Costco Connection“.
Einkäuferin mit Macht
Unter der Headline „Die große kleine Buchhandlung“ ist die Titelgeschichte auf drei Seiten dem Mini-Team gewidmet, das für die Bücherpräsentation in den Costco-Shops zuständig ist. Allen voran Pennie Clark Ianniciello, seit 1994 im Unternehmen und seit elf Jahren Chefeinkäuferin der Sparte Buch.
Ianniciello ist eine der einflussreichsten Playerinnen im US-Buchmarkt. Schon 2002 widmete ihr das „Wall Street Journal“ einen Aufmacher. Dass Costco nach eigenem Bekunden heute zu den Top-5-Buchhändlern im Land gehört, ist maßgeblich ihr Verdienst. Verlage hofieren die Amerikanerin wegen der schieren Verkaufspower, die mit ihrem Arbeitgeber verbunden ist.
Durchschnittlich gehen zwischen 20 und 25% der Erstauflage eines Buches en gros an den Discounter, mitunter sogar noch mehr. Im Normalfall bleibt ein Buch bis zu sechs Wochen auf „The Table“. Wenn die Nachfrage mit den Erwartungen nicht Schritt hält, kann rigoros aber auch schon nach einer Woche Schluss sein.
Mitsprache bei Cover und Erscheinungstermin
Die guten Konditionen, die die Verlage Costco einräumen, werden zu einem großen Teil an die Kunden weitergegeben: 40% sind die Norm, Bestseller werden um bis zu 60% unter dem empfohlenen Ladenpreis verkauft. Ianniciellos Einfluss geht mittlerweile so weit, dass die Verlage häufig in Issaquah (Washington) Rücksprache halten, wenn es um Erscheinungstermine oder die Gestaltung von Buchumschlägen geht.
Entgegen dem landläufigen Image des Konzerns ist Costco aber nicht nur eine Absatzbank für etablierte Bestsellerautoren, Kinder- und Kochbücher sowie Ratgeber. Vielleserin Ianniciello hat ein besonderes Faible für anspruchsvolle Debütromane, das sie in „Pennie’s Pick of the Month“ auslebt. Einmal im Monat empfiehlt sie Costcos millionenfacher Mitgliedschaft ihr Lieblingsbuch: Im November ist es Mary Ann Shaffers „The Guernsey Literary and Potato Peel Society“. Andere Schriftsteller, die es auf die Auswahlliste (und anschließend auf die Bestsellerlisten) geschafft haben, sind Jonathan Lethem, Khaled Hosseini, Lisa See und Charles Frazier.
aus: buchreport.express 46/2008
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