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Bücherversand steht unter Druck

Das ist Balsam für die Seele vieler Buchhändler: Der Verband der Internet- und Katalogversender korrigiert die Prognose für 2014 drastisch nach unten. Und führt dies unter anderem auf den schwächelnden E-Commerce mit Büchern zurück. Doch die Erhebung wirft Fragen auf.

Wie der „Tagesspiegel“ vorab aus dem neuen Quartalsbericht Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (BEVH) zitiert, geht der Verband für den gesamten so genannten interaktiven Handel nur noch von einem Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich aus. Zum Vergleich: 2013 lag das Wachstum der Branche noch bei knapp 23%, und zu Beginn des Jahres rechnete der BEVH noch mit einem Plus von fast 16%. Weiterer Vergleich: Der Einzelhandelsverband HDE erwartet (Stand: Oktober 2014) für das laufende Jahr 2014 im deutschen Onlinehandel Umsätze in Höhe von 38,7 Mrd Euro, das wäre eine Steigerung von 17%. 

Update: Inzwischen hat der Verband die detaillierten Zahlen fürs 3. Quartal 2014 vorgelegt:

  • Der interaktive Handel wuchs um 2% auf rund 11,9 Mrd Euro.
  • Die reinen Onlinehändler legten um 1% auf 9,8 Mrd Euro zu.
  • Der Umsatz mit digitalen Dienstleistungen sank leicht.
BEVH: Buch-Versandgeschäft verliert zweistellig

Begründung des BEVH für das vermeintlich abflachende Wachstum: „Der Interaktive Handel hat sich einen so hohen Anteil am Einzelhandel erarbeitet, dass konjunkturelle Schwankungen das langfristige Wachstum überlagern.“ Zweistellige Wachstumsraten seien zwar weiter machbar, dies sei aber neben neben dem konjunkturellen Umfeld davon abhängig, wann neue Angebote bislang wenig versandhandelsaffiner Branchen wie Lebensmittel und Möbel breite Konsumentenschichten überzeugten, so Gero Furchheim, Präsident des BEVH. 

Hinzu komme: Eine der traditionell stärksten Warengruppen im Versandhandel sei merklich rückläufig: Das Buch-Versandgeschäft verlor laut Verband von Juli bis September 21,7% Umsatz, auf 1,018 Mrd Euro. Im 2. Quartal 2014 hatten Bücher bereits 23,6% und im 1. Quartal 20,9% gegenüber dem Vorjahreszeitraum verloren. Inzwischen seien Bücher mit rund 1 Mrd Euro Umsatz im Quartal nur noch die drittstärkste Warengruppe, nach Bekleidung und Unterhaltungselektronik.
Ein Grund dafür sei, dass Konsumenten zunehmend auf E-Books ausweichen, die in der Warenstatistik nicht mehr unter „Bücher“, sondern unter „Dienstleistungen“ auftauchen. Weitere Erklärung des Verbands: Man sehe den Trend, dass sich der stationäre Buchhandel seinen Platz zurückerkämpfe. Die neuen Ladenkonzepte seien moderner, schicker und weniger staubig, in den Großstädten habe sich die Zahl der unabhängigen, inhabergeführten Buchhandlungen wieder stabilisiert, verweist der „Tagesspiegel“ auf den die These bestätigenden Börsenverein. „Der reine Versand von Büchern steht unter Druck“, schlussfolgert der BEVH.
Weitere Ergebnisse der Quartals-Bilanz des BEVH:
  • Den größten Umsatzanteil haben weiterhin Onlinemarktplätze wie Ebay und Amazon, die Händlergruppe habe aber gegenüber dem Vorjahreszeitraum gut 20% Umsatz (auf 5,272 Mrd Euro) verloren. 
  • Multi-Channel-Händler hätten dagegen mehr als 27% auf 4,393 Mrd Euro zugelegt. Im kommenden Jahr könnten die Multi-Channel-Händler die reinen Onliner überholen, so der Verband.
  • Im Aufwind sind die Segmente Möbel/Dekoration und Lebensmittel.
Doch die Erhebung wirft einige Fragen auf:
  • Kompatibilität: Die Untersuchung fußt auf einer Befragung von rund 40.000 Privatpersonen aus Deutschland im Alter von über 14 Jahren, telefonisch und per Onlinefragebogen. Obwohl die Verbraucher also angeblich nicht mehr so rasant die virtuellen Warenkörbe befüllen, sind die Versender bester Laune. Im Juni gab derselbe BEVH bekannt, dass das Geschäftsklima des interaktiven Handels in Deutschland im Frühjahr 2014 ein neues Rekordhoch erreicht habe und dieses deutlich über dem Niveau der deutschen Gesamtwirtschaft liege. Alle Basisindikatoren (Auftragseingang, Umsatz, Ertrag, Personalbestand) verzeichneten wesentlich positivere Werte als im Vorjahr, und auch die Erwartungen für die nächsten Monate seien weiterhin steigend. – Wie passt das zusammen?
  • Umsatzvolumen: Allein für das 2. Quartal kommt der Verband auf einen Umsatz mit (Print-)Büchern von fast 1 Mrd Euro. Nimmt man die anderen Quartale hinzu, ergäbe sich für den Buchversandhandel ein Umsatzvolumen rund 5 Mrd Euro, das wäre über 50% des Gesamtmarktes – was trotz der Stärke von Amazon zu hoch gegriffen sein dürfte.?
Der E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann, Leiter eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein, hatte vor diesem Hintergrund der fragwürdigen bzw. voneinander stark abweichenden Branchenstatistiken (BEVH vs. HDE) schon im April 2014 den „Zahlensalat“ moniert: „Noch nie gab es bei Jahreszahlen für eine Branche eine derartige Streuung und zugleich so wenig Erklärungen dazu: Wie kann es sein, dass zwei Verbände, die in den nationalen Medien bis hin zur Tagesschau zitiert werden, dermaßen auseinanderliegen? Wie kann es sein, dass keiner von beiden Verbänden auch nur annähernd den tatsächlich realisierten – weil bereits überwiegend von den größten Vertretern der Branche publizierten – Umsatzzahlen auch nur annähernd nahe kommen?“ 

Heinemanns Vermutung: In den Verbänden würden „gewisse Interessenlagen“ vertreten, „die jeweils auch die Zahlentendenz wiederspiegeln, oder aber Unkenntnis im Spiel ist.“ Uni sono Jochen Krisch von Exciting Commerce: „Bis auf weiteres muss man allerdings damit rechnen, dass der b(e)vh den deutschen E-Commerce weiter sehr viel schlechter redet als er ist.“

Kommentare

2 Kommentare zu "Bücherversand steht unter Druck"

  1. Na, wenn das mal alles so stimmt. Der BEVH rechnet sich anscheinend die Welt, wie es ihm gefällt. Die letzten Statistiken waren wohl eher ein peinliches Versehen, siehe Internetworld: http://www.internetworld.de/e-

  2. Nicht, dass noch jemand auf die Idee kommt, E-Books würden die Drucklinge verdrängen. Und dass jene „Dienstleistungen“ ja auch umsonst zu kriegen sind. – Ich hoffe nicht, dass Prophezeiungen wahr werden, nach denen die Buchbranche unter digitalen Bedingungen denselben Weg nimmt wie die Musikbranche der letzten Jahre, also immer lustig abwärts. (Um sich solche Hoffnungen zu bewahren, sollte man zum Beispiel keinesfalls auf die russische Buchbranche schauen, mit ihren jährlich teils zweistelligen Umsatzeinbrüchen.)

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