Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch ein Urteil veröffentlicht, nachdem eine Mietminderung möglich ist, wenn gewerblich genutzte Räume für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der COVID-19-Pandemie nicht genutzt werden können. Über diese Frage wurde im Handel schon länger diskutiert, erste Urteile in unteren Instanzen fielen unterschiedlich aus.
Im jetzt gefällten Urteil des BGH hatte der Vermieter eines Textilgeschäfts geklagt, weil dieses im April 2020 keine Miete gezahlt hatte. Das Landgericht in Chemnitz hatte zunächst zugunsten des Vermieters entschieden, das Oberlandesgericht in Dresden teilte die Miete dann zwischen beiden Parteien. Der BGH hat jetzt das Urteil des Oberlandesgericht aufgehoben und den Fall an das OLG zurückverwiesen.
Der BGH hat entschieden, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erfolgt, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.
In seiner Begründung formuliert der BGH u.a.: Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 sei im vorliegenden Fall die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Darunter verstehe man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde.
Der BGH betont allerdings, dass immer im Einzelfall entschieden werden müsse und sämtliche Umstände zu berücksichtigen seien, beispielsweise staatliche Hilfen oder Leistungen von Versicherungen. Denn neben den Mietern seien eben auch die Vermieter betroffen, keine Seite trage die alleinige Verantwortung.
Das OLG muss nun erneut prüfen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen vorlagen und ob diese relevant genug waren, um die Miete zu reduzieren.
Reaktion vom Handelsverband
Der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßt das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) und sieht sich in seiner bisherigen Auffassung bestätigt. Der BGH hatte deutlich gemacht, dass die Belastungen durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen staatlichen Maßnahmen in gewerblichen Mietverhältnissen nicht von vornherein ausschließlich vom Einzelhändler als Mieter zu tragen sind. Richtigerweise sind die Risiken daher zwischen den Parteien in einem angemessenen Verhältnis und unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls zu teilen. Der HDE sieht das als klaren Hinweis, dass Vermieter und Mieter in ihrem Vertragsverhältnis eine faire und ausgewogene Lastenverteilung anstreben müssen.
„Das BGH-Urteil bestätigt unsere Rechtsauffassung. Es ist ein wichtiger Schritt, dass nun auch höchstrichterlich verbrieft ist, dass die finanziellen Risiken in Verbindung mit der Pandemie nicht alleine auf die Mieterseite abgewälzt werden dürfen. Damit ist der Weg für eine Anpassung der Mieten in den individuellen Vertragsverhältnissen endlich grundsätzlich frei“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die heute getroffene Entscheidung hatten zahlreiche von den staatlichen Corona-Restriktionen betroffene Einzelhändler dringend erwartet.
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