Das Bundeskartellamt hat entschieden, dass der US-Internetriese Amazon als Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ einzustufen sei. Das bedeutet: Amazon fällt (mit seinen Tochterunternehmen) unter eine seit Anfang 2021 geltende erweiterte Missbrauchsaufsicht des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).
Im GWB sieht der Paragraph 19a vor, dass Unternehmen mit so einer Marktmacht „wettbewerbsgefährdende Praktiken“ untersagt werden können – und zwar deutlich konkreter als bisher.
Im Falle von Amazon verweist das Bundeskartellamt insbesondere auf das gewaltige „digitale Ökosystem“ hin, in dem Amazon als Händler, Marktplatz-, Streaming- und Cloud-Anbieter auftritt.
Mit seiner Handelsplattform amazon.de besitze das US-Unternehmen im deutschen Online-Handel einen umsatzbezogenen Anteil von über 70%. Die enorme Bedeutung der Amazon-Handelsplattform werde durch die eigene Einzelhandelstätigkeit auf der Plattform sogar noch verstärkt. Das Kartellamt formuliert die Bedenken: „Damit einher geht eine Regelsetzungsmacht, die erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftstätigkeit und den Geschäftserfolg anderer Unternehmen eröffnet. Das bedeutet, Amazon kann den Zugang anderer Unternehmen zu Absatz- und Beschaffungsmärkten kontrollieren und dabei seine Doppelrolle als Händler und Marktplatz ausspielen.“
Eine besondere Rolle spiele auch das Prime-Abonnement, mit dem Endkunden neben einer versandkostenfreien Lieferung vielfältige weitere Dienstleistungen angeboten werden. Mehr als 17 Mio. auf amazon.de registrierte Nutzerinnen und Nutzer besäßen ein kostenpflichtiges Prime-Abonnement. Zudem verfüge Amazon über erhebliche Ressourcen wie wettbewerbsrelevante Daten und damit eine starke Finanzkraft.
Mit der aktuellen Entscheidung steht Amazon für die kommenden 5 Jahre unter verschärfter Beobachtung.
Weitere Verfahren
Derzeit sind beriets zwei Verfahren anhängig, wie das Bundeskartellamt mitteilt. In einem Verfahren untersucht das Bundeskartellamt, inwieweit Amazon durch Preiskontrollmechanismen bzw. Algorithmen Einfluss auf die Preissetzung der auf dem Amazon-Marktplatz tätigen Händler nimmt. In einem zweiten Verfahren prüft das Bundeskartellamt inwieweit Vereinbarungen zwischen Amazon und Markenherstellern, u.a. Apple, die Dritthändler vom Verkauf von Markenprodukten auf dem Amazon Marktplatz ausschließen, einen Verstoß gegen Wettbewerbsregeln darstellen.
Amazon reagierte derweil auf die Entscheidung des Bundeskartellamts mit einer Stellungnahme: „Wir stimmen den Feststellungen des Bundeskartellamts nicht zu und werden die Entscheidung sowie unsere Optionen, auch Rechtsmittel, sorgfältig prüfen. Amazon ist in erster Linie ein Einzelhändler, und der Gesamtanteil des E-Commerce am deutschen Einzelhandelsumsatz wurde für das Jahr 2021 durch den Handelsverband Deutschland auf nur 14,7 Prozent geschätzt. Wir konkurrieren mit vielen etablierten, erfolgreichen deutschen und internationalen Unternehmen – und das gilt gleichermaßen für unsere Geschäfte in anderen Branchen. In Deutschland haben wir 36,5 Milliarden Euro im Zeitraum von 2010 bis 2020 investiert, wir arbeiten eng mit der lokalen Forschung zusammen, beschäftigen aktuell mehr als 30.000 Menschen, und werden weitere 6.000 neue Stellen in diesem Jahr schaffen. Kund:innen, Partner:innen und die zehntausenden von Unternehmen in Deutschland, die in unserem Store verkaufen, vertrauen in und profitieren von unserer Innovationsfähigkeit. Verkaufspartner:innen stehen inzwischen für mehr als 60 Prozent aller im Amazon Store verkauften Waren, und bei Amazon verkaufende kleine und mittlere Unternehmen beschäftigen mehr als 150.000 Mitarbeiter:innen in Deutschland.“
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