„Groß und braun und jung und reizvoll schreitet das Mädchen aus Ipanema entlang, Und immer, wenn sie an jemandem vorübergeht, entfährt dem ein „Ah!“ – Die Bücher des Poeten, der die originale portugiesische Fassung des berühmtesten brasilianischen Songs „The Girl From Ipanema“ schrieb, sind jetzt als E-Book in Brasilien erhältlich, allerdings nicht dank eines Verlags. Es war die Firma Amazon, die vier portugiesische Bücher von Vincius DeMoraes digital wiederbelebt hat, indem sie ihren E-Book-Shop gestartet hat.
Die Bücher werden exklusiv von Amazon angeboten, Gleiches gilt für einen Titel von Paulo Coelho, „O Livro os Manuais“, der ebenso wie die E-Books aus Jeff Kinneys „Wimpy Kid“-Serie rabattiert für 1,41 US-Dollar verkauft wird.
Von der „PublishNews Brazil“-Top-100-Bestseller-Liste bietet Amazon 64 Titel in digitalem Format an.
Zu Beginn der Woche, in der Amazon an den Start ging, wusste die brasilianische Buchbranche nur, dass Kobo loslegen würde – Kobo hatte Einladungen zu einer Feier im Flaggschiff-Store des Handelspartners Livraria Cultura verteilt. Dass auch Amazon und Google starten würden, war nur ein Gerücht in der Branche.
Am Ende haben alle drei Firmen ihre E-Book-Angebote binnen weniger Stunden an den Start geschoben.
Noch bietet Amazon keinen Kindle-E-Reader in Brasilien an, aber in den kommenden Wochen soll das Standard-Modell Kindle WiFi (ohne Touch-Screen und Tastatur) verkauft werden, umgerechnet für 141 US-Dollar – viel teurer als der Verkaufspreis in den USA (69 Dollar), was auf die hohen Importzölle Brasiliens zurückzuführen ist. Aber das erste Gerät soll nur der Beginn sein. „Wir wollen alle Geräte in Brasilien anbieten“, erklärt David Naggar, als VP verantwortlich für die Kindle-Inhalte bei Amazon. „Wir hoffen, dass wir Millionen Kindles hier verkaufen können.“
Naggar will sich nicht zur Frage äußern, ob Amazon die eigenen Geräte über andere Einzelhandelskanäle verkaufen wird, aber wenn das Ziel darin besteht, Millionen Geräte zu verkaufen, hat Amazon keine andere Wahl, als mit stationären Händlern ins Geschäft zu kommen.
Paulo Coelho, der brasilianische Autor, freut sich über die Ankunft der internationalen E-Kapitalisten. „Das ist nicht nur eine positive, sondern eine unvermeidbare Tatsache“, so Coelho. „Brasilien hat sich so lange wie möglich gewehrt, weil die Verlage dies als Bedrohung empfanden, aber digitale Plattformen sind eine große Hilfe für Autoren.“
Coelho kontrolliert selbst die digitalen Rechte einiger seiner portugiesischen Titel sowie spanischer, deutscher und französischer Ausgaben. „Ich habe die Bücher auf eigene Faust veröffentlicht, weil ich den Lesern weltweit Zugang zu meinen Büchern in diesen Sprachen geben wollte“, erklärt Coelho.
Coelho ist zuversichtlich und überzeugt vom Wert der Rolle eines professionellen Verlags. „Der Verlag ist der Kern; wenn ein Autor beginnt, Selfpublisher zu werden, hört er auf, Autor zu sein, um etwas anderes zu werden. Dies ist eine Situation des am falschen Ende Sparens.“
Mit Blick auf die E-Book-Kataloge stellt sich der brasilianische Markt wiefolgt dar: Saraiva, Google und Amazon haben alle rund 13.000 portugiesische Titel, während Kobo/Cultura über rund 8000 verfügt. Aber es gibt Unterschiede bei der Zusammensetzung der Kataloge. Nachdem es Gerüchte gab, dass Amazon die Laden-Geschäfte oder den E-Commerce von Saraiva übernehmen könnte, stellt sich jetzt heraus, dass es noch nicht mal eine Vereinbarung darüber gibt, die 2500 E-Books von Saraivas eigenem Verlag in den Kindle-Store zu nehmen. Auch Google führt diese Titel nicht, während Kobo einige Saraiva-Titel im Angebot hat.
Die Verleger sind ebenfalls inzwischen erfreut darüber, dass der große digitale Moment gekommen ist. So erklärt Sevano Matos, Direktor bei Vergara & Riba Brazil (V&R), dem Verlag, der die „Wimpy Kid“-Serie in Brasilien veröffentlicht: „Es wird spannend sein zu sehen, wie Amazon die eigene Marketing-Kampagne aufzieht und ob sie die Brasilianer vom Kauf eines Kindle überzeugen können. Wir Verleger sind nicht mehr darauf angewiesen, dass die Kunden ins Ausland fahren und dort ein Gerät anschaffen.“
V&R war einer der ersten brasilianischen Verlage, die mit Amazon in Verhandlungen getreten sind, im ersten Quartal 2012. Andere Verlage warteten bis zur letzten Minute, um einen Vertrag mit dem Händler abzuschließen, darunter die Verlagsgruppe Ediouro, deren Imprint Nova Fronteira J.K. Rowlings „The Casual Vacancy“ in Brasilien herausgebracht hat.
Insgesamt haben 90 Verlage Verträge mit Amazon unterzeichnet. Digitale Auslieferungen wie das gigantische Konsortium DLD und der Pionier Xeriph sind auch an Bord.
Auch Kindle Direct Publishing ist in Brasilien gestartet. Autoren erhalten 35% der Verkaufserlöse; Selfpublishing-Autoren, die exklusiv über „KDP Select“ bei Amazon veröffentlichen, bekommen 70%.
Mit Blick auf die Preise von E-Books gab es im Twitterversum und anderen Social-Media-Netzwerken schon Beschwerden von Kunden, die die Preise für zu hoch erachten. Naggars Einschätzung ist als Botschaft an die Verleger zu verstehen: „Es gibt zwei Aspekte, die für den Kunden keinen Sinn machen: Wenn ein E-Book nicht erhältlich ist, die Print-Ausgabe aber sehr wohl. Und wenn das digitale Buch teurer ist oder gleich teuer.“
Während Kobo, Google und Amazon ihre E-Books jetzt in Brasilien verkaufen und Apple im eigenen US-Store für Brasilianer ein Fenster geöffnet hat, um E-Books zu kaufen (wenn auch in Dollar), fehlt nur noch Barnes & Noble auf der Party. Sie sollten schnell nachstoßen, denn sie haben in der brasilianischen Branche zumindest einen großen Fan: Paulo Coelho. Der Autor des „Alchimisten“ bevorzugt auf der Reise seinen „Nook“. Die Motive sind allerdings praktischer Natur: „Weil ich in Kontinentaleuropa wohne, kann ich keine Nook-Titel kaufen. Ich habe aber ein 600-Dollar-Guthaben erhalten, um Bücher zu kaufen. Das Guthaben habe ich noch nicht aufgebraucht.“
Die Preise machen bei der Wahl der Lesegeräte tatsächlich einen Unterschied.
Carlo Carrenho ist ein brasilianischer Verleger und Journalist. 2001 gründete er „PublishNews“, einen täglichen Newsletter auf Portugiesisch über den brasilianischen Buchmarkt mit über 11.000 Abonnenten. Carrenho arbeitete für einige Verlage, darunter den von ihm 2007 gegründeten Verlag Thomas Nelson Brasil.
Iona T. Stevens ist Redakteurin bei PublishNews und Korrespondentin bei PublishNews Brazil.
Der Artikel wurde zunächst bei Publishing Perspectives veröffentlicht.
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