Trotz Wirtschaftskrise ist der Boom der Center ungebrochen. Jedes Jahr eröffnen in Deutschland knapp ein Dutzend neue Einkaufszentren. Der Zug in die Innenstädte birgt Chancen wie Gefahren für den Einzelhandel. Im Interview mit buchreport bestätigt Handels-Experte Bernd Falk eine der hohen Filialisierung geschuldete Tendenz zur Austauschbarkeit.
Während die Kauf- und Warenhäuser kriseln, wächst die Zahl der Shopping-Center weiter: Zum 1. Januar dieses Jahres zählte das EHI Retail Institut 414 großflächige Center mit einer Gesamtmietfläche von über 13 Mio qm. Für das laufende Jahr waren 15 neue Center vorgesehen, darunter wurden Großprojekte umgesetzt wie das Loop5 im hessischen Weiterstadt (56500 qm), das MyZeil in Frankfurt (78000 qm) und der Limbecker Platz in Essen (2. Bauabschnitt, 70000 qm). Für die nächsten drei Jahre sind weitere rund 40 Projekte mit noch einmal knapp 1 Mio qm in Planung.
Dass neue Center fast ausnahmslos in Innenstädten und an Haupteinkaufsstraßen eröffnet werden, sorgt seit Jahren für oftmals heftige Kritik aus den Reihen des lokalen Einzelhandels. Aktuell hat eine Studie des Schweizer Gottlieb-Duttweiler-Instituts die Diskussion neu entfacht, die eine stärkere Integration der Center in die Innenstädte einfordert.
Im Interview mit buchreport bestätigt Handels-Experte Bernd Falk (Foto) eine der hohen Filialisierung geschuldete Tendenz zur Austauschbarkeit und zeigt Möglichkeiten auf, wie Center-Betreiber dieser Entwicklung entgegenwirken können:
Den Entwicklern von Einkaufszentren wird oft Einfallslosigkeit und effizienzgetriebene Beliebigkeit vorgeworfen. Zu Recht?
Leider stimmt diese Behauptung zu oft. Eine austauschbare und mitunter lieblose Architektur und ein einfallsloser Mieter- und Branchen-Mix zeichnet tatsächlich viele Shopping-Center aus.
Wie könnten sich die Center ein stärkeres Profil verschaffen?
Die innere und äußere Gestaltung gewinnt in Zukunft sicherlich an Bedeutung. Eine attraktive Einkaufsatmosphäre und die Architektur sind wichtige Elemente, damit die Center ein eigenständigeres Profil erhalten. Besondere Bedeutung besitzt auch der Aspekt der Nachhaltigkeit. Dabei ist insbesondere die ökologische Verträglichkeit der Center von erheblicher Relevanz. Sowohl die Shopping-Center-Kunden wie auch die Center-Mieter, die öffentliche Hand, die Kapitalgeber und die breite Öffentlichkeit wird diesem Aspekt künftig eine noch stärkere Beachtung beimessen.
(Foto: Loop5 in Weiterstadt, Fotograf: Peter Stehlik)
Was zeichnet eine attraktive Center-Architektur denn aus?
Die Architektur und das Design des Centers muss zur Philosophie und zum Angebotsniveau passen. Nur eine diesbezügliche Übereinstimmung stützt die Profilierung und ermöglicht einen ehrlichen Auftritt.
Von den rund 400 deutschen Shopping-Centern sind nach Einschätzung des German Council of Shopping Centers die Hälfte restrukturierungsbedürftig. Wo liegen die größten Schwachpunkte?
Es zeigen sich sowohl technische wie auch wirtschaftliche Erosionserscheinungen. Allerdings geben zumeist die wirtschaftlichen Erosionsursachen den Ausschlag für eine Center-Revitalisierung. Ein stärkerer Wettbewerb, neue Angebotsformate und ein Wandel des Konsumentenverhaltens sind ausgewählte Aspekte, mit denen die Center-Betreiber konfrontiert werden.
In den USA gibt es mittlerweile sogar eine Vielzahl von „Dead Malls“. Droht diese Entwicklung auch in Deutschland?
In Deutschland ist diese Entwicklung in deutlich geringerem Umfang zu erwarten. Center-Schließungen aufgrund eines starken und immer noch zunehmenden Center-Wettbewerbs werden jedoch zunehmen. Erforderlich ist eine stärkere Ausrichtung auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden durch z.B. Research, Marketing etc.
Wann ist die Sättigung erreicht, auch vor dem Hintergrund der angespannten konjunkturellen Lage?
Es gibt bereits heute Regionen mit deutlichen Sättigungserscheinungen. Die Durchführung detaillierter Markt- und Standortanalysen ist dringend zu empfehlen.
Statt auf der grünen Wiese werden immer mehr Projekte in den Innenstädten angesiedelt.
Wie wirkt sich das auf den örtlichen Handel aus?
Durch ein Shopping-Center in der Innenstadt können sowohl positive wie auch negative Effekte für den örtlichen Handel ausgehen. Ein Center kann für eine Innenstadt auch eine wichtige Magnetfunktion übernehmen. Auf der anderen Seite können durch ein neues Center auch die bestehenden Kundenfrequenzen einer Innenstadt empfindlich gestört werden. Insbesondere Nebenlagen können hierdurch in ihrer Attraktivität beeinträchtigt werden. Erforderlich ist eine harmonische Integration des Centers in das Stadtgefüge durch z.B. eine Öffnung des Centers bzw. Vernetzung mit der Innenstadt.
Wie ist eine friedliche Koexistenz möglich?
Die Center müssen sich in das Innenstadtgefüge integrieren und in ihrer Dimensionierung angemessen sein. Wichtig ist auch der Mikro-Standort der Center. Zu vermeiden sind Standorte mit einer entsprechenden Distanz zur Haupteinkaufslage. So kann eine Distanz von 100 m bereits zu groß sein, um akzeptable Kopplungsquoten zu erzielen.
Das Nebeneinander von Centern und traditionellen Einzelhandelslagen scheint in den Metropolen zu funktionieren. Aber wie sieht es in den Klein- und Mittelstädten aus?
Hier ist insbesondere auf die Dimensionierung der Center zu achten. Im Rahmen der Bewertung ist die vorgesehene Fläche des Centers in das Verhältnis zur bestehenden Verkaufsfläche der Innenstadt bzw. der Gesamtstadt zu stellen. Verfügt die Innenstadt nicht über eine adäquate Verkaufsflächenausstattung und entsprechende Eigenattraktivität, so kann bereits von einem kleiner dimensionierten Center eine relevante Beeinträchtigung ausgehen.
Der Filialisierungsgrad in den Centern ist sehr hoch. Droht die Gefahr der Austauschbarkeit?
Sowohl bei der überwiegenden Anzahl der Shopping-Center wie auch bei den Haupteinkaufslagen der Innenstädte zeigt sich ein sehr hoher Filialisierungsgrad. Die Gefahr der Austauschbarkeit ist meist schon die Regel.
Wie hängen der Boom der Shopping-Center und die Warenhaus-Krise zusammen?
Ein direkter Zusammenhang besteht hier wohl nicht. Bei den Warenhäusern zeigte sich bereits seit einigen Jahren eine mangelhafte Profilierung im Wettbewerb.
Ergeben sich – auch durch die Nachnutzung der Warenhäuser – neue Möglichkeiten für Center-Betreiber?
Eine Nachnutzung eines Warenhauses in Form eines Shopping-Centers ist im Prinzip möglich und wurde auch schon einige Male in Deutschland realisiert. Schwierigkeiten zeigen sich unter anderem durch die Mehrgeschossigkeit der Warenhäuser, wobei fünf und mehr Etagen keine Seltenheit darstellen. Shopping-Center verfügen demgegenüber nur sehr selten über mehr als drei Mall-Ebenen.
Wie sehen die Einkaufszentren der Zukunft aus?
Die Shopping-Center der Zukunft sind aller Voraussicht nach Stadt- bzw. Innenstadt-integriert, verfügen über ein attraktives Design, sind nachhaltig und besitzen eine noch höhere Ausrichtung auf den Center-Kunden. Eine stärkere Bedeutung werden sogenannte offene Center bekommen. Diese verfügen im Gegensatz zu den klimatisierten Centern über offene Plätze und Straßen sowie Grünanlagen und bieten eine attraktive Vernetzung zu den bestehenden innerstädtischen Einkaufslagen.
Text/Interview: Till Spielmann
www.shoppingcenters.de
www.gcsc.de
Die 10 größten Einkaufszentren*
Center, Stadt, Gesamtfläche, Eröffnung
1. Paunsdorf-Center, Leipzig, 130000 qm, 1994
2. Ruhr-Park, Bochum, 125800 qm, 1964
3. A10-Center, Wildau (Berlin), 100000 qm, 1996
4. Rhein-Ruhr-Zentrum, Mülheim/Ruhr, 100000 qm, 1973
5. Nord-West-Zentrum, Frankfurt, 92000 qm, 1968, 1)
6. Gropius Passagen, Berlin, 90000 qm, 1994
7. CentrO, Oberhausen, 90000 qm, 1996
8. Nova Eventis2), Günthersdorf, 90000 qm, 2004, 3)
9. Elbe-Park, Dresden, 85000 qm, 1995,
10. Main-Taunus-Zentrum, Sulzbach (Frankfurt), 82000 qm, 1964
Gesamt, , 984800 qm, ,
* ab 1.1.2009 Quelle: EHI/buchreport
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