Die Frage, ob die strikte deutsche Buchpreisbindung geschmeidiger gestaltet werden kann, wird lebhaft in der Branche diskutiert (mehr dazu hier). Vor allem der Vorschlag, ob ein Mindestpreis nicht sinnvoller als ein Fixpreis wäre, steht dabei im Fokus. Christian Peter, Jurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich „Recht und Literatur“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, analysiert in einem Gastbeitrag, ob Mindestpreise, Rabattschranken und Befristungen Gestaltungsoptionen für die deutsche Buchpreisbindung bieten:
Seit Kurzem diskutiert die Buchbranche wieder über die Buchpreisbindung und ihre Ausgestaltung. Denn das System der Festpreisbindung erweist sich in Zeiten von Inflation und Preisexplosionen in nahezu allen Bereichen für die Bucheinzelhändler als Problem: sie können ihre höheren Kosten aufgrund der von den Verlagen festgelegten Buchpreisen nicht an ihre Kunden weitergeben. Innerhalb des Börsenvereins wird daher nun über Gestaltungsoptionen für die Buchpreisbindung nachgedacht.
Diskutiert wird zur Zeit über eine Abkehr von dem bisherigen Fixpreissystem hin zur Einführung eines Mindestpreissystems nach österreichischem Vorbild. Ein festgelegter Preis dürfte dann von Bucheinzelhändlern über-, aber nicht unterschritten werden.
Die Suche nach Gestaltungsoptionen, die weniger eingriffsintensiv, aber trotzdem gleichsam effektiv sind, ist auch von großer Relevanz für die rechtliche Beurteilung der Legitimation der Buchpreisbindung. Ein Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass die rechtliche Ausgestaltung einer Preisbindung für Bücher durchaus milder ausfallen kann, als es in Deutschland derzeit der Fall ist. Nicht klar sind dann jedoch die ökonomischen Wirkungen dieser milderen Alternativen, anhand derer die Effektivität der jeweiligen Ausgestaltung beurteilt werden könnte.
Schaut man auf Norwegen, wo es das in Deutschland aufgegebene Reverssystem und keine gesetzliche Preisbindungspflicht gibt, stellt man fest, dass der Zeitraum, über den Buchpreise gebunden werden dürfen, strenger begrenzt ist als in Deutschland. Buchpreise dürfen dort vom Tag des Erscheinens an bis zum 1. Mai des Folgejahres und für maximal zwölf Monate festgesetzt werden. Darüber hinaus ist es Bucheinzelhändlern erlaubt, Rabatte zu gewähren – bis zu 12,5% auf den vom Verlag festgesetzten Preis. Die maximale Rabatthöhe ist demzufolge durch eine Rabattschranke begrenzt. Eine solche Rabattschranke existiert auch in Frankreich. Dort dürfen stationäre Bucheinzelhändler Rabatte in Höhe von maximal 5 % an Verbraucher gewähren. Online-Händler hingegen dürfen keinen Rabatt einräumen. Hinzukommen in beiden Ländern staatliche Literatur-Förderprogramme. In Norwegen gibt es die staatlichen Buchkaufprogramme (sog. Beschaffungsschemata) des Norwegischen Kulturrates, in Frankreich existiert das Centre National du Livre, das verschiedenen Förderansätze verfolgt.
Will man also das deutsche System aufweichen, findet man dazu in den rechtlichen Ausgestaltungen der Buchpreisbindung in anderen Ländern Optionen, die hierzulande in die Branchenüberlegungen einzubeziehen sein können. Dabei muss jedoch klar sein, dass alle Gestaltungsoptionen einen gewissen Preiswettbewerb eröffnen, von dem bisher unbekannt ist, wie er sich auswirkt. Mit Hilfe einer Rabattschranke wie in Norwegen und Frankreich wäre für die Bucheinzelhändler, die ihre höheren Kosten an die Verbraucher weitergeben wollen, nichts gewonnen. Für sie ist § 6 BuchPrG – das Sorgen- und Problemkind im Buchpreisbindungsgesetz – die zentrale Norm, mit der sie schon jetzt die Verlage daran erinnern dürfen, bei der Festsetzung der Verkaufspreise ihren Beitrag zur flächendeckenden Versorgung mit Büchern angemessen zu berücksichtigen. Eine gesetzliche Mindestpreisregelung hätte zwar den Vorteil, dass Bucheinzelhändler Spielräume erhalten, ein Stück weit selbst über Preise zu entscheiden, ohne dass auf den in der Praxis schwierigen § 6 BuchPrG zurückgegriffen werden braucht. Allerdings beinhaltet eine solche Mindestpreisregel die latente Gefahr, dass gerade die kleinen Bucheinzelhändler Aufschläge auf ihre Preise aufgrund gestiegener Kosten vornehmen, große Buchhandelsketten und Onlinehändler hingegen anders kalkulieren können und daher auf Aufschläge verzichten. Damit wäre dem kleinen mittelständischen Buchhandel und dem Ziel des § 1 BuchPrG im Ergebnis nicht weitergeholfen.
Diskutiert die Buchbranche also über Gestaltungsoptionen für die Buchpreisbindung, um stark steigende Kosten an Verbraucher weitergeben zu können, sollte sie sich zuallererst mit § 6 BuchPrG beschäftigen und die unter Umständen notwendige Reform dieser Vorschrift wieder auf ihre Agenda setzen.
Christian Peter ist Jurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich „Recht und Literatur“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Promoviert hat er dort zum Thema „Kulturgut Buch. Die Legitimation des kartellrechtlichen Preisbindungsprivilegs von Büchern – Schutzzweck, Schutzgegenstand und Wirkungen des Buchpreisbindungsgesetzes“.
Der Sonderforschungsbereich „Recht und Literatur“ ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der WWU Münster eingerichteter Forschungsverbund. Er untersucht fundamentale Fragen zu Recht und Literatur, zu den mit ihnen befassten Disziplinen, ihren Grundbegriffen und Methoden, aber auch zu ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung. Das Teilprojekt „Literatur und Markt“, in dem dieser Beitrag entstanden ist, befasst sich aus interdisziplinärer Perspektive mit Fragen des Buch- und Pressemarktes.
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