Ein Kunde, der sich bei mymuesli.de sein Wunschmüsli mit allen Zutaten, die sein Herz begehrt, mischen kann, möchte diese Möglichkeit vielleicht auch bei Büchern nutzen. Für die Belletristik macht das Ganze natürlich herzlich wenig Sinn.
Man will schließlich nicht nur das 5. Kapitel des neuen Wallander-Krimis lesen, sondern das komplette Buch von der ersten bis zur letzten Seite. Aber für Sachbuch- und Ratgeberverlage wäre ein Online-Angebot zum Download einzelner Kapitel sicher eine interessante neue Vertriebsvariante, insbesondere wegen der stagnierenden oder teilweise rückläufigen Umsätze. In Zeiten, in denen die Konsumenten sich die benötigten Informationen lieber kostenlos im Internet besorgen, kann man so vielleicht doch noch den ein oder anderen Kunden gewinnen. Er wird für ein Kapitel, das ihn brennend interessiert und nur wenige Euro kostet, eher zu zahlen bereit sein als für ein komplettes Buch, das als Hardcover ab zwanzig Euro aufwärts zu haben ist und wovon er einen Großteil gar nicht lesen möchte.
Ein schönes Beispiel ist der Reiseführerverlag Lonely Planet, der auf seiner englischen Seite einen Online-Shop bietet, in dem der Kunde das ganze Buch oder doch nur einzelne Kapitel herunterladen kann. Je mehr Kapitel man kauft, desto höher ist der Rabatt auf den Einkauf. Die Kapitel werden als PDF-Dateien ohne DRM geliefert, über den Downloadlink kann der Kunde die Datei bis zu fünf Mal herunterladen und wird höflich gebeten diese nur zum persönlichen Gebrauch zu nutzen. Bezahlt wird wie im angelsächsischen Raum üblich per Kreditkarte. Zusätzlich zum kostenpflichtigen Download kann man sich das Inhaltsverzeichnis und auch eine kleine Leseprobe der einzelnen Kapitel kostenlos ansehen und so schnell entscheiden, ob das Buch zu den eigenen Interessen passt oder nicht.
Ideal geeignet ist diese Art des individuellen Online-Shoppings nicht nur für Reiseführer. Auch Kochbücher bieten sich an, da jemand vielleicht nur die Nudel- nicht aber die Fischrezepte kaufen möchte. Bei diesen Büchern tritt der Verlagsname oft als starke Marke in den Vordergrund. Viele Leute kaufen Reiseführer oder Kochbücher einer bestimmten Reihe, da sie damit bereits positive Erfahrungen gesammelt haben und an den inhaltlichen Aufbau und das Layout gewöhnt sind.
Für den Verlag gibt es einige Gründe, den neuen Vertriebsweg zu testen. Zum einen bedeutet es keinen sehr hohen Aufwand die PDFs, die man für den Druck des Buches verwendet hat, in geringerer Auflösung nochmal online zu verwenden. Solange man keine Restriktionen wie beispielsweise DRM einbauen möchte, halten sich die Kosten für diese Zweitverwertung in Grenzen. Natürlich muss man die Infrastruktur für einen Online-Shop aufbauen, falls diese noch nicht vorhanden ist, aber ein modernes Verlagshaus sollte die Investitionen in den Online-Markt nicht scheuen.
Zum anderen bietet der Verkauf einzelner Kapitel interessante Möglichkeiten der Preisgestaltung, die für Bücher als Ganzes wegen der Preisbindung nicht möglich sind. So kann man Mengenrabatte, Aktionswochen oder Gutscheine zur Werbung für den Online-Shop nutzen, um neue Kunden zu gewinnen und an sich zu binden. Zusätzlich erhält der Verlag wertvolle Nutzerinformationen, die er für Marketing und Marktforschung nutzen kann.
Damit das Projekt ein Erfolg wird, muss dafür aber tüchtig die Werbetrommel gerührt werden, denn die wenigsten Buchkäufer surfen bei der Suche nach einem geeigneten Buch auf die Internetseite des jeweiligen Verlags, sondern direkt zur Internetbuchhandlung des Vertrauens. Möglich wären Anzeigen in den gedruckten Büchern oder in entsprechenden Zeitschriften, um auf den individuellen Online-Download aufmerksam zu machen oder Bannerwerbung auf passenden Internetseiten, aber auch Kooperationen mit Handelspartnern wie dem lokalen Buchhandel oder Online-Shops wären denkbar.
Wie so oft sind die Fach- und wissenschaftlichen Verlage schon ein Stück weiter in der digitalen Aufbereitung ihrer Produkte und der individuelle Kauf einzelner Kapitel oder Artikel ist bereits Gang und Gäbe, beispielsweise auf der Plattform SpringerLink. Auch Angebote wie PaperC zeigen, dass der Kunde durchaus bereit ist für Inhalte im Netz zu bezahlen. Er möchter allerdings nur das kaufen, was er auch wirklich braucht. Die genannten Beispiele beweisen, dass Verlage sich sehr wohl auf die neuen Entwicklungen in der Medienbranche und im Nutzerverhalten einstellen können. Wenn noch mehr Unternehmen Mut zeigen und neue Ideen für ihre Online-Vermarktung ausprobieren, ist die Branche auf dem richtigen Weg.
Cigdem Aker ist Studentin im Bereich Buchhandel/Verlagswirtschaft, Fakultät Medien, an der HTWK Leipzig
An sich n cooler post, aber kannst beim nächsten mal n bisschen detailierter sein?