buchreport.de präsentiert in einer Serie die wichtigsten Web 2.0-Seiten und Experten der Branche. Teil 14: Steve Jones (Foto) über comicstars.de, einen Internetmarktplatz für digitale Comics. Das Portal verbindet außerdem klassische Web 2.0-Elemente (bloggen, bewerten) mit einem Online-Vertrieb. Anders als Myspace und Youtube kann der Nutzer seine Inhalte nach dem kostenlosen Hochladen über die Marktplatzfunktion via iPhone, iPod und als E-Book kostenpflichtig vertreiben.
In Deutschland sind die Verlage noch zögerlich beim digitalen Comic- Vetrieb. Warum sind Japan und die USA voraus?
Ich denke, es gibt für beide Länder verschiedene Kriterien. Zum einen ist der Markt in Japan, wo weit über eine Milliarde Comics pro Jahr verkauft werden, natürlich viel größer. Dort sind die Verlage schon alleine aufgrund des Verdrängungswettbewerbes dazu gezwungen, ständig neue Vertriebswege zu finden. Der damit verbundene Preisdruck zwingt Verlage, Produktionskosten zu senken, und ein Großteil dessen ist nun einmal der Druck. Eine signifikante Zahl von Comics wird mittlerweile ausschließlich für kleine Handydisplays produziert.
Was den Verlagen in den USA sowie Japan zugute kommt, ist die Technikaffinität der Käufer sowie deren Wunsch, Medien zu konsumieren, wie und wo sie wollen. Sie sind nicht so sehr darauf fixiert, diese Medien in einem bestimmten Format zu bekommen.
Diese Entwicklung sehen wir auch hierzulande besonders bei jüngeren Konsumenten, allerdings ist die Generationshürde höher: Ältere Jahrgänge bleiben bei dem, was sie kennen, und verspüren nicht den Drang, diese Gewohnheiten zu ändern.
Bisher ist es noch nicht gelungen, das Modell Myspace erfolgreich in die Bücherbranche zu transferieren. Wie gelingt Ihnen dies im Comicbereich?
Wir haben vor allem eine junge Zielgruppe, die mit Web 2.0-Elementen vertraut ist. Wir müssen ihnen nicht erst erklären, wie dies und das funktioniert, sondern sie kommen aktiv auf uns zu und fordern Mitgestaltungsmöglichkeiten ein. Wir haben uns lange auf den Schritt vorbereitet, indem wir mit mangaka.de schon vor drei Jahren eines der größten deutschsprachigen Portale für Mangazeichner und Fans erstellt haben und seitdem erfolgreich betreiben. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass es niemals einfach nur „reicht“, woanders funktionierende Modelle auf andere Zielgruppen zu übertragen. Es ist wichtig, dem Kunden etwas zu bieten, das er woanders nicht in der Form findet – und sei es eine Community, mit der er sich verbunden fühlt.
Communitybuilding an sich ist allerdings genauso komplex wie die Software, auf der sie stattfinden soll. Durch ein verzweigtes Netzwerk, direkten Kontakt mit den Benutzern und Aktionen, über die sich die Benutzer austauschen und ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln können, unterstützen wir diese Vorgänge gezielt.
Wie wird sich das Comic-Geschäft durch das Web 2.0 verändern?
Die Frage lässt sich eigentlich nach Web 2.0 Manier nur so beantworten: So wie der Kunde es sich wünscht. Erst einmal sind Comics und Mangas für unsere Kunden Populärkultur: Wenn ihnen die Art und die Story gefällt, dann lesen sie den Comic. Sie müssen nicht erst Comic- oder Mangafan sein, sondern empfinden das Medium viel natürlicher und unbelasteter, als es noch frühere Generationen taten. Über Seiten wie comicstars.de treten sie zudem verstärkt in direkten Kontakt mit den Autoren und drücken ihre Meinungen und Gefühle zu dem Produkt auch ohne Vorbehalte aus. Wir haben gerade unser Programm mit der Veröffentlichung des ersten Kapitels von „Grablicht“ von Daniela Winkler aufgenommen, welches als Serie produziert wird und als einzige Begrenzung eine vorher definierte Seitenzahl hat, in der die laufende Geschichte in sich zwar abgeschlossen sein soll, aber immer Raum für weitere Episoden bleibt. Das bedeutet, dass die Wünsche und Meinungen der Leser natürlich unmittelbar in die Produktion der nächsten Kapitel einfließen können und sollen. Wir können über comicstars.de auch die Verkaufs- und Umsatzzahlen live verfolgen und jegliches Feedback mit weiteren Daten, z.B. wie oft nach dem Comic im Netz gesucht wurde, verknüpfen.
Dies hilft uns, den Erfolg frühzeitig zu messen und den Comic noch während der Produktion zu verbessern. Und genau in diesem Maße sehen wir die Veränderung, die das Web 2.0 auf das gesamte Geschäft haben kann: durchgängig vom Autor über alle Produktions- und Vertriebsstufen bis hin zum Leser und wieder zurück.
Was wird das beste Medium zur Lektüre digitaler Comics sein?
Das Gerät, welches der Leser am liebsten zum Lesen seiner Comics benutzen möchte. Daher ist es auch unser Ziel, alle Produkte für alle Endgeräte anzubieten. Comics können auch gut auf Displays mit Hintergrundbeleuchtung gelesen werden, wo – anders als in Textpublikationen – die Augen nicht so schnell ermüden. Da Jugendliche eigentlich immer Handys und verstärkt Handhelds (iPhone etc.) dabei haben, sollte es auch dort möglich sein, Comics angenehm zu lesen. Darüberhinaus setzen wir auf e-Ink Displays, wie sie in heutigen E-Book-Readern zu finden sind. Diese bieten eine gute Laufzeit, ein gestochen scharfes Bild, und der Endpreis wird sich sicherlich über die nächsten beiden Jahre auch auf ein kundenfreundliches Niveau einstellen.
Die bisherigen Teile der Web 2.0-Serie auf buchreport.de
1. blog.lob.de
2. Kommentar von Ehrhardt F. Heinold
5. beck-blog.de
6. now-in.org
8. BookRix
10. Lovelybooks.de
11. XinXii
12. Molly Chills
13. bilandia.de
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