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Daniel Lenz: Adieu Branchenlösung

Daniel Lenz: Adieu Branchenlösung

So richtig überraschend kam die Nachricht vom Abbruch der Gespräche von MVB und Tolino-Partnern über eine Zusammenarbeit nicht – zu unterschiedlich erscheinen die Interessen von klein- und großformatigem Buchhandel. Vor diesem Hintergrund überrascht der Vorstoß der AG E-Commerce im Sortimenter-Ausschuss, das Scheitern der Gespräche als Chance auf eine richtig attraktive Branchenlösung zu sehen (hier mehr). Das ist keine gute Idee.

Was die Tolino-Gespräche hat platzen lassen, zeichnet sich auch unter dem Verbandsdach ab: Die kleineren Indies und größere Buchhandlungen bzw. Filialisten ziehen beim E-Book nicht an einem Strang – des einen Service-Abrundung ist des anderen Umsatzsäule. Der strategische Dissens würde eine Branchenlösung vor eine Zerreißprobe stellen. Schon die Irrungen und Wirrungen von VTO/Libreka haben gezeigt, wie schwierig es ist, solche Großprojekte verbandsseitig zu steuern, mit allen branchenpolitischen Konsens-Implikationen. Hinzu kommt, dass die Ziele einer Branchenlösung (z.B. eine Cloud-Lösung) den Verband und seine Mitglieder finanziell schnell überfordern dürften.

Statt (wieder) innerhalb des Verbands nach den Sternen zu greifen, sind jetzt realistische Optionen gefragt. Die Buchhändler sollten alles daransetzen, auf eine Verbesserung der vorhandenen Angebote zu drängen, sei es bei den Barsortimenten, den Hardware-Herstellern direkt oder aber bei Zukunftsprojekten wie dem von Textunes-Gründer Volker Oppmann angeschobenen LOG.OS. Der Verband wäre gut beraten, sich aus dem freien Spiel der Kräfte im Wettbewerb herauszuhalten. Sich für günstigere Rahmenbedingungen auf dem E-Spielfeld einzusetzen, ist Herausforderung genug.

Kommentare

5 Kommentare zu "Daniel Lenz: Adieu Branchenlösung"

  1. Ich kann keinen großen WIderspruch zwischen dem „Drängen auf eine Verbesserung der vorhandenen Angebote“ und einer „Branchenlösung“ erkennen.

    Was ich an der von Daniel Lenz vorgebrachten Kritik richtig finde, wenn ich sie richtig verstehe, ist aber vielleicht folgender Punkt: Die Diskussion um „die Branchenlösung“ wie auch „die Metadatenbank“ setzt erst einmal (je nach Vorstellungsvermögen und Kenntnisstand mehr oder weniger ) nebulöse Ziele, deren Erreichen, das sehe ich mittlerweile ein, offenbar gleich von zwei Seiten beschwert oder verhindert werden kann:

    Die einen (die Bremser) halten eine eingehender Befassung mit den angedeuteten Konzepten aus Phantasielosigkeit für Traumtänzerei, und befinden darin sich in einer praktischen Allianz mit Besitzstandwahrern und Kleinstvorteilnutzern.

    Die Anderen (die Überperformer) sind schon so mit ihren Zukünften beschäftigt, daß sie längst die Anbindung an die Gegenwart aus den Augen verloren haben.

    Und so werden die „Diskussionen“ um die Buchhandelszukunft weiterhin mit einem Abstand zum Alltag geführt, den mittlerweile wohl jeder eher störend und lähmend empfindet. Es geht dabei viel Zeit und Energie verloren.

    Gewinner ist, das wissen wir alle, Amazon: Die bauen jeden Tag ein neues schönes Modul in ihr Setting, gehen einen Schritt nach dem anderen auf einer klaren und weitsichtigen Roadmap.

    Ich fand den Versuch einer Kooperation des Buchhandels mit den Filialisten bezüglich der Tolino-Allianz sinnvoll, gerade weil die Befassung damit konkrete buchhändlerische, kaufmännische und strategische Fragen betraf und Probleme aufwarf.

    Daß die Gespräche scheitern mußten, mag man schon vorher gewußt haben, ich wußte es nicht. Aus meiner Sicht scheiterten sie aus zwei Gründen:

    Zum einen ist das Tolino-Konzept aus Sicht des Buchhandels ein sehr teures, dabei starres und nicht wirklich flexibles und nach meinem Verständnis kein offenes Format – sicherlich gut geeignet, um in zwei bis vier große Filialsysteme integriert zu werden, aber der Vielfalt des Buchhandels nicht entsprechend.

    Zum anderen verfügte „der Buchhandel“ im Moment des Angebotes der Tolino-Allianz über keinerlei Instrumente, Selbstverständnis, Strategie, um mit diesem Angebot umzugehen.

    Die Buchhändler könnten jetzt eine Erkenntnis mehr gewonnen haben: So wie Amazon zu werden, ist ihnen aus Tausenden von Gründen unmöglich.

    Aber auch ein Tolino-Format ist vielleicht nicht das, was der (restliche) Handel braucht.

    Was der Buchhandel aber konkret will und ob es so etwas wie eine gemeinsame Strategie auch nur geben könnte, ist weiterhin nicht formuliert und ergründet.

    Ob dieses Fehlen einer Strategie letztlich der unausgesprochene kollektive Wille einer stolzen, aber eigenbrötlerischen Branche ist, die ihr Heil in der Individualität (und sei es im individuellen Scheitern) sucht, oder ob es die Folgen einer Aufgabenteilung der Buchbranche sind, in der das Nachdenken über logistische und strukturelle Elemente seit -zig Jahren vom Buchhandel an die Logistikpartner und den Verband delegiert wurde, ist mir bis heute nicht klar.

    Ich vermisse auf jeden Fall weiterhin einen zielorientierten, konkreten, buchhandelsnahen Diskurs darüber, was zu tun ist. Auf den vielen zukunftsgerichteten Konferenzen der letzten Jahre, auf denen ich Teilnehmer oder Gast sein durfte, fand der Buchhandel jedenfalls regelmäßig nicht statt.

    • Zwischen Bremsern und Überperformern müsste doch eigentlich noch Platz für Pragmatiker sein. So wie es ist, ist es nicht mehr gut, Idealvorstellungen brauchen etwas länger.

      Das mit der Tolino-Allianz war ein Schuss in den Ofen – jedenfalls aus Sicht unabhängiger Buchhandlungen. Das ist eben doch nichts weiter als ein halber Zusammenschluss der großen deutschen Konkurrenten, der es Amazon nachzutun versucht.

      Libreka kann man vergessen.

      Ob Sachen wie Log.os sich gegenüber bestehenden Strukturen behaupten können? Schnell wird das jedenfalls nicht gehen.

      Was Buchhandlungen brauchen, ist fürs erste doch gar nicht so kompliziert und ziemlich konkret. Wenn es mit einer unabhängigen Branchenlösung nicht klappt, scheinen mir die Grossisten die nächsten Kandidaten zu sein. Sie müssten nicht bei Null anfangen und haben ein Interesse am Überleben ihrer Kunden. Es sollte einen Versuch wert sein, mit ihnen über ein »Aufbohren« des Angebots zu verhandeln. Da gibts natürlich ein Problem: Wer wäre ihr Verhandlungspartner?

      Vielleicht müsste erst mal ein Verein der unabhängigen Buchhändler gegründet werden … Eieiei!

  2. So richtig die Diagnose ist, so anders würde ich die Therapie ansetzen. Gerade weil die Interessenlagen sehr unterschiedlich sind, muss der Verband – entweder bei der MVB oder an anderer Stelle – tätig werden und auf der Ebene der Schnittstellen Dienstleistungen anbieten.

    Sicherlich hat es keinen Sinn, dem Buchhandel den allseits seligmachenden Reader, E-Book-Shop oder sonstwas verschreiben zu wollen. Aber eine Infrastruktur, mit der jeder mit den jeweils präferierten Shops und Geräten einen Zusatznutzen im Sinne seiner Kunden anbieten kann, die tut dringend not.

    Attraktiv an Tolino sind weder die Hardware, noch die Shops. Das ist Durchschnittsware. Spannend ist das Konzept, bloss dass das eben nicht so aufgesetzt ist, dass ein Buchhändler, der sein E-Book-Geschäft selbst gestalten will, damit arbeiten kann. Ich bin der Auffassung, dass Unternehmen immer wieder versuchen müssen, besser zu werden. Große Unternehmen leisten das aus eigener Kraft mit den am Markt existierenden Angeboten. Aber wenn der Verband einen Teil der Infrastrukturaufgaben übernimmt, können vielleicht auch die Branchenteilnehmer profitieren, die über weniger Ressourcen verfügen. Und in diesem Sinne ist es Verbandsaufgabe, sich Gedanken über eine Branchenlösung zu machen.

  3. Vermutlich wäre es klug, auf solche »kleinen« Lösungen zu setzen. Allzu viel fehlt eigentlich nicht, um ein konkurrenzfähiges Paket zu schnüren.

    Ein Online-Shop wie z. B. der von Libri ließe sich wohl mit überschaubarem Aufwand ergänzen und optimieren. Partnerbuchhandlungen müssten ihn stärker (und möglichst einfach) individualisieren können, vom Layout über die Startseite bis zu Empfehlungen – damit die Buchhandlung auch im Netz individuell und wiedererkennbar bleibt. Wichtig wäre ein Modul für eine Art integriertes Blog bzw. Forum, damit Buchhändler und Leser eine Diskussionsmöglichkeit haben. Das fehlt bisher völlig.

    Wenn schon DRM, sollten möglichst viele Reader auch direkt damit umgehen können. Bei Adobe-DRM können das bisher meines Wissens nur Sony und Pocketbook. Und eben Tolino. Dazu möglichst noch eine offene Shop-Software auf dem Lesegerät, in der man seinen bevorzugten Händler als Favoriten einrichten kann.

    Das wäre eigentlich schon das wichtigste. Eine Kleinigkeit wäre das zwar nicht, aber auch kein Hexenwerk. Vielleicht erkennen die Grossisten, oder einer von ihnen, ja die Chance, die im Scheitern der Tolino-Verhandlungen und dem Libreka-Trauerspiel liegt. Eine gute Zusammenarbeit mit den Buchhandlungen sollte ihnen ja am Herzen liegen.

    Weiter spannend bleibt natürlich das Log.os-Projekt. Mal schauen, wie das aussieht, wenn es konkretere Züge angenommen hat.

    • Da lässt sich doch an fast alle der Wünsche schon jetzt ein Haken machen (müsste mir Details noch einmal ansehen). Einsetzbare Lösungen gibt es derer schon einige – es gilt sie zu nutzen.

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