Die aktuellen Zahlen von Amazon sind nicht nur erstaunlich, weil es dem Onliner einmal mehr gelungen ist, sich vom Trend im stationären Einzelhandel abzukoppeln. Mit Blick auf den deutschen Markt ergibt sich ein noch weiter reichender Befund: amazon.de spielt vom Bücher-Umsatz her inzwischen mit dem stationären Buchhandelsprimus Thalia in derselben Liga, ist vermutlich aber schon vorbeigezogen.
Amazons Warengruppenverschleierung lässt zwar keine exakten Schlüsse zu, ob sie Thalia nur im Nacken sitzen oder bereits vorbeigezogen sind. Die Dynamik, das bestätigen auch Verlage, ist eindeutig auf der Seite von Amazon. Der Händler übernimmt die Spitze, heute oder morgen. Die Daumenpeilung auf der Basis der veröffentlichten Zahlen sieht so aus: Amazon-Dependance spielt mindestens 10% der Gesamterlöse ein, was umgerechnet eine Summe von 2,5 Mrd Euro ergibt. Dabei macht der Medienumsatz zwischen 50 und 55% aus, also rund 1,4 Mrd Euro. Vor dem Hintergrund, dass Bücher verglichen mit DVDs und CDs – gerade in der Preisbindungszone Deutschland – den Großteil der Medien-Umsatzes beisteuern, ergibt sich ein Bücher-Umsatz von über 1 Mrd Euro für 2010.
Zum Vergleich: In dem Mitte Januar bilanzierten Geschäftsjahr (bis 30. September 2009) erzielte die Thalia-Gruppe einen Nettoumsatz von 905,8 Mio Euro, wobei auch bei den Thalia-Umsätzen (besonders über die Onlinekanäle von buch.de und thalia.de) inzwischen ein stattlicher Teil auf Zusatzsortimente wie DVDs und Non-Book-Artikel entfällt.
Was bedeutet der Wechsel an der Spitze? Für Thalia und Amazon vermutlich zunächst einmal wenig. Dass Verlage heutzutage im Internet weder um den stationären noch den Online-König einen Bogen schlagen können, war vor ein oder zwei Jahren ebenso der Fall. Dass Amazon mit diesem Titel jetzt noch fester an der Konditionenschraube dreht, ist auch kaum zu erwarten, weil die Rabatte schon am obersten Ende des aus Verlagssicht Erträglichen liegen.
Interessanter ist die Zäsur mit Blick in die Zukunft. Man muss kein Prophet sein, um die These aufzustellen, dass die Online-offline-Schere immer weiter aufklappen wird. Thalia hat, wie zuletzt von Douglas-Chef Henning Kreke gegenüber buchreport.de ausgeführt, Probleme, die großen Flächen profitabel zu bewirtschaften: „Die Sortimente sind durchaus attraktiv – da könnte man noch viel größere Flächen mit füllen. Was aber nicht mehr stimmt, ist die Flächenproduktivität.“ Auch den anderen Filialisten dürfte es ähnlich ergehen.
Vor diesem Hintergrund ist nicht damit zu rechnen, dass die Ketten-Buchhandlungen in den kommenden Jahren wieder an die goldenen Jahre mit (flächenbereinigt) zweistelligen Umsatzzuwächsen anknüpfen können.
Im E-Commerce zeichnet sich dagegen immer noch keine Sättigungsgrenze ab. Die Internetstrategen von weltbild.de, buch.de bis buecher.de gehen uni sono davon aus, dass sie ihre Käuferschaft weiter ausbauen können (mehr dazu in einer Analyse zum Onlinebuchhandel im neuen buchreport.magazin 2/2011).
Im Wettbewerb mit Amazon werden die Filialisten also in erster Linie darauf setzen, ihre Onlinevertriebsschienen auszubauen – Thalias Hoffnungsträger ist dabei buch.de; bei Weltbild profitiert neben dem E-Commerce zusätzlich vom Katalog-Geschäft. Ob dadurch der Abstand von Amazon wieder reduziert werden kann, ist jedoch zweifelhaft, weil der Amazon-Shop hinsichtlich Produktangebot,Technologie und Service unangefochten ist und vermutlich mittelfristig auch bleibt.
Und doch bleiben ein paar Unsicherheitsfaktoren bei der Prognose, wer langfristig das Rennen macht: Sollte die Preisbindung hierzulande doch einmal fallen, werden die Karten unter den großen Buchändlern neu gemischt. In der Schweiz hat Orell Füssli gezeigt, dass auch stationäre Buchhändler den Preiswettbewerb mit den Onliner nicht fürchten müssen.
Ein weiterer Einflussfaktor ist das E-Book-Geschäft. In den USA gehen Verleger davon aus, dass der digitale Absatz schon in wenigen Jahren mit dem Print-Absatz gleichziehen wird. Gerade in Deutschland könnte dies Thalia, Weltbild & Co. in die Hand spielen, die 2010 mit digitalen Büchern schon Erfolge erzielten, während Amazon hierzulande mit dem Kindle-Programm immer noch nicht gestartet ist.
Über ein generelles Scheitern der Hardware-Anbieter im Inhalte-Geschäft kann man doch nicht sprechen. Das Paradebeispiel sind doch Apple. Im konkreten Falle Samsung bin ich gut informiert und kann sagen, dass es sowohl ein Konzept als auch einen deutlichen Willen gab, im eBook Markt mitzuspielen. Der Strategiewechsel hat andere Ursachen.
Dieser Rückzug war nicht ganz freiwillig. Samsung ist von Google dazu aufgefordert worden alle Aktivitäten gegen Google einzustellen. Ansonsten bekämen sie kein Android mehr. Dazu gehören auch andere Dienste wie Musik und Games…..
Da Samsung keine Rolle spielte und nicht wirklich etwas dazu getan hat, außer auf einen fahrenden Zug aufspringen zu wollen, ist die Entwicklung exemplarisch …
Exemplarisch für das Scheitern der Hardware-Anbieter im Inhalte-Geschäft. Wir haben es jetzt deutlicher formuliert.
Das wäre nicht mal nötig gewesen. 😀
Samsungs konzeptloses Vorgehen in der Goldgräberstimmung ist das, was exemplarisch ist. Amazon ist tatsächlich (mit Bezos) der einzige Anbieter, der ein Konzept verfolgt.
Alle anderen – auch die Tolino-Shops – versuchen nur, am eBook-Kuchen mitzuverdienen.
Es würde mich auch aus eigener Erfahrung bei amazon.de nicht wundern, wenn die Umsatzschätzung von Herrn Lenz für den Buchbereich von amazon.de durchaus nahe an der Realität liegt!
Ich glaube allerdings absolut nicht an die These von Herrn Lenz, dass steigende E-Bbook-Umsätze Thalia und Co in die Hände spielen. Gerade in dem Bereich bin ich mir ziemlich sicher, das Amazon den Markteintritt mit dem Kindle nicht verschlafen wird und ab dem Zeitpunkt des Markteintritts sehr dominant wird.
Amazon vorn:
Wen wunderts wenn Amazon vorne liegt. Ich habe eine Bestellung bei Thalia abgeschickt (CD 17.99, Buch 9,95, Karte 7,99). Nur weil ich noch einen 5 Gutschein habe.
Bei Amazon die gleiche Ware: CD 15.99, Buch 9,95, Karte 6,99, also 3 billiger. Nur wenn die Preisbindung gilt, kann Thalia mithalten.
Das ganze sowieso nur, weil die CD bei Ebay gar nicht zu haben ist. Buchhändler/Medienhändler, die diese Mechanismen des Netzes nicht ernst nehmen, können ihren Shop dicht machen.
LB