Ein vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebenes Gutachten spricht sich dafür aus, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auch bei Büchern zu kippen. Für den Börsenverein ist dies so unerwünscht wie erwartbar gewesen. Ob eine kulturpolitische Mobilmachung am Ende erfolgreich sein wird, ist aus heutiger Sicht zweifelhaft.Am Hirschgraben dürfte die Nachricht aus Berlin als Worst-Case-Szenario angekommen sein: Ein vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegebenes Gutachten spricht sich dafür aus, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz ausschließlich bei Lebensmitteln anzuwenden – alle anderen Ausnahmen, darunter Bücher, sollen demnach unter den Regelsteuersatz fallen (hier die Kurzfassung des Gutachtens).
Im Gutachten heißt es wörtlich:
„Im Ergebnis erscheinen die umsatzsteuerlichen Ermäßigungstatbestände trotz der hohen Bedeutung der kulturellen Leistungen nicht als angemessenes Förderinstrument. Dies gilt umso mehr, als durch die Umsatzsteuerermäßigungen für kulturelle Leistungen derzeit ohnehin keine umfassende Kulturförderung angestrebt, sondern nur eine punktuelle Förderung vorgenommen wird.“
Im Anschluss an das Gutachten soll sich eine Kommission mit dem System und dem Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze beschäftigten und eine Empfehlung aussprechen.
Aus Sicht des Börsenvereins ist somit genau das eingetreten, was die Verbandsfunktionäre stets befürchtet hatten: Spricht man sich dafür aus, morsche Stellen an einem ohnehin wackeligen Fass auszubessern, wird das ganze Fass noch einmal aufgemacht und inspiziert. Im Falle der Buchpreisbindung scheut sich der Verband mit guten Gründen, inkonsistente Regelungen in Berlin und Brüssel auf die Tagesordnung zu bringen – aus Furcht, das Gesetz könne grundsätzlich hinterfragt werden.
In der Steuerfrage hatte sich der Verband erst im Juni, ein halbes Jahr nach einer EU-weiten Petition für verminderte MwSt-Sätze auf E-Books, ebenfalls in Berlin dafür ausgesprochen, „den reduzierten Mehrwertsteuersatz zum erleichterten Erwerb von Bildung und Wissen nicht – wie bislang – auf das traditionelle Medium des Buches zu beschränken, sondern auf seine digitalen Träger auszuweiten“.
Das Echo schien zunächst positiv: Vergangene Woche erklärte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis auf Anfrage von buchreport.de, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kulturstaatsminister Bernd Neumann prüften derzeit die Fragen rund um die Mehrwertsteuer, darunter solche Wertungswidersprüche wie den unterschiedlichen Mehrwertsteuersatz für gedruckte und digitale Bücher. Dass in Berlin jedoch der ermäßigte Steuersatz grundsätzlich hinterfragt werden könnte, war so unerwünscht wie erwartbar.
In der Frage, ob das Gutachten schließlich mit dem Rückenwind von Schäubles Ministerium Gesetz wird, sind dem Verband weitestgehend die Hände gebunden. Die Frankfurter werden vermutlich versuchen, im Schulterschluss mit anderen betroffenen Verbänden wie der der Zeitungsverlage ihre Lobbyarbeit in Berlin zu verstärken. Argumente gibt es genug gegen den Wegfall der reduzierten Steuersätze, wie zuletzt der IPA-Generalsekretär Jens Bammel gegenüber buchreport erklärt hat.
Ob eine kulturpolitische Mobilmachung am Ende erfolgreich sein wird, ist aus heutiger Sicht aber zweifelhaft. Sparminister Schäuble dürfte sich mit allen Mitteln dafür einsetzen, den durch die Finanzkrise rasant gewachsenen Schuldenberg abzubauen und dabei jede mögliche Einnahmequelle zu erschließen – den Staat kostet das System ermäßigter Steuersätze jährlich mehr als 20 Milliarden Euro. Bislang hat sich Schäuble im Clinch mit anderen Ministern, die der Finanzminister zu Konzessionen zum Wohle des Bundeshaushalts animieren wollte, wiederholt durchgesetzt. Dass der in der Regierung nicht gerade als Alphatier bekannte Kulturstaatsminister Bernd Neumann diesmal Schäuble Widerstand leisten könnte, ist unwahrscheinlich.
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