Aus Angst, im Post-Gutenberg-Zeitalter das Nachsehen zu haben, werden die Claims von Verlagen, Autoren und Onlinern aktuell notfalls mit der Keule abgesteckt. Der Verlierer ist dabei der Leser von E-Books.
Verkehrte Welt auf dem US-E-Book-Markt: Zwar liegt der Umsatzanteil der digitalen Schiene am gesamten Markt weiterhin im unteren einstelligen Prozentbereich. Und doch kämpfen die Akteure auf dem gerade erst angelegten Beet der Buchbranche, als ob es schon heute Obstbäume statt Orchideen zu verteidigen gelte – mit dem Risiko, die noch jungen Pflanzen zu zertrampeln.
Jahrelang haben fast alle Beteiligten den Markt für elektronische Bücher nicht ernst genommen und sich mit Investitionen zurückgehalten. Nachdem Amazon die Verlage und die Händler-Wettbewerber mit dem Kindle-Programm zum Handeln gezwungen hat, keilt inzwischen jeder gegen jeden: Amazons Einheitspreis für Bestseller-Titel (9,99 Dollar), von Apple erfolgreich in der Musikbranche etabliert, kontern verärgerte Verlage mit verzögerten E-Auslieferungen ihrer Toptitel – worauf Amazon und Barnes & Noble wiederum engstirnig mit forciertem Dumpingkurs reagieren. Im Kampf um die E-Book-Rechte an lukrativen Backlist-Titeln sind Agenten, Autoren und Verlage auf Kollisionskurs – aus Angst, im Post-Gutenberg-Zeitalter das Nachsehen zu haben, werden die Claims notfalls mit der Keule abgesteckt.
Unabhängig davon, wer am Ende gewinnt, der Verlierer steht schon heute fest: Der Kunde. Selbstverständlich erwartet der Early Adopter auf dem jungen E-Book-Markt, bei Erscheinen eines Titels die Wahl zu haben, in welchem Format er es liest oder hört – und stößt auf die Blockadehaltung der Verlage, die ihre Energie ins Missionieren (Print first) und Bestrafen (Onliner), statt in ihre Dienstleistungen investieren. Auch auf der Suche nach den Büchern von gestern wird der Leser von den sich abzeichnenden juristischen Intermezzi ausgebremst. Ein gefährlicher Kurs – einen dritten Anlauf fürs E-Book wird es nicht geben.
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