Von wem der Impuls zur wieder aufgeflammten Weltbild-Zukunfts-Debatte ausging, von unzufriedenen Banken oder meuternden Diözesen, ist zwar interessant, aber unerheblich – sie kommt für den Medienkonzern zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt, mitten im wohl größten Umbau der Firmengeschichte, in dem die Konzernstrategen mit der Neuausrichtung der Prozesse ohnehin genug zu tun haben. Dessen Perspektiven, und das ist entscheidend, sind aus heutiger Sicht äußert zweifelhaft.
Ein Verkauf von Weltbild, wie von einigen Gesellschaftern weiterhin erwünscht, ist unwahrscheinlich:
- weil es einerseits außerhalb des – unerwünschten – Lagers der Finanzinvestoren keinen Käufer geben dürfte und
- dieser außerdem mit einem Ansehensverlust der eine Rolle rückwärts purzelnden Diözesen einher gehen würde.
Dennoch haben die Mitarbeiter allen Grund, sich aktuell zu sorgen: die einen, weil ihr Arbeitsplatz bedroht ist, die anderen (die ihren Job behalten), weil die Perspektiven des umgebauten Medienkonzerns Weltbild zweifelhaft erscheinen. Die entscheidende Frage lautet: Wird es Weltbild gelingen, den teuren Umbau des Konzerns in Richtung Online-Unternehmen mit Filial- und Katalog-Satelliten zum Erfolg zu führen?
Der Betriebsrat, der grundsätzlich ein vergleichsweise gutes Verhältnis zur Führungsetage pflegt, macht aus seinen Zweifeln keinen Hehl: Dass man den Bertelsmann Club im vergangenen Jahrzehnt überholt und abgehängt habe, sei damit zu erklären, dass man die Schwächen im Club-Konzept (Abnahmeverpflichtung) erkannt und ausgenutzt habe, heißt es in einem Kommentar in de hauseigenen Betriebsratszeitung. Jetzt wolle sich Weltbild mit Amazon messen, und das sei der Fehler. Statt im Wettbewerb mit der „Liefermaschine Amazon“ auf die eigenen Buchhändler-Tugenden – wie Auswahlkompetenz oder Gespür für die Wünsche der Kunden oder Trends setzen – zu fokussieren, wolle Weltbild mit einem Technologie-Unternehmen konkurrieren, das seine IT-Systeme „mit vielen Millionen Dollar jährlich“ schmiere und ihre Logistik-Zentren „mit dem Schweiß der Angestellten, die dort zu brutalen Bedingungen schuften müssen“, betreibe.
Auch wenn die Argumentation des Betriebsrats etwas schwarz-weiß-artig daherkommt (denn Amazon ist inzwischen nicht nur Liefermaschine, sondern auch Service-Vorbild und als Technologie- und Inhalteproduzent auch Trendsetter): Die von den Augsburgern geäußerten Zweifel an der neuen Weltbild-Strategie sind nicht unbegründet. Nicht nur, weil es dem zweitgrößten deutschen Buchhändler an der Finanzkraft fehlt, um es mit Amazon aufzunehmen. Hinzu kommt, dass sich die immer wieder vorgezeigte Waffe Multichannel im alles entscheidenden Wettbewerb mit Amazon noch nicht als besonders scharf erwiesen hat.
Das Schlimmste, was in Augsburg also passieren könnte, ist, nach tiefen Einschnitten bei der Belegschaft viel Geld in ein Me-too-Konzept zu investieren. Auf absehbare Zeit wird Amazon das beste Warenhaus im Netz sein, mit der größten Auswahl, der leistungsfähigsten Logistik und dem besten Kundenservice.
Dem Universalisten Weltbild (wo es inzwischen neben Medienartikeln auch Haushalts-, Garten-, Technik-, Deko-Artikel und Schmuck gibt) fehlen die Perspektiven. Vielleicht ist die stärkere Fokussierung, die bessere Auswahl dagegen der erste Ansatz für eine zukunftsträchtige Strategie. Amazons Such-Algorithmen mögen zwar besser sein als die der Konkurrenz, das Stöbern funktioniert bei Amazon dennoch nur unzureichend. Dies führt dazu, dass Kunden nur das finden, was sie ohnehin suchen. Der Spezialist Weltbild müsste mehr Orientierung schaffen, eine Vorauswahl treffen, Redaktionelles gegen die Algorithmen setzen, Trendsetter für „Discoverability“ werden. Amazon schlagen würden die Augsburger so freilich auch nicht, Weltbild wäre aber ein Original und kein Plagiat.
Daniel Lenz bringt es auf den Punkt. Die Zukunft kann ja nicht eine weitere Kopie eines Web 1.0 Konzeptes sein. Wer traditionelle Geschäftsmodell im Netz einfach nur abbildet, kann damit auf Sicht nicht gewinnen, denn das tut Amazon ja schon am besten.
Die Zukunft liegt für mich in „flüssigeren“, besser kuratierten und individualisierten Konzepten. Im mobilen Netz sind die Produkte ja nicht im „Laden“ sondern im digitalen Leben. Statt „Multichannel“ gilt eher „Everywhere“ …
Unter http://www.augsburgwiki.de/index.php/AugsburgWiki/GeschichteDerVerlagsgruppeWeltbildGmbH kann man nachlesen, welche Voraussetzungen Weltbild hat, ›Orientierung‹ zu schaffen.
Und zu den strategischen Einsichten kann man 2009 nach zahlreichen Entlassungen lesen: »Man will das Sortiment umstellen, so dass weniger Beratung nötig ist. Selbstbedienung soll das Motto sein. Die Zunahme des Internethandels zwinge zur Restrukturierung. Dazu komme die Wirtschaftskrise.«
2000 100 Millionen für ein Logistikzentrum, 2012 noch einmal ›Millionen‹ für ein ›vollautomatisches Kistenlager‹.
Sämtlich offenbar Investitionen in die digitale Zukunft, in der Umbau dann doch so buchstabiert wird A B B A U, weil man scheinbar keine Zeit fand, digitale Zukunft aufzubauen.