Erstmals hat sich ein Hörbuch von Lübbe Audio häufiger als Download verkauft als als physisches Produkt: Von Andreas Eschbachs „Herr aller Dinge“ wurde die Hörbuchversion in den ersten drei Monaten 15.000 Mal heruntergeladen, während 7.500 Exemplare über den Ladentisch gingen, meldet der Verlag.
Die Kölner wollen deshalb künftig originäre Hörbücher für den Online-Markt entwickeln, verkündet Lübbe-Audio-Chef Marc Sieper (Foto) im Gespräch mit buchreport.de. Auch stationäre Händler müssten auf diese Verschiebung reagieren.
Erstmals hat sich ein Hörbuch von Lübbe Audio häufiger als Download verkauft als als physisches Produkt: Spricht das für die Schwäche des stationären Handels oder für die Stärke des Online-Handels?
Das ist ganz eindeutig das Zeichen der Stärke des Online-Handels bei Themen, die im Online-Handel besonders gut aufgehoben sind. Andreas Eschbach bei uns bekannt ist als ein Romanautor, der immer aktuelle, teilweise auch leicht technisierte Themen behandelt. In „Herr aller Dinge“ thematisiert er das brandaktuelle, aber sehr technische Phänomen der Nanoroboter – ein Thema, das bei der Online-Zielgruppe sehr viel besser funktioniert.
Also ein Einzelfall?
Dass sich dieses Hörbuch online so extrem gut verkauft, ist sicherlich von der Zielgruppe abhängig. Generell zeigt sich aber eine Tendenz zum Online-Handel. Interessant finde ich, dass man online überhaupt solche Sprünge machen kann: Viele Kollegen machen 10% – manche, wie wir, gar 30% – ihres Umsatzes über Digitalverkäufe. In diesem speziellen Fall ist das Verhältnis umgekehrt. In der Musikindustrie ist es inzwischen Gang und Gäbe, dass Musik-Singles so gut wie gar nicht mehr im Laden stehen, sondern nur noch als Download verkauft werden. Tendenziell werden auch immer mehr Alben digital verkauft. Diese Marktentwicklung zeichnet sich auch im Buchhandel ab. Wir forcieren die Digitalverkäufe nicht, müssen dem Thema aber offen gegenübertreten.
Diese Entwicklung geht zulasten des stationären Buchhandels…
Der Buchhandel hat alle Chancen im Digitalbereich mitzuspielen. Viele Buchhandelskollegen forcieren ihr Onlineangebot und nutzen ihren Onlineauftritt für Digitalverkäufe. Das ist aber leider noch nicht alltäglich.
Eigentlich kann Sie die Meldung nicht glücklich stimmen, ist doch der Gewinn bei Downloads meist viel geringer als bei CDs…
Wir haben deutlich mehr digital verkauft als physisch – der physische Absatz ist aber nicht massiv hinter dem Vergleichstitel (“Ein König für Deutschland“, 2009) zurückgegangen. Wir generieren also Zusatzumsatz, auch wenn dieser in Relation vielleicht geringer ausfällt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unterstreichen: Ein Löwenanteil der Umsätze entfällt zwar auf Audible, aber auch die anderen Portale spielen eine wichtige Rolle.
Generell tut sich das Hörbuch im stationären Handel schwer. Woran liegt`s?
Da muss ich widersprechen. Zwar ist der Gesamtmarkt 2011 im Vergleich zum Vorjahr geschrumpft. Aber bei Lübbe Audio hat sich der Hörbuchbereich gegenläufig entwickelt: Unser Gesamtprogramm funktioniert im stationären Handel sehr gut, unser Absatz ist um etwa 15% gestiegen. Klar ist aber auch, dass wir uns damit gegen den Markt bewegen.
Worauf führen Sie das zurück?
Unsere Titel werden von den Kunden offensichtlich gut angenommen, unsere Preis- und Produktpolitik scheint zu funktionieren. Wir haben zwar keine großen Kampagnen gefahren, das Hörbuch aber mit verschiedenen Aktionen in Szene gesetzt und mit dem Buch immer auch das Hörbuch beworben. Wir bei Lübbe bewerben die Inhalte, nicht das Format, damit haben wir einen Vorteil gegenüber reinen Hörbuchverlagen.
Sie kündigen an, den Downloadbereich auszubauen…
Das Digitale ist die Marschrichtung, in die wir losmarschieren, wir wollen auf die Digitalisierung vorbereitet sein. Mit Bastei Entertainment haben wir uns explizit die digitale Verwertung unserer Inhalte auf die Fahne geschrieben, dadurch ergeben sich viele Synergieeffekte. Der Downloadmarkt wird sich entwickeln, wie sich der Buchmarkt entwickelt. Marktführer und Key-Account-Händler werden eine entsprechende Betreuung brauchen. Wir werden auch mit den Online-Händlern Aktionen planen und ggf. Titel speziell für den Online-Markt entwickeln, die im normalen Markt wenig bis keine Chancen gehabt hätten. Das heißt aber nicht, dass wir den stationären Handel vernachlässigen wollen.
Sie wollen originäre Hörbücher für den Online-Markt anbieten?
Ja. Ebenso wie im Buchmarkt ist es auch im Hörbuchbereich sehr viel einfacher, digitale Versionen zu produzieren, weil man sich der Maschinerie von Vervielfältigung, Disposition, Logistik und Lager nicht unterwerfen bzw. diese mitfinanzieren muss. Das führt zum einen dazu, dass im Selfpublishing-Bereich teilweise merkwürdige Gewächse hochkommen, die kein Mensch braucht. Aber auch die Verlage können mehr experimentieren.
Das digitale Serienhörbuch „Apocalypsis“, das wir zusammen mit den Kollegen von Bastei Entertainment entwickelt haben, ist ein Beispiel dafür. Jetzt lassen wir sogar die englische Version produzieren und bringen diese in Amerika heraus. Das kann man mit einem physischen Buch oder Hörbuch nicht ohne Weiteres machen.
Auf den E-Readern und Tablets können die Kunden ja auch Hörbücher anhören. Profitieren Sie vom E-Book-Boom?
Es ergeben sich Synergiemöglichkeiten: Wir forcieren beispielsweise speziell bei „Apocalypsis“ eine Read-and-Listen-Version, bei der man wortweise umschalten kann zwischen Buchtext und Hörbuchtext, dies wird von den Kunden sehr geschätzt. Die Ressentiments gegen den Digitalkauf gehen sicherlich zurück – auch bei den klassischen Buchkäufern. Aber eine direkte Beeinflussung sehe ich nicht.
Die Fragen stellte Lucy Kivelip.
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