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Das heilige Herz des Digitalen

Alexander Bard ist Cyber-Philosoph, Schriftsteller, Künstler, Musikproduzent, Dozent und Bestseller-Autor. Im Interview spricht der 53-jährige Schwede, der im neuen „Business Club“ der Frankfurter Buchmesse am Messefreitag auftritt, über einen Überbau fürs Internetzeitalter, neues Heldentum und sein neues Buch.

buchreport.de verlost gemeinsam mit der Frankfurter Buchmesse 2 weitere Wochentickets für den Business Club im Wert von je 990 Euro, zuzüglich MwSt. Schicken Sie eine Mail an info@buchreport.de mit Ihrem Namen, Ihrer Firma, Mail-Adresse und „Business Club“ in der Betreffzeile. Einsendeschluss ist Freitag, 19.9.2014, 14 Uhr. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Wer an der ersten Verlosungsrunde teilgenommen hat, macht automatisch wieder mit. 


Was genau ist ein Cyber-Philosoph?
Zuerst einmal: Philosophie ist die Kunst, neue Konzepte zu entwerfen, um die Welt besser zu verstehen. Deswegen ist Philosophie eine literarische Kunstform und keine wissenschaftliche. Die Thematik der Philosophie umfasst viel mehr als die Wissenschaft. So benötigt die Wissenschaft eine Philosophie der Wissenschaft, weil sie innerhalb der Philosophie existiert. Die Philosophie ihrerseits aber braucht keine Philosophie der Wissenschaft, da Philosophie über die Wissenschaft hinausgeht (was wiederum als Metaphysik bezeichnet wird).

Die Vorsilbe „Cyber“ bezieht sich auf virtuelle und technologische Themen, insbesondere dort, wo beide Welten ineinander greifen. Ein Cyber-Philosoph ist also jemand, der innovativ, künstlerisch und literarisch arbeitet, um das menschliche Verständnis von virtuellen Räumen und technologischen Gewohnheiten und ihren Einfluss auf das menschliche Befinden, zu vertiefen und zu erweitern.

Folglich ist Cyber-Philosophie notwendig, um die laufende Internetrevolution zu verstehen und nachzuvollziehen, da sie jede Faser unseres Alltags beeinflusst. Mein Kollege Jan Söderqvist und ich gehen beispielsweise folgenden Fragen nach: Was hätte Karl Marx über das Internet gesagt? Was hätte Friedrich Nietzsche über die Interaktivität gesagt? Und für unser neues Buch „Syntheism – Creating God in The Internet Age“ haben wir uns gefragt: Was hätte Georg Friedrich Wilhelm Hegel über partizipative Kultur und Gamification gesagt? Genau dort trifft „Cyber“ auf „Philosophie“: Die alten Meister der Philosophie neu lesen und ihre Denkweisen auf neue Technologien und Realitäten anwenden.

Was könnten die einzelnen Bereiche der Unterhaltungsindustrie voneinander lernen?

Ich glaube, dass die einzelnen Unterhaltungsindustrien sich auf eine große Medienindustrie zubewegen (mit vielen blühenden Mini-Unternehmen), denn das Produzieren, Vermischen und Konsumieren von Texten, Tönen und Bildern wird immer mehr zu einem großen Gesamtkunstwerk. Die Urheber bewegen sich ständig an der alten Trennlinie zwischen Wissen und Unterhaltung auf eine neue Mixtur, die ich „Infotainment“ nenne – eine heilige Begegnung, um unseren Alltag zu bereichern.
Diese Mischung verstehe ich sehr gut, da ich sowohl Komponist als auch Produzent von Popmusik bin und seit 25 Jahren in der internationalen Musikindustrie arbeite. Mit Jan Söderqvist habe ich in den letzten 15 Jahren die Welt der Philosophie im Internetzeitalter dekonstruiert (ein vergleichsweise sehr elitäres Projekt). Auf diese beiden Karrierewege bin ich sehr stolz und habe sie sehr genossen – wenngleich mein künftiger Fokus sich vermehrt an der Philosophie ausrichtet.

Das Motto von StoryDrive lautet „Heroes“. Was ist die Kernessenz eines Medien-Helden?

Heldentum interessiert mich deshalb, weil es Dinge oder Tätigkeiten bezeichnet, die bereits das sind, wir gerne hätten oder erreichen möchten. Der Held war im individualistischen Denken ein Individuum. Aber seitdem die digitalen Technologien das interaktive Denken hervorgebracht haben, achten wir mehr auf die kollektive Menschenmenge und sehen insbesondere den „Schwarm“ als Leitbild für menschliches Handeln. Die Zukunft gehört also nicht dem „Helden“, sondern der „Online-Community“ oder der „heldenhaften Masse“ („The Heroic Crowd“) – das Thema meines diesjährigen Vortrags auf der Frankfurt StoryDrive. Genau diese Art des Heldentums spricht die jüngere Generation an. Das Heldentum der kreativen Zusammenarbeit.

Ihr neues Buch heißt „Syntheism – Creating God in the Internet Age“ und will ein neues metaphysisches System für das digitale Zeitalter erschaffen. Wie sieht das aus?

Hahaha, nun, wenn ich dieses riesige Thema in ein paar Sätzen zusammenfassen könnte, dann hätte ich eher einen Artikel darüber geschrieben und kein dickes Buch. Lass es uns so sagen: So wie Immanuel Kant ein metaphysisches System kreiert hat, das perfekt an das industrielle und kapitalistische Zeitalter angepasst war, so brauchen wir eine neue Metaphysik für das Internetzeitalter – vor allem, seitdem alle sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten permanent interagieren. Interaktivität, Digitalisierung, Globalisierung und Mitmachkultur zwingen uns, das Kant’sche Modell aufzugeben. Jan Söderqvist und ich wollen also die neuen Immanuel Kants des Internetzeitalters werden, nicht mehr und nicht weniger. Genau das wollen wir nach den drei Büchern der „The Furturica Trilogy“ mit „Syntheism – Creating God in The Internet Age“ erreichen. Syntheos ist übrigens Griechisch und bedeutet „der Gott, den wir erschaffen“. Was wir anpeilen, ist nichts Geringeres als das heilige Herz des Digitalen.

Das Verlagswesen ist mitten in der Transformation. Haben Sie einen Rat für die Branche?

Ja: Konzentriert euch darauf, exzellente Inhalte zu vermarkten und nicht irgendeinen Schwachsinn. Dann macht diese Inhalte so verfügbar wie möglich, mischt sie neu und teilt sie mit so vielen Nutzern wie möglich. Dann verteilt sie so gleichmäßig wie möglich auf alle verfügbaren digitalen Plattformen. Und denkt immer daran, dass alles, was digitalisiert werden kann, auch digitalisiert werden wird. Schaut euch nur an, wie Wikipedia die Encyclopædia Britannica umgebracht hat. Der Rest ist nur eine Frage der Zeit und des richtigen Timings. Und denkt immer daran, dass es so etwas wie „Online-Marketing“ nicht gibt (sonst würde es nicht „Spam“ heißen), denn in der Onlinewelt dreht sich alles um Kommunikation. Das Wichtigste ist also, mit guter Qualität zu kommunizieren.

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