Ab Oktober bietet Kobo den eigenen E-Reader „Kobo Touch“ auch in Deutschland und Österreich an. Der kanadische E-Book-Spezialist will vor allem über eine enge Social-Media-Verknüpfung bei den Lesern punkten. Im Interview mit buchreport.de erläutert Kobo-Vize-Chef Michael Tamblyn (Foto) die Strategie.
Wirbelt der E-Book-Markt die gewachsenen Buchmarktstrukturen durcheinander?
Der Wandel von Print zu Digital passiert schneller, als wir alle dachten. Stimmen die Bedingungen, kann der Wandel von Print zu Digital rasant erfolgen. Und wenn dies passiert, muss sich der gesamte Buchmarkt verändern. Verleger müssen ihre Lizenzmodelle ebenso prüfen wie die Distribution und gedruckte Ausgaben, Autoren müssen ihre Beziehungen zum Verlag überprüfen, Händler müssen sich Gedanken machen, wie sie ihre Kunden behalten können und weiterhin eine Rolle spielen. Jeder muss sich anpassen, alle müssen sich verändern.
Spielen stationäre Buchhändler im digitalen Markt überhaupt noch eine Rolle?
Unsere besten Kunden sind über stationäre Buchhandlungen zu uns gekommen, Buchhandlungen sind nach wie vor der beste Vertriebskanal für E-Reader. Doch es geht natürlich nicht nur um den zusätzlichen Verkauf von E-Readern. Buchhändler müssen ihre Rolle neu definieren und ihre Stellung im Buchmarkt festigen. Die Buchhandlung sollte ein zentraler Treffpunkt für Literaturfreunde sein, ein Ort, wo Leser Autoren persönlich treffen können.
Arbeiten Sie auch in Deutschland mit einem stationären Händler zusammen?
Noch nicht, wir sind in Gesprächen mit einigen Buchhändlern.
Und was ist die Position der E-Book-Shops?
Im E-Book-Bereich sind wir Händler nicht mehr nur dafür verantwortlich, dass Kunden das passende Buch finden und kaufen können, sondern für das gesamte Leseerlebnis: die Präsentation des Buches, die Interaktion des Lesers mit dem Buch, das Umblättern der Seiten, die Optik. Das bringt uns dazu, dass wir darüber nachdenken, was es bedeutet, ein Leser zu sein. Wir machen uns Gedanken darüber, wie wir den gesamten Lese-Prozess interessanter und angenehmer gestalten können. Es geht um mehr als nur den technischen Wandel von Print zu Digital.
Was zeichnet Kobo gegenüber Apple, Amazon, Google und Barnes & Noble aus?
Im Gegensatz zu den anderen Händlern betrachten wir uns primär als Buchhändler. Anders als Apple sind wir nicht primär Gerätehersteller, anders als Google sind wir nicht vorrangig ein Suchmaschinen-Anbieter. Amazon bietet den Kindle und die E-Books als eine Produkt-Kategorie von vielen an. Alle in unserem Unternehmen denken darüber nach, wie sich E-Books besser machen lassen. Dadurch sind wir konkurrenzfähig geblieben, dadurch können wir schnell neue Märkte erschließen, obwohl wir sehr viel kleiner sind als all die genannten Unternehmen. Im Vergleich zu Google, Barnes & Noble und bis zu einem gewissen Grad zu Apple agieren wir als internationaler Buchhändler sehr viel aggressiver außerhalb des englischen Sprachraums. Deutschland ist der erste von vielen Märkten in Europa, die wir in den kommenden Monaten erschließen wollen.
Wie viele Unternehmen können auf lange Sicht auf dem E-Book-Markt überleben?
Es wird immer teurer im Wettbewerb mit anderen E-Book-Händlern zu bestehen. Nur in wenigen Ländern gibt es genug E-Book-Leser, die diese Kosten rechtfertigen. Selbst in einem Markt wie Deutschland, besonders in einem Markt der Größe der Niederlande oder Belgien, ist die Frage, ob man die erforderlichen Investitionen wieder einholen kann. Unter anderem deshalb arbeiten wir erfolgreich mit Handelspartnern zusammen: Wir bieten diesen einen Weg, ihre Kunden zu halten und sie gut im E-Book-Bereich zu bedienen – ohne hohe Investitionskosten.
In Deutschland finden E-Reader bisher selten Anklang. Warum?
Wir hoffen, dass deutsche Kunden digitales Lesen attraktiver finden, sobald wir mit unseren Geräten in den Markt gehen. Hochwertige, preiswerte Geräte werden gerade erst in Deutschland eingeführt. Doch es ist nicht nur eine Frage der Geräte und Dateien. Es geht darum, den Menschen Leseerfahrungen zu ermöglichen, die mit gedruckten Büchern nicht möglich waren.
Sie meinen die Verknüpfung mit sozialen Netzwerken?
Auch. Unser Social Reading Angebot namens „Reading Life” hat gezeigt, dass die Kunden, die im sozialen Umfeld lesen, mehr Zeit mit unserem Angebot verbringen und länger digital lesen, als solche, die es nicht tun. Die Leseerfahrung wird attraktiver, fesselnder, sobald sie sich mit anderen teilen lässt. Das ist kaum anders als im wahren Leben. Menschen haben sich immer schon mit ihren Freunden über Bücher unterhalten; sie haben schon immer ihre Lieblingsbücher weiterempfohlen. Jetzt können sie ihre Leseerfahrung mit mehr Menschen teilen.
Die Fragen stellte Lucy Kivelip
Michael Tamblyn
ist als Executive Vice President verantwortlich für den Vertrieb, den Erwerb von Inhalten und den Bereich Merchandising beim E-Book-Spezialisten Kobo mit Sitz in Kanada. Er ist Mitbegründer von Kanadas erster Online-Buchhandlung Bookshelf.ca. Zuletzt gründete er die Agentur BookNet Kanada.
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