Die Insolvenz von Weltbild erschüttert die gesamte Buchbranche. buchreport sammelt Stimmen und Einschätzungen. Für Matthias Ulmer, Verleger beim Eugen Ulmer Verlag und Chef im Verleger-Ausschuss des Börsenvereins, ist der Verlust an Einzelhandelsfläche bei Weltbild besonders problematisch für die Branche.
Wie schätzen Sie die Situation bei Weltbild ein?
Es ist natürlich enttäuschend für die Unternehmensführung, wenn die Gesellschafter den Sanierungskurs nicht stützen. Aber dadurch bekommt eine solche Insolvenz wenigstens eine Ausgangssituation, die besser ist, als in den meisten Fällen. Es kann geordnet und sorgfältig, ohne Hektik agiert werden. Das ist sowohl für den Verkauf und die Überlebensfähigkeit einzelner Teile wichtig, als auch für die Mitarbeiter, die zwar eine ungewisse Zukunft haben, aber wenigstens mit einem geordneten Verfahren konfrontiert werden. Es wäre schön, wenn die Insolvenz auf den Weltbild Verlag begrenzt bleibt.
Hat Weltbild eine Perspektive?
Ich sehe für die Internet-Versandbuchhandlung mit Logistik und IT die größten Chancen. Ja, sie haben nicht zu Amazon aufgeschlossen. Aber es ist immerhin hinter Amazon das zweite Angebot. Hier kann ich mir die Übernahme durch einen Finanzinvestor oder durch einen bestehenden Versender durchaus vorstellen. Für die Buchhandlungen ist mir ein überzeugendes Zukunftskonzept nicht bekannt. Deshalb sehe ich da eher schwarz. Ein Filetieren, Übernahme von einzelnen Filialen durch andere, teilweise vielleicht ein Management Buy Out, aber mehr als 20% der Fläche wird kaum übrig bleiben. Aus den Verlagsaktivitäten hatte Herr Halff sich ja bereits geordnet zurück gezogen. Für den weiteren Umbau wurde es aber menschenunmöglich. Da kommen zu viele Dinge auf einmal zusammen, als dass man das in der hohen Veränderungsgeschwindigkeit hätte beherrschen können, besser gesagt: als dass man das einem Gesellschafter hätte erklären können.
Welche Folgen erwarten Sie für die gesamte Branche?
Ein Verlust an Einzelhandelsfläche ist bei Weltbild besonders problematisch für die Branche. Wenn eine Großfläche von 4000 qm auf 1500 reduziert wird, dann hat das praktisch keine Auswirkung auf die Branche. Wenn aber die 2500 qm nicht innerhalb einer Filiale verschwinden, sondern durch die Schließung von zehn Standorten, dann geht Präsenz des Buches, Möglichkeiten zum Erstkontakt, Sichtbarkeit verloren. Das wirkt sich dann auch negativ auf die benachbarten Buchhandlungen und auf die gesamte Branche aus. Dagegen kann wohl niemand mit spürbaren Umsatzzuwächsen rechnen. Weltbild hat nach meiner Einschätzung mehr Markterweiterung als Verdrängung betrieben. Entsprechend sinkt jetzt eher wieder das Marktvolumen und wandert nicht zu anderen Buchhandlungen zurück.
Bzgl. Markterweiterung und Verdrängung kann man wohl auch eine andere Meinung haben. Nämlich, dasz solche Unternehmen den Markt nachhaltig beschädigt haben. Daran sind auch viele Verleger nicht unschuldig. Sie haben Ihren eigenen Markt aus Gier zerstört. Die Gier nach Stückzahlen und Umsatz ohne sinnvolle Berücksichtigung des Gewinns. Die Zeit nach Weltbild wird uns zeigen, was richtig ist.
Sehr geehrte/geehrter St. Graul,
vielen Dank für Ihre Zeilen.
Mit den Worten ,Markterweiterung` und ,Verdrängung` haben Sie mir die nächsten Gedanken gegeben.
Die ,Markterweiterung` geht auch auf Kosten der kleineren Buchhandlungen, die geschlossen werden müssen und dazu ist eben auch anzumerken, dass dadurch der Kuchen vom Umsatz kleiner wird und sozusagen auch viele Kollegen/innen arbeitslos geworden sind.
Und jetzt sollen da noch Kollegen/innen mit Anfang 40 oder Mitte 40 einen neuen Arbeitsplatz in einer Buchhandlung bekommen, wo sich doch insgesamt gesehen die Lage in der Buchbranche leider sehr negativ entwickelt hat.
Es ist dieser Mammon und die ,Gier` nach noch mehr und so etwas kann auch den gesamten Markt im Buchhandel und im Geschäftsleben allgemein zerstören.
In erster Linie muss auch bei uns die Preisbindung für Bücher erhalten bleiben.
Auch die Buchbranche kommt an ihre Grenzen und ein ständiges Wachstum nach oben wird es nicht mehr geben.
Es wäre auch von Vorteil, dass die Buchhandlungen sich bemühen würden, die Leser und Leserinnen wieder besser beraten würden.
Ein Nachteil unter den Verlagen war eben auch, dass sich immer mehr Verlage durch Zusammenschlüsse von großen Verlagen aufgekauft wurden. Und dadurch leidet auch ein eigenständiges Profil eines Verlages.
Weltbild ist insgesamt gesehen dem Eigner Kirche aus der Kontrolle geraten und erst jetzt wird das ganze Ausmaß, was da in den letzten Monaten geschehen ist, deutlich.
Schuldzuweisungen helfen jetzt nicht weiter.
Aber die Begriffe ,Markterweiterung` und ,Verdrängung` sind sicher auch auf den Weltbild Verlag anzuwenden.
Außerdem kann man die Leser/innen nicht mit diesen vielen neuen Medien, die es auf dem Markt gibt, als Verlage und Buchhandlungen nicht überfordern. Der Kunde/die Kundin soll frei wählen können, welches Medium sie kaufen möchte. Dabei wird auch unterschwellig der Wille des Lesers/Leserin etwas manipuliert. Und so entsteht dann praktisch ein ungewollter Kaufzwang. Und die Werbung macht da ja sehr aktiv mit.
Der Leser/die Leserin sollten freier und selber auswählen können, was sie kaufen wollen.
Jedenfalls bleibt und ist abzuwarten, wie die Entwicklung sich bei Weltbild weiter zeigen wird.
Mit bestem Gruß
H. Kraft