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Das offene System wird gewinnen

Was Libreka einmal werden sollte, wollen die stationären Marktführer jetzt nachholen: eine deutsche Alternative zu Amazon & Co. aufbauen. Im Interview erklären Weltbild-Chef Carel Halff und Nina Hugendubel Sinn und Zweck ihrer gemeinsamen Mission.  
Ein solcher Schulterschluss  von Wettbewerbern ist einmalig im deutschen Buchhandel. Was schweißt Sie zusammen?
Carel Halff: Ziel der Partnerschaft ist die Schaffung einer konkurrenzfähigen, einheitlichen Internetplattform für digitale Produkte, insbesondere für digitales Lesen. Diese Plattform setzt einen sehr starken Vertrieb voraus. Zusammen haben wir 1500 Filialen und 11.000 Hotspots sowie den nach Amazon größten Medienshop Deutschlands, weltbild.de, auf unserer Seite. Nur in unserem Verbund haben wir genügend PS, um die Plattform wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben und weiterentwickeln zu können. 
Nina Hugendubel: Der Buchmarkt hat sich stark verändert, durch neue Wettbewerber wie Amazon, Apple oder Google. Es ist sehr schwer, als einzelner Buchhändler, selbst als Filialist, dagegen zu halten, besonders angesichts der Investitionen, die notwendig sind. 
Waren Sie beim E-Book bisher nicht erfolgreich?
Hugendubel: Doch, wir haben bei Hugendubel in den letzten zwei Jahren sensationelle Erfolge mit dem TrekStor-Reader gefeiert. Aber wir brauchen noch mehr Vehemenz im Markt, um eine echte Alternative gegenüber dem nordamerikanischen Wettbewerb darzustellen zu kommen. Deshalb bilden wir eine Initiative, die auch weltweit einmalig ist: Große Buchhändler tun sich mit einem Technikpartner zusammen, um eine nationale Alternative zu den großen US-Konzernen aufzubauen. 
Amazon liegt bei den Marktanteilen weit vorne. Kommt Ihr Schulterschluss nicht zu spät?
Halff: In den letzten zwei Jahren haben fast alle Wettbewerber weltweit miteinander gesprochen, und die Wahl der Partner musste sehr genau abgewogen werden. Die technologische Entwicklung kostet sehr viel Geld. Außerdem steht das Thema digitales Lesen erst am Anfang. Für Weltbild zeichnet sich aber jetzt schon ab, dass die Digitalisierung eine der größten Chancen unserer Firmengeschichte ist.
Der Marktanteil Ihrer Allianz dürfte, je nach Schätzungen, bei einem Viertel bis der Hälfte des Amazon-Anteils liegen…
Halff: Keine Frage, Amazon ist der größte Player. Aber wenn wir die von der GfK ausgewiesenen Anteile von Hugendubel, Weltbild, Thalia addieren würden, dann liegen wir auf Augenhöhe, wir  bleiben im Markt aber weiter Wettbewerber. Das Spiel ist also offen.
Wo haben Sie Vorteile gegenüber Amazon?
Hugendubel: Wir haben ein offenes System und ketten die Kunden nicht an uns. Sie können die Bücher jederzeit aus der Cloud auf andere Geräte überspielen. Die Kunden können sich vor Ort in den Filialen Bücher herunterladen, was bei uns bislang nicht möglich war, weil unsere Reader keine W-LAN-Schnittstelle hatten. 
Halff: Wir haben mit der Telekom einen exzellenten Partner gewonnen, das ist deutsche Ingenieurs-Kunst pur, das Beste vom Besten. Geschlossene Systeme schaffen Abhängigkeiten, wir wollen dem Kunden die Freiheit lassen.
Was nachrangig ist, wenn die geschlossenen Systeme gut funktionieren und der Kunde beim Anbieter bleibt.
Halff: Kunden nehmen dies in einer ersten Stufe des digitalen Konsums zwar hin, aber wenn man sich aktuell Blogs anschaut, dann wächst der Unmut der Leser über die Geschlossenheit der Systeme. Die Kunden wollen frei sein und z.B. ein Gerät von Weltbild beziehen und bei Thalia mit Inhalten füllen. Das offene System wird gewinnen.
Ihre Kunden werden weiterhin am harten Kopierschutz nicht vorbeikommen. Appellieren Sie an die Verlage, darauf zu verzichten?
Halff: Nein, das steht im Moment nicht an. Wir haben kaum Hinweise von Kunden, denen der harte Kopierschutz Probleme bereitet.
Wie realistisch ist es, im digitalen Bereich zu kooperieren und im stationären zu konkurrieren?
Hugendubel: Wir bleiben auch im digitalen Bereich Wettbewerber, bieten nur das gleiche Gerät mit der gleichen technischen Infrastruktur der Telekom an. Auf jedem Gerät ist jedoch der Shop des jeweiligen Buchhändlers installiert.
Halff: Nur Konkurrenz schafft Fortschritt. Wir zeigen seit Jahren mit unserer Allianz mit Hugendubel, dass es gelingen kann, zusammenzuarbeiten und Wettbewerber zu bleiben. Ich sehe auch mit Blick auf Thalia keine Probleme, wir bleiben auf allen Gebieten Konkurrenten, und jeder wird versuchen, die besten Inhalte anzubieten. Es macht aber Sinn für die gesamte Branche, dass wir uns auf einen gemeinsamen, offenen Standard einigen. Auch wenn wir aktuell noch keine technische Lösung dafür anbieten können, möchten wir, dass auch kleine Buchhandlungen unsere Plattform nutzen können. Um dies umzusetzen, brauchen wir sicher den Börsenverein.

Die Fragen stellte Daniel Lenz

Kommentare

6 Kommentare zu "Das offene System wird gewinnen"

  1. Buchbetreuerin | 4. März 2013 um 15:42 | Antworten

    Hallo Herr Halff, ich begrüße Ihre Initiative, gegen Amazon per „Schulterschluss“ vorzugehen! Weltbild hat die Power und den Bekanntheitsgrad dafür!
    Lassen Sie mich noch einen Vorschlag machen: Wenn Sie mir als Verlegerin jetzt noch ein attraktives Angebot machen, dann lasse ich Amazon als Vertriebspartner komplett fallen und komme zu Ihnen. Wie so ein Angebot aussehen könnte? Ganz einfach:
    1) Die Bücher meines Verlags werden bei Ihnen auf der Internetseite von Weltbild/Jokers mit angeboten. Werden sie bestellt, dann brauchen Sie nichts zu tun – die Logistik (Versand usw.) organisiere ich als Verlegerin mit meiner Auslieferung. Weltbild bekommt im Gegenzug eine (maßvolle) Provision – allein dafür, dass die Kunden unter weltbild.de oder jokers.de meine Bücher bestellt haben.
    2) Und der Gipfel meiner Wünsche als Verlegerin: Gegen einen Betrag X darf ich bei Ihnen im Weltbild-Katalog oder Jokers-Katalog Anzeigen für meine Bücher schalten (die Anzeigenpreise müssen sich aber bitteschön preislich im Rahmen halten und den Schmalspurgewinnen unserer Branche angepasst sein!! Ich kann nicht für 1000 EUR Anzeigen schalten, um dann nachher für 200 EUR Bücher zu verkaufen – wie das leider gang und gäbe ist).
    Ihr Vorteil: Sie brauchen eigentlich nichts zu tun, außer Ihre Kataloge und Ihre Internetseiten so zu „flexibilisieren“, dass das möglich wird. Sie verdienen an jedem Buch mit und auch an jeder Anzeige in Ihren Katalogen. Sie verdienen aufgrund Ihres guten Namens und Ihrer Bekanntheit im deutschen Markt, nicht durch Buchversand oder -verkauf.
    Wäre das kein gutes Geschäft für Sie und für mich? Und für viele andere Verlage auch? Das wäre mein Wunschtraum … Ich hoffe, Sie denken über solche Alternativen beim Ausbau Ihres Geschäfts ernsthaft nach!
    Das wäre eine Super-Alternative zu Amazon – und mit Ihren Katalogen haben Sie in Deutschland einen Durchdringungsgrad, den selbst Amazon nicht hat! Denn Amazon verschickt keine Kataloge.
    Eine Buchkundin von Weltbild/Jokers und Verlegerin

  2. Hm … und inwiefern ist das ein offenes System?
    Kann ich die Telekom-Cloud verlassen und die Ebooks in meiner OwnCloud hosten?
    Kann ich als Verlag oder Selfpublisher meinen eigenen Shop für das Gerät betreiben, ohne irgendwelchen Vereinen beitreten zu müssen?
    Kann ich – wenn ich denn unbedingt muss – mein eigenes DRM-System nutzen?*
    Können meine Bücher nicht mehr aus der Ferne gelöscht werden?
    Oder viel kleiner: Kann ich diesen „installierten Shop“ (was auch immer damit gemeint ist) … löschen?

    Ich mag ja altmodisch sein, aber offene Systeme haben für mich etwas mit freien Spezifikationen, Protokollen und Formaten zu tun.
    Mit gaaanz langweiligen Dingen, die keine Pressekonferenz in Erregung versetzen könnten, aber einen wirklichen Nutzen und eine wirkliche Wahlfreiheit für alle bieten. Das einzig offene was ich an diesem System sehe, ist Epub – und das unterstützen fast alle E-Reader außer dem Kindle.
    Es wäre aber doch ganz einfach gewesen, eine wirkliche Revolution auszulösen. Einen E-Reader präsentieren, der wirklich frei ist. Den man per Spezifikation an ein Paymentsystem (Opentransact, Payswarm, was auch immer …) koppeln und mit dem man per OAuth o.ä. auf Shoppingtour gehen kann. Jeder Händler, Verlag, Autor muss nur ein wenig Code auf seiner Seite einbinden und kann seine Ebooks präsentieren, Leseproben anzeigen, verkaufen, Apps für Social Reading anbieten etc. Dann säßen bei der Präsentation vorne die großen Player, die schon ein funktionierendes Paymentsystem haben, vielleicht noch Wooga, die ein SocialReading-Spiel präsentieren, ein paar blasse Menschen von ISO, DIN und vielleicht IETF und dann sagt der Herr von der Telekom: „Aber so ganz ausgereift ist das noch nicht – wir haben die Spezifikation und ein paar Beispielimplementationen mal auf GitHub gestellt und laden alle ein, daran mitzuarbeiten, an einem offenen, sicheren System!“
    Das ist natürlich vollkommen illusorisch und nicht vereinbar mit einer Aussage wie „Nur Konkurrenz schafft Fortschritt“.
    Aber wer behauptet „Das offene System wird gewinnen“, der sollte sich selbst darüber im klaren sein, dass er entsprechend verliert, wenn er kein offenes System hat. Und was ich bisher vom Tolino gelesen habe, ist nicht offen. Er ist zwar nicht eingemauert wie beim Kindle, aber durchaus hoch umzäunt.

    * Grundsätzlich stimme ich der Unvereinbarkeit von hartem DRM und offenen Systemen aber zu, wie Herr Möllers es auf den Punkt brachte.

  3. Wirklich schade: Da strampeln sich die deutschen Buchverlage ab und ab, und am Ende werden die Inhaberfamilien von Leuten beraten, die Ihnen Erzählen, weil deutsche Telekom drauf stünde, wäre „deutsche Ingenieurskunst“ drin. Lustig. Ausgerechnet Dt. Telekom – Leute!

    Der Unterschied zwischen diesen Entscheidern und Amazon? Ein Studium der Inhaber in Elektrotechnik und Informatik in Princeton auf Seiten der Bezos und der „Politik, Philosophie und Volkswirtschaftslehre sowie der Sprachen Englisch und Französisch“ in Passau und Berlin auf Seiten der Hugendrubels.

    Tja – Im Fußball würde man das die „gesunde internationale Härte“ nennen, die jetzt zuschlagen wird. Einfach nicht die gleiche Liga.

    Schuster (oder Nina) – bleib bei deinen Leisten und such Dir den richtigen Partner aus, noch hast Du ja die Wahl zwischen mehr als einem.

  4. Amazon lacht sich angesichts solcher „Konkurrenz“ schlapp ! Ich prophezeie – ohne Aufhebung der Buchpreisbinding wird das nichts – warum bitteschön soll ich woandes kaufen, wenn ich bei Amazon alles preiswert bekomme ? Und nebenbei – man kann mit unzähligen Tools Formate auch zum Kindle Paperwhite umwandeln – dem EBook-Reader mit 3G. DAS wird unterschätzt, dieser Riesenvorteil, überall auf der Welt, ohne WLAN auf die Cloud zurückzugreifen !

  5. ralph möllers | 1. März 2013 um 16:39 | Antworten

    Herr Halff, „offenes System“ und hartes DRM geht nicht zusammen. PUNKT. Es ist ja OK wenn die beteiligten Verlage diesen Fehler weiter hin machen wollen, aber das ist ja kein Grund so einen unhaltbaren Blödsinn zu sagen. Sie wissen es besser und beleidigen die Intelligenz Ihrer Mitarbeiter, Partner und Kunden. DRM wird es geben solange die Verlage es einbauen, daher muss man es leider berücksichtigen wenn man alle Titel anbieten will. Aber man muss der Kundenbehinderung ja nicht auch noch das Word reden.
    Trotz allem wäre es großartig wenn das Konzept funktionieren würde.

  6. Lucas Lüdemann | 1. März 2013 um 12:11 | Antworten

    Ich habe große Erwartungen an dieses Bündis und drücke fest die Daumen. Und an alle Tolino-Kritiker: Unterschätzt auch die stationäre Präsenz der deutschen Buchhändler nicht. Aber einen Satz muss ich hier kommentieren: „Wir haben kaum Hinweise von Kunden, denen der harte Kopierschutz Probleme bereitet“? Ich glaube auch hier könnte Herr Halff den einen oder anderen Forenbeitrag dazu lesen. Aber das ist sicherlich ein heikles Thema, auf das er sich im Moment nicht einlassen will. Letztlich müssen die Verlage das entscheiden. Ich denke nur immer: DRM schützt nicht. Wem bringt das also was?

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