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Das Schattenreich der Piraten

Es war einmal eine Buchbranche, der es glänzend ging. Doch nun bedrohen Raubkopierer die heile Welt der Verlage.“ Dies titelt heute (07.10.) das SZ-Magazin“. Hintergrund des Berichts ist eine Studie von Manuel Bonik und Andreas Schaale, die für einen IT-Service zur Pirateriebekämpfung arbeiten. Ihre These: Viele Verlage wissen gar nicht, wie viele ihrer Bücher bereits als Raubkopien durch das Netz geistern.

Die Erkenntnisse der Studie „Gutenberg 3.1“ (Update ihrer Studie vom März 2011):

  • Sowohl die rechtswidrigen Datenbestände auf den Servern als auch die Zahl der Konsumenten, die diese herunterladen, wachsen. Auf einer Online-Plattform mit kostenlosen E-Books beobachteten die Autoren innerhalb von sechseinhalb Monaten ein Wachstum der Hits um 45%.
  • In eine ähnliche Richtung weisen die Ergebnisse einer GfK-Untersuchung vom August 2011: Demnach sind 2010 von den 23 Mio Bücher-Downloads 14 Mio illegal erfolgt (entspricht 62% aller Download-Titel). Die Zahl der illegalen Downloader beziffert die GfK auf rund 800.000 Personen. Im Endeffekt dürfte die Zahl etwas niedriger liegen: Wie Spiegel Online berichtet, interpretieren die auftraggebenden Verbände die meisten Downloads, die nicht „kostenpflichtig“ waren, als illegal – obwohl es gewaltige Mengen an legalen Buch-Downloads gibt.
  • Bonik und Schaale sehen in diesen und ähnlichen Beobachtungen eine valide Grundlage für die Annahme, dass die Online-Piraterie in erheblichem Maße für die Umsatzverluste im Buchhandel verantwortlich ist.
  • Dieser Trend trifft besonders auf Bestseller zu: Von Januar bis Juli 2011 sind die Nutzungszahlen eines Threads mit den Titeln der SPIEGEL-Bestsellerliste auf der beobachteten Website um 80% gestiegen.
  • Grund für die Entwicklung ist ihrer Ansicht nach die Zurückhaltung der Verlage im E-Book-Bereich: Das Titelangebot sei zu klein, die Nutzbarkeit zu eingeschränkt und die Produkte insgesamt zu teuer. Dadurch würden die Leser zur „kostenlosen Buchbeschaffung sozialisiert“. Um dies zu verhindern, sollten Verlage ihre „Kunden an der richtigen Stelle mit attraktiven Angeboten abholen“.
  • Zudem erweitere sich der Nutzerkreis von Filesharing-Börsen und Download-Plattformen auch um ältere Raubkopierer: In einer Konsumenten-Befragung der britischen Anwaltskanzlei Wiggin gab jede achte Frau über 35 zu, illegale E-Books herunterzuladen. Insgesamt konsumierten 30% bis 35% der Besitzer von Lesegeräten in Großbritannien rechtswidrig vervielfältigte E-Books.
  • Online-Bibliotheken verkennen den Autoren zufolge, dass ihre traditionellen Leihsysteme aus dem Print-Bereich nicht auf den digitalen Markt übertragbar sind. Sie unterstützten indirekt die Raubkopierer bei der Beschaffung neuer Datensätze, weil diese den Kopierschutz der entliehenen Produkte oft binnen Sekunden zu beseitigen wissen.
  • Piraten agieren meist gewinnorientiert und finanzieren ihre Plattformen größtenteils über Werbung. Ein Plattform-Betreiber gibt in dem SZ-Artikel an, 200 Euro im Monat für die Servermiete auszugeben – und etwa 700 Euro pro Monat einzunehmen.
  • Um sich einen Überblick über die Verbreitung der Raubkopien der eigenen Titel zu verschaffen, sollten Verlage die Online-Verbreitungswege ihrer Produkte analysieren oder entsprechende Dienstleister beauftragen (wie das IT-Unternehmen Lisheennageeha Consulting, für das die beiden Autoren tätig sind). Denn: „Im Extremfall haben Verlage schon ein großes Ebook-Programm, wissen es aber nicht, da nicht sie es produziert haben, sondern die Piraten.“
  • Anders als bei P2P-Netzwerken wirkt nach Ansicht der Autoren bei den weit verbreiteten Direct Download-Plattformen die anwaltliche Abmahnung selten, da die Up- und Downloader praktisch nicht zu ermitteln sind. Die Verlage könnten aber die dazu verpflichteten Filehoster bitten, entsprechende Links zu entfernen.

Für die Zukunft treffen Bonik und Schaale folgende Voraussagen:

  • E-Reader werden sich weiter verbreiten.
  • Die Piraterie wird weiter zunehmen.
  • Die Umsätze des stationären Buchhandels werden stetig sinken.
  • Für Verlage können Flatrates könnten ein hilf- und erfolgreiches Modell darstellen.
  • Der Selbstverlag wird für Autoren immer attraktiver und bedeutsamer.
  • Die Identifizierung und Verfolgung von Raubkopierern wird (technisch) immer schwieriger.

Angesichts dieser als bedrohlich beschriebenen Ausgangslage rufen die Verfasser zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit dem Piraterieproblem auf. In den aktuell diskutierten „55 Thesen“ (hier das buchreport-Dossier zum Thema) werde diese Bedrohung kaum thematisiert und auch allgemein sei das Problembewusstsein bei den Verlage viel zu gering: „Womöglich ist der Leidensdruck noch nicht groß genug!“

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