In diesen Tagen ist der Börsenverein in sein neues Frankfurter Hauptquartier gezogen. Der Verband und seine Wirtschaftstöchter haben rund 19 Mio Euro in einen repräsentativen Auftritt investiert im Zeichen des neuen, nach oben gerichteten „Wegweiser für die Buchbranche“-Pfeillogos.
So schön geplant die Immobilie, so diffus sind ausgerechnet zum Zeitpunkt des Einzugs die Perspektiven des 186 Jahre alten Verbands. Der beschleunigte Medien- und Handelswandel sorgt für eine Orientierungskrise. Ob das Konstrukt „Buchbranche“ überhaupt eine brauchbare Kategorie bleibt, ist offen.
Lange bewährte und bewahrte Besonderheiten der Branche lösen sich bereits auf:
- Die Geschlossenheit, die durch Produktformate, das Steuerprivileg, Preisbindung und nicht zuletzt durch den aufwertenden „Kulturgut“-Anspruch definiert wurde.
- Der Zusammenhalt, der sich (von den Autoren abgesehen) spartenübergreifend über die gesamte Wertschöpfungskette erstreckte.
- Der immer wieder gesuchte Ausgleich zwischen großen und kleinen Unternehmen.
Diese Besonderheiten und Gemeinsamkeiten schwinden, schon weil sich die Branche in großem Stil öffnet. Buchhandlungen werden zu „Inspirationshäusern“, die Klammer der preisgebundenen 7%-Artikel leiert durch die vielen sonstigen Produkte aus, und die Gewinner des Wandels, die strukturverändernden großen Player im Online-Versandhandel sowie die E-Book- und App-Plattformen, haben mit dem klassischen Buchverband wenig im Sinn.
Die Zeit der Grundsatzfragen
2011 wird absehbar als das Jahr gelten, in dem sich die noch an einem Tisch sitzende Branche ehrlich gemacht hat, und als das Jahr, in dem auch überspitzte Grundsatzfragen diskussionsfähig wurden: Ob es morgen noch Bücher und Buchhandlungen geben wird? Ob Verlage noch gebraucht werden? Eine adäquate Sinnfrage lautet: Wozu wird der Börsenverein noch gebraucht?
Lässt man die seit Längerem umstrittenen wirtschaftlichen Aktivitäten der MVB außen vor, gibt es drei Funktionen:
- Unstrittig nützlich ist der große Verbandsschirm in der Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit, um die politischen Rahmenbedingungen zu pflegen, vermehrt in Allianz mit anderen Urheberrechtsbranchen.
- Die „innenpolitische“ Ambition des Interessenausgleichs zwischen den Sparten kann dagegen begraben werden nach 5 Jahren Branchenparlament und der langwierigen, nicht zielführenden Diskussion über Richtwerte für angemessene Konditionen.
- Der größte Teil des Verbandsapparats dürfte seine Berechtigung in Dienstleistungen suchen, die angesichts der Umbruchsituation und Auffächerung in der Branche aber einzeln auf den Prüfstand gehören.
Prototypen für die Branche?
Noch immer hofft der Börsenverein allerdings, gebraucht zu werden für den großen Wurf. Ein neu aufgesetztes Projekt, mit dem der Verband in dieser Woche an die Branchenöffentlichkeit gegangen ist (hier mehr), soll nicht weniger als neue Geschäftsmodelle entwickeln, die als „Prototypen“ für die Branche dienen mögen. Das erinnert an das beim ersten Spatenstich übermütig formulierte Ziel, im neuen Haus die Kompetenz zu konzentrieren, um „das Buchwesen mit Ideen und Impulsen gestaltend in die Zukunft zu führen“.
Von diesem Anspruch, den heterogenen, sich öffnenden und neuerfindenden Unternehmen den Weg weisen zu wollen, sollte sich der Verband besser verabschieden.
aus: buchreport.magazin 12/2011
„Lässt man die seit Längerem umstrittenen wirtschaftlichen Aktivitäten der MVB außen vor“ – aber das führt dann zu einem falschen Befund ! Inzwischen vertritt der Börsenverein vor allem die Interessen seiner Wirtschaftstöchter. Fast alle anderen Äusserungen des Vereins sind obsolet gewordene Ideologie, sind Blabla .