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Das Urheberrecht kam mit einem Geburtsfehler auf die Welt

Die buchreport-Umfrage zum Urheberrecht zeigt: Inzwischen wollen die Betroffenen stärker in die Offensive gehen (hier die Zusammenfassung). Es sei Zeit, eine eigene Maxime gegen die Forderungen der Piraten aufzustellen, meint etwa Autor und Verleger Thomas Krüger. Er fordert ein unbegrenztes Urheberrecht, bis eine Erbfolge erlischt. Diese und weitere Stimmen aus der Umfrage im Überblick: 

Thomas Krüger Autor und Verleger des Hörbuchverlags „Schall & Wahn“ sowie des Kinderbuchverlags „Lausbuch“:

Ich finde es absolut richtig und notwendig, dass sich Künstler für das Urheberrecht einsetzen. Selbst wenn der Zug abgefahren wäre, sollten sie versuchen, ihn wieder einzuholen. Die Diskussion verläuft seit geraumer Zeit asymmetrisch, und leider haben sich Urheber teils zu wenig um ihre Rechte gekümmert, teils haben sie sich von der Diskussion ausschließen lassen.

Dabei ist es der Netzgemeinde gelungen, die Sachlage soweit zu verzerren, dass sich Urheber tatsächlich oft für ihre Rechte zu schämen scheinen.

Die über Piratenkreise durchgesetzte Losung, der Begriff „geistiges Eigentum“ sei eine Chimäre des Industriezeitalters, ist doch nichts als kalte Lüge. Wenn es einen Begriff von Eigentum gibt, dann den des geistigen. Shakespeares Werke sind noch heute Shakespeares Werke. Michelangelos Skulpturen gehören niemandem als Michelangelo selbst. Wer käme auf die Idee, in diesen Zeiten des globalen, alle Zeiten durchmessenden Kulturtourismus ein Foto von sich selbst neben Michelangelos David machen zu lassen, um dann zu sagen: „Look, Daddy did it!“ Wie lächerlich würde er sich machen? Auch in den Augen derer, die den Begriff „geistiges Eigentum“ nicht anzuerkennen bereit sind?

Werke sind von ihren Schöpfern nicht zu trennen. Geistiges Eigentum hat Ewigkeitswert. Ein Kunstwerk ist eben weit mehr als die Kopie einer Kopie einer Kopie aus dem Arsenal des gesellschaftlichen Besitzes. Wer diese Theorie aufgestellt hat, hat seinen künstlerhassenden Platon wohl mißverstanden. Wenn es nicht einmal Gleichheit zwischen solch banalen Dingen wie zwei Daumenabdrücken gibt, wird man nicht ernsthaft über die Einzigartigkeit (ergo die absolute Individualität) von Kunstwerken streiten wollen. Kunstwerke sind ohne schaffende Individuen nicht möglich.

Und eine Reform des Urheberrechts, weil es heute überholt ist? Auch hier wurde eine Sichtweise an der Realität vorbeigemogelt. Der Sündenfall liegt doch nicht darin, das Urheberrecht unzulässig ausgeweitet zu haben. Wer ein Ding, einen Gegenstand (Auto, Haus, …) besitzt, hat das Recht, es weiterzuvererben, und er vererbt auch dieses Recht weiter. Wer ein Ding geschaffen hat, mit seinen eigenen individuellen Gaben – wer also ein Ding weitaus mehr als bloß materiell besitzt -, der soll es nun abgeben? Wieso das?

Der Sündenfall – und das ist nicht polemisch formuliert – liegt in der Tatsache, dass das Urheberrecht mit zeitlicher Beschränkung formuliert wurde; in der Phase, als Kunstwerke in verschiedenen Graden technisch reproduzierbar wurden. Eigentlich dürfte das Urheberrecht nur dann auslaufen, wenn eine Erbfolge erlischt. Alles andere ist Enteignung. Weil es aber von Anfang an wirtschaftliche Begehrlichkeiten jenseits derer des Künstlers gab, kam das Urheberrecht mit einem Geburtsfehler auf die Welt – ein Geburtsfehler, der sich nun, im digitalen Zeitalter, rächt. Wenn also die Netzgemeinde meint, Maximalforderungen aufstellen zu können, sollte sie bedenken, dass die Gegenseite (und dieser Begriff ist bewußt gewählt) Maximales dagegen  stellen kann – sehr selbstbewußt und sehr begründet.

Joachim Unseld, Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt:

„Es herrscht in der Öffentlichkeit kein ausreichendes Bewusstsein über das ,Funktionieren‘ von Kultur, also vom Zusammenwirken verschiedener spezialisierter Leistungsträger bis zum fertigen Kulturprodukt. Die Piratenpartei, ein Beispiel, versucht, die Leistungen von Verlagen und Buchhandlungen als unnötig und reine Geldschneiderei hinzustellen und befördert damit letztlich den Gedanken, dass Kulturangebote umsonst zu haben seien. Gegen solche intellektuellen Kurzschlüsse muss von Seiten der Kreativwirtschaft deutlich Wort geführt werden.

In erster Linie sollten die Erzeuger von Kulturprodukten (also in unserem Falle Autoren) sich öffentlich erklären und klarstellen, wie das Zusammenwirken verschiedener Leistungsträger funktioniert, warum es von Vorteil ist, einen Verlag zu haben etc.“

Pia Ziefle, Autorin („Suna“, Ullstein):

„Ganz wichtig ist mir, dass die Debatte nicht gegeneinander, sondern miteinander geführt wird, mit Urhebern, Verwertern und Usern. Die Urheber müssen unbedingt aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, die Verwerter neue Modelle finden, und ja – die User müssen einsehen, dass sie sich nicht bedienen dürfen an den Werken anderer.

Aber es sind nicht diejenigen, die illegal downloaden (von denen sind im Buchbereich wohl wirklich die wenigsten verloren gegangene Käufer, sondern lediglich Sammler), es sind diejenigen, die unsere Inhalte ungefragt ins Netz stellen. Deren Motive würden mich sehr interessieren, abgesehen von der wiederholten Formel von ,Kultur muss frei für alle zugänglich sein‘. Wenn sich nämlich rausstellt, dass unser Content nur Mittel zum Zweck ist, um auf andere Weise Geld zu verdienen (Stichwort MegaUpload oder kino.to und Premiumzugänge), dann ist das ein klares Signal an die Verwerter, sich ganz schnell ein funktionierendes Distributionstool auszudenken. Denn dann bedeutet das: Man kann im Netz sehr wohl Geld verdienen. Man muss es nur wollen.“

Thomas Carl Schwoerer, Verleger Campus Verlag:

Autoren und die Buchbranche fordern, dass Unternehmen der Internetwirtschaft daran mitwirken, ihren Kunden Warnhinweise zu schicken, wenn diese sich raubkopierte Inhalte illegal herunterladen. Nach anerkannten Studien würden 70% der Nutzer ihr Verhalten daraufhin ändern, und die Anzahl der – umstrittenen – Abmahnungen könnte radikal verringert werden. Wäre das Zensur und eine Bedrohung der Meinungsfreiheit? Nein. Aber es wäre wichtig, um das Urheberrecht durchzusetzen. Und das ist bitter nötig.

Im Dezember kündigte die erfolgreiche spanische Autorin Lucia Etxebarria an, das Schreiben aufzugeben, weil zu viele Raubkopien ihrer Bücher heruntergeladen werden, an denen sie nichts verdient. Ihr und ihrer Familie wird dadurch die Lebensgrundlage entzogen. Bedroht es nicht die Meinungsfreiheit, wenn sich Kreativität nicht mehr lohnt, weil Gesetze nicht eingehalten werden, und damit Bücher nicht mehr erscheinen können? Von der Freigabe von Buchinhalten profitieren primär große Wirtschaftskonglomerate und Raubkopierer.

René Strien, Verlegerischer Geschäftsführer Aufbau Verlag:

Wer aktuell mit Politikern in Sachen Urheberrecht spricht, stellt mit Erschrecken fest, wie wenig bekannt – und damit anerkannt – die Leistung der Verlage ist. Hier müssen wir als Branche ein enormes Informationsdefizit ausgleichen, zumal sich angesichts der Piraten-Wahlerfolge manchem Volksvertreter der wohlfeile Trugschluss anbietet, mit deren Position zum Urheberrecht bei abtrünnigen Wählerschichten Punkte machen zu können.

Dennoch wird uns Verlagen weiter das Vorurteil von der „Verwertungsmafia“ begegnen. Selbst mit derartiger Demagogie aber wird es nicht gelingen, die Stimme der beraubten Urheber selber zu übertönen. Daher sind Ausbrüche wie der von Sven Regener, sind die Klagebegründung von Prof. Reuß oder der Brief der Tatort-Autoren so wichtig: bitte viel mehr davon!

Kommentare

2 Kommentare zu "Das Urheberrecht kam mit einem Geburtsfehler auf die Welt"

  1. Genau – Kunst muss auf alle Ewigkeitem dem Künstler „gehören“. Dieses gehören muss bedeuteten, dass alle Nachkommen, auf alle Zeiten, von dieser Kunst profitieren.

    Ich frag mich aber, warum eine Erfindung dessen Entwicklung u.U. viele Millionen kostet, nur 20 Jahre dem Erfinder „gehört“?
    Warum gelingt der Gesellschaft bei Patenten eine Abwägung zu schaffen, zwischen „Urheber“ und der Gesellschaft, bei „geistigem Eigentum“ – dessen Erstellung mittelbar null Kosten verursacht – nicht?

    Das Beispiel der Skulpturen klingt auch nicht sonderlich schlüssig. Gehören Michelangelos Skulpturen, wirklich Michelangelo? Nicht demjenigen der sie gekauft hat? Wird hier eine nachträgliche Enteignung der Besitzer von „geistigem Eigentum“ durch die Urheber gefordert?

  2. Superideen! Aber wenn schon, dann auch konsequent. Dann für ALLES geistiges Eigentum. Jedes Patent, Muster, Softwarepatent (und sei es noch so allgemein). Kein geistiges Eigentum 2. Klasse bitteschön. Die Pharmaindustrie würde sofort die Sektkorken knallen lassen. Man stelle sich vor, Aspirin wird wieder soviel kosten wie vor Auslauf des Schutzes (plus Inflation) und dann ab die Post bis in alle Ewigkeit, denn Unternehmen vererben seeeeehr lange.
    Geistiges Eigentum ist geistiges Eigentum. Da darf es keinen Bonus geben, nur weil das eine hübsch und das andere nützlich ist!

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