Wie können Verlage in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit ihre Marktposition halten und ausbauen? Heute und morgen diskutieren internationale Größen der Buchbranche beim „Publishers’ Forum 2009“ in Berlin. Anlässlich der von Klopotek und arvato systems (Bertelsmann) organisierten Veranstaltung ein Interview mit Klopotek-Direktor Helmut von Berg über die größten Herausforderungen für die Verlage im digitalen Zeitalter.
Wo steht die Buchbranche bei ihrer gedanklichen Loslösung vom Buch im Frühjahr 2009?
Sie steht nicht nur mitten im Aufbruch, sondern ist schon einen Schritt darüber hinaus. Allerdings ist die Bewegung international zum Teil schon weiter fortgeschritten. Wir versuchen mit unserem Forum, weitere Impulse zu geben.
Wie stark entwickelt sich die Verlagsbranche auseinander?
Es gibt zum einen die bekannte Rangfolge, dass die Wissenschaftsverlage am weitesten sind, gefolgt von den Fachverlagen. Die Belletristen tun sich am schwersten, ihr Geschäft neu zu denken, aber auch dort gibt es positive Ansätze. Hinzu kommt, dass verschiedene Marktteilnehmer sehr unterschiedliche Perspektiven entwickeln, dazu gehört auch die in dieser Form nicht sehr förderliche Diskussion um urheberrechtliche Fragestellungen.
Urheberrecht gilt als Basis des Geschäfts…
…ja, nur muss es darum gehen, dabei eine aktive Rolle zu finden, statt Abwehrschlachten zu schlagen. Die verstellen nur den Blick dafür, wie groß die Herausforderungen wirklich sind und wo neue Chancen entstehen. An Rechten hält man im Medienbereich am besten dadurch fest, dass man sie positiv besetzt, anstatt sie einzuklagen. Natürlich ist die Klage eine Option, wenn man einen Schaden erleidet, aber die Defensive darf nicht die Grundhaltung prägen.
Zur Offensive gehört, dass das Ziel klar ist: Besteht nicht auch die Gefahr des Aktionismus?
Ich bin sehr dafür, dass die Verlage ihren Platz im Markt definieren im Sinne von eingrenzen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass ein Verlag sagt: Ich kenne meinen Markt und brauche das Internet nicht für meine Geschäftsidee. Wenn es denn nur eine bewusste und positive Entscheidung ist. Und tatsächlich sollte man sich vor Aktionismus hüten. Man muss aber Herausforderungen annehmen, und zu denen gehört, dass in den letzten 20 Jahren das Tempo zugenommen hat. Die Technologie ermöglicht wesentlich schnellere Umsetzungen von Ideen, und wenn man um diese Ideen nicht kämpft, ist man schnell draußen.
Worin besteht die eigentliche Herausforderung?
Man muss die Frage beantworten: In welche Form bringe ich den Content, auf dass er vom Markt optimal aufgenommen wird. Man muss einfach neu darüber nachdenken, was man tut. Der alte Weg verliert ja auch an Reiz: Solange man nur sagt, wir drucken jetzt ein Buch und das hat einen Anfang und ein Ende, wird man mit diesem Buch in einem starken Konkurrenzkampf stehen, dem Preis- und Kostendruck ausgeliefert sein, aber immer weniger in die Waagschale werfen können, das Kundenbindung und -nähe erzeugt. Me-too-Produkte sind heute bereits gefährlich und langfristig kein tragfähiges Modell.
Hemmen nicht vor allem technische Probleme?
Das Technische ist auch eine große Herausforderung, das will ich nicht beschönigen. Aber das entscheidende sind konzeptionelle Fragen, ob ich in der Lage bin, einen Inhalt in seinen sinnstiftenden Strukturen aufzuschließen, der in der Vergangenheit immer nur unter dem Aspekt gesehen wurde: Habe ich dafür eine Zielgruppe und kauft der Buchhandel das ausreichend ein? Heute hat man als Verlag die Möglichkeit, eine Struktur zu schaffen und denjenigen Kriterien an die Hand zu geben, die etwas – auch unscharf – suchen. Es gibt neue Formen, mit den Kunden in Kontakt zu treten, selbst wenn ich am Ende vielleicht doch nur wieder ein Buch verkaufe.
Und wenn die Rechnung auch mit angenommener Herausforderung nicht aufgeht?
Es ist klar, dass auf den neuen Wegen auch Geld verloren geht. Jeder muss überlegen, was er sich im Rahmen seiner Möglichkeiten erlauben kann. Das normale Geschäft sollte immer das Überleben gewährleisten.
Zur Berliner Veranstaltung ist ein Vorabdruck des buchreport.spezial „Herstellung & Management“ erschienen, das Ende der Woche auch als Supplement des buchreport.magazins Mai erscheint.
aus: buchreport.express 17/2009
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