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Der Buchhandel ist in der Kommunikation gestört

Am vergangenen Freitag hat die Lit.Cologne schlagartig ihre Internetzone ausgeweitet: litcolony.de soll die bisher regional geprägte Lesereihe ausweiten. Ein Auftakt nach Maß: Am ersten Wochenende verzeichnete das Portal rund 1 Mio Zugriffe – die Ankündigung, dass Elke Heidenreich künftig ihre beim ZDF abgesetzte „Lesen!“-Sendung auf der Seite der Kölner zeigen wird, sorgte hauptsächlich für den Ansturm. Im Interview mit buchreport.de erklärt einer der Geschäftsführer der Lit.cologne, Edmund Labonté (Foto), die Ziele der Online-Ausweitung.

Mitten in der Wirtschaftskrise zu expandieren, ist ein Risiko…
Sicher, aber wir haben heute die gleiche Situation wie bei Gründung des Festivals: Der neue Markt brach zusammen, die Taschen der Sponsoren waren zugenäht. Das hält uns aber nicht davon ab, das Prinzip der Lit.Cologne in die Fläche und in den Raum zu bringen. Wir haben oft überlegt, ob wir in andere Städte, zum Beispiel nach Düsseldorf, expandieren. Aber das Internet ist die beste Möglichkeit dafür. Durch den Abschied von Elke Heidenreich vom ZDF konnten wir einen Coup landen. Das hat uns eine Initialbekanntheit gebracht.

Sie haben 500.000 Euro investiert.
Ja, in etwa. Wir haben das aus blankem Enthusiasmus gemacht. Es ist fast unmöglich, eine nicht-online stehende Plattform zu vermarkten, dennoch gibt es etliche Verlage und Sponsoren, die an uns glauben und die uns ermutigt haben. Jetzt geht aber erst die eigentliche Arbeit los.

Muss sich das Portal selbst tragen?
Ja. Wir sind schon damals zum Start des Festivals oft nach Business-Plänen gefragt worden – wir hatten damals keinen und heute auch keinen. Es gibt so viele externe Faktoren, die nicht bestimmbar sind, beispielsweise die Nutzerzahlen oder aber die Resonanz der Verlage. Wir lassen das auf uns zukommen. Dennoch ist mein Ziel, dass wir in drei Jahren so weit sind, dass sich das trägt.

Wie wird sich die Klientel der Lit.Cologne durch das Portal ändern?
Unser Festival war bisher stark regional geprägt, auch wenn es Literatur-Touristen aus anderen Städten gab. Durch das Internet wird die Klientel jünger – das tut der ganzen Veranstaltung, das tut auch der Sendung von Elke Heidenreich gut. Unsere Zielgruppe wird sich demografisch nach vorne und hinten erweitern, denke ich.

Sie haben auch einen Internetshop eingebunden. Das dürfte Buchhändler nicht freuen.
Wir sind dabei sehr defensiv. Elke Heidenreich hat in ihrer Auftaktsendung bei uns gesagt: „Support your local dealer!“ Daran glauben wir. Andererseits können wir es uns nicht erlauben, die Nutzer, in deren Nähe kein Buchhändler sitzt und die ein bei uns vorgestelltes Buch kaufen wollen, abzuweisen. Wir haben den Shop bewusst mit Libri und nicht mit Amazon gemacht, weil wir dort eine höhere Affinität zum Buch erkennen.  Wir arbeiten außerdem an einer Möglichkeit, den Nutzer nach der Eingabe der Postleitzahl auf eine Buchhandlung zu verweisen.

Nachdem Sie die Grundidee der Lit.Cologne jetzt per Internet verbreiten: Ist außerdem eine stationäre Ausweitung, z.B. eine Lit.Munich denkbar?
Diese Diskussion haben wir oft geführt, wir haben uns beispielsweise mit den Wienern unterhalten, ob wir zusammenarbeiten. Die haben uns jetzt kopiert. Darauf sind wir stolz, aber darüber ärgern wir uns auch. Die Ähnlichkeiten der Buch.Wien gehen bis ins Programmheft und die Struktur der Veranstaltungen: Die machen Fahrten auf der Donau mit Lesungen, machen Doppel-Lesungen; das Heft ist optisch eine 1:1-Kopie unseres Programms. Zurück zu Ihrer Frage: Eine Ausweitung ist mit unserer unternehmerischen Struktur nicht zu stemmen. Hinzu kommt: Köln ist die perfekte Stadt für solch ein Festival. In Berlin wäre es nicht möglich, die ganze Stadt mit einem Festival zu überziehen.

Wie sieht Ihre Vision für Ihr Portal aus?
Unser größtes Pfund ist unsere Glaubwürdigkeit: Man nimmt uns unsere Begeisterung für Bücher ab. Der Buchhandel ist in seiner wesentlichen Kommunikationsfunktion gestört. Die Verlage schicken alle ihre Informationen an die Buchhändler, in der Hoffnung, dass sie die Infos an den Kunden weitergeben. Das ist aber nicht mehr so, weil es in manchen Gegenden keine Buchhändler mehr gibt oder weil diese ihre Kunden nicht mehr kennen. Deshalb muss man Foren und sonstige Plattformen schaffen, die das Buch wieder über die Wahrnehmungsschwelle heben. Die Verlage beklagen desaströse Auflagenzahlen bei Büchern aus der zweiten Reihe. Das liegt daran, dass es für diese Bücher keine Initialzündung in der Kommunikation, die sich wie ein Schneeball weiterverbreitet und für Bestseller sorgt, mehr gibt.

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