Der Selfpublishing-Dienstleister und Verlag Monsenstein und Vannerdat ist insolvent. Das Unternehmen aus Münster führt dies primär auf „drastische Veränderungen“ in der Branche zurück; hinzu kämen die anstehenden Rückzahlungen an die VG Wort.
Die Insolvenz wurde bereits am vergangenen Freitag angemeldet (Aktenzeichen: 75 IN 41/16). Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt Hubertus Bange von Lauscher und Schürmann aus Greven bestellt.
Geschäftsführer Johannes Monse verweist im Gespräch mit buchreport auf den stark gewachsenen Wettbewerb – auf den massiven Druck durch immer mehr Mitbewerber aus meist großen Konzernen. Das komplette Interview ist auf Indie Publishing zu lesen.
Die 1999 gegründete Firma habe in den vergangenen drei Jahren große Kraftanstrengungen unternommen, um die einbrechenden Umsätze und den sich abzeichnenden Strukturwandel zu kompensieren und das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Doch neue Produkte, umfangreiche Investitionen in die eigene Infrastruktur (darunter ein CRM-System), die Druckerei und Buchbinderei hätten nicht für eine Wende gesorgt. Am Ende hätten unerwartete Nachzahlungen an die Künstlersozialkasse und die anstehenden Rückzahlungen an die VG Wort die letzte Luft zum Atmen genommen.
Jetzt arbeite man mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter daran, eine Perspektive für das Unternehmen zu finden, sei es aus eigener Kraft oder mit Hilfe eines Investors. Der Geschäftsbetrieb laufe zunächst drei Monate im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung weiter.
Das Portfolio des Münsteraner Unternehmens ist breit.
- Zu den Selfpublishing-Aktivitäten gehören die Publikationsplattform ruckzuckbuch.de, das Selfpublisher-Programm Edition Octopus und zahlreiche Hochschulkooperationen (hochschulverlage.de) – seit 2001 werden wissenschaftliche Werke veröffentlicht, in Zusammenarbeit mit Hochschulen wie der TU München, der LMU München, der Westfälischen Wilhelms-Universität, der Universität des Saarlandes, der Universität Flensburg oder den Technischen Universitäten Chemnitz und Illmenau.
- Daneben betreibt Monsenstein und Vannerdat eigene Verlage wie den Oktober Verlag (Schwerpunkte: Literatur, Kritik, Fußball), Prospero Verlag (Literatur, Sachbuch und Zeitgeschichte), die Edition Monsenstein und Vannerdat (Technik und Illustration) sowie MV-Wissenschaft (Wissenschaft).
Zu den Autoren, die bei MV publiziert haben, zählen F.W. Bernstein, Nele Neuhaus, Günter Ohnemus, Tom Hillenbrand, Jürgen Roth, Heinrich Hannover und Feridun Zaimoglu.
Eine Frage zu der Aussage bezüglich der angeblich zweitwichtigsten Ursache des traurigen Vorgangs, „hinzu kämen die anstehenden Rückzahlungen an die VG Wort“: Seit dem ersten gewonnenen Prozess von Herrn Vogel gegen die VG Wort erfolgten die Ausschüttungen an die Verlage doch unter dem Vorbehalt der Rückforderung und es wurde immer absehbarer, dass der Fall der Rückforderung tatsächlich eintreten würde.
Mussten die Verlage da nicht wie jedes andere Unternehmen auch Rückstellungen bilden? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sämtliche Verlagschefs darauf pokerten, es werde irgendwann doch noch ein gegenteiliges Urteil fallen, und es unterließen, wie jede andere Branche auch, die von gesetzlichen oder sonstigen Änderungen betroffen ist, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Seit Frühjahr 2012 hätten Autoren mit dem gleichen Recht wie Verlage den Verlagsanteil in Software oder anderes investieren können, was in der Praxis natürlich nicht ging, denn das laut sämtlichen Urteilen den Urhebern zustehende Geld ging merkwürdigerweise weiterhin an die Verlage und nun entsteht durch Artikel wie diesen der Eindruck, einige von ihnen hätten sich davon in Versuchung führen lassen.
Man stelle sich einen Autor vor, der seiner Bank erklärt, da gebe es Geld, das ihm von Rechts wegen zustehe, und darauf einen Kredit haben will, den er erst dann zurückzahlt, wenn sich die VG Wort entscheidet, sich vielleicht doch der Rechtsprechung zu beugen. Verlage, die sechsstellige Summen investiert haben und damit rechneten, ihre Investitionen unter anderem mit fünfstelligen Geldern zu decken, die gerichtlich bereits anderen zugesprochen worden waren, verhielten sich nicht weniger absurd.
Das soll keineswegs ein persönlicher Vorwurf gegen Herrn Monse und sein Team sein, die sicherlich ihrer Überzeugung nach ihr Bestes getan haben und weiterhin tun, um den Verlag zu retten – denn wenn man die Berichterstattung liest, gewinnt man den Eindruck, als seien ALLE Verlage und dazu noch ein Großteil der Urheber den Versicherungen der VG Wort aufgesessen, der Gesetzgeber werde auf jeden Fall dafür sorgen, dass dreieinhalbfach gerichtlich festgestelltes vergangenes Unrecht doch noch zu Recht werde, und deshalb dürften die Verlage den Vorbehalt der Rückforderung getrost ignorieren.
Ich stimme vollständig zu, würde aber gerne noch die Frage stellen ob nicht langsam aber sicher auch ein Verfahren gegen die Leitung von VG Wort eingeleitet werden müsste, weil die ja doch durch die sichtlich rechtlich nicht haltbaren Verlage mögliche Erträge der Autoren vernichtet hat. Wie auch in dieser Insolvenz. Ich finde dafür müsste die Spitze von VG Wort persönlich haften.
Da kann ich nur sagen: Der Verlag scheint bei den vielen Aktivitäten (Selfpublishing für jedermann, Wissenschaftsverlag, gleich eine ganze Reihe verschiedener Verlage …) völlig verzettelt zu sein. Da fehlt deutlich erkennbar die Konzentration auf EIN Geschäftsfeld. Da wundert mich die Insolvenz nicht. Dazu noch die massiven Branchenveränderungen. Ich rechne damit, dass in den kommenden Jahren noch mehr Verlage die „Strukturveränderungen“ nicht mehr verkraften. Es findet kaum ein Umdenken statt – alles wird noch so gehandhabt wie vor der Zeit des Selfpublishings.
Die Frage ist für mich in solchen Fällen: Was wird eigentlich aus den Autoren? Können die ihre Rechte im Insolvenzfall eines Verlags zurückholen?
Nun ja wer auf beiden Seiten aller Straßen spielen will muss damit rechnen dass er überfahren wird.