Näher ran an den Vertriebspartner stationäres Sortiment: Mit dieser Vorgabe starten die Ratgeberverlage in den Büchersommer. Die eigens eingerichtete Arbeitsgruppe Sortiment, die sich aus Mitgliedern der im Börsenverein organisierten Ratgeberverlage rekrutiert, möchte mit folgenden Projekten die Zusammenarbeit intensivieren:
- Grundlagenarbeit: In Kooperation mit der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) wird eine Studie initiiert, die den Ratgeber und seine Positionierung im Buchhandel gründlich durchleuchtet. Die Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen.
- Missionarsarbeit: Mit einer Präsentation, die mit den Ratgeberverlagen abgestimmt ist, war Folkert Roggenkamp, Marketing- und Vertriebsleiter des Delius Klasing Verlags, am Wochenende als Referent Gast der Tagung des Arbeitskreises unabhängiger Sortimente (AkS) in Köln. Den Buchhändlern wurden von Roggenkamp frequenzsteigernde Inszenierungs- und Präsentationsbeispiele vorgeführt. Anschlussveranstaltungen sind derzeit in der Planung.
- Nachwuchsarbeit: Die Ratgeberverlage wollen mit dem Mediacampus Frankfurt zusammenarbeiten, um der kommenden Generation von Buchhändlerinnen und Buchhändlern die vielfältigen Möglichkeiten der Warengruppe schmackhaft zu machen.
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Wo noch Potenziale in der Beziehung zum Handel liegen und wo die größten Baustellen zu finden sind, erläutert BLV-Verlagsleiterin Antje Wolf (Foto) im Interview.
Was bringt der Ratgeber dem Handel?
Ich würde den Ratgeber als sichere Umsatzbank bezeichnen, vor allem, seit die Verlage durch den Druck der meist kostenlosen Internet-Informationskonkurrenz sehr viel investiert haben, um wirklich schöne, gut ausgestattete Titel in den Markt zu geben.
Dazu kommt die Tatsache, dass der Rat?geber nach wie vor sehr gut als Printprodukt funktioniert. Und durch einen interessanten Durchschnittspreis, der über etwa Belletristik oder Kinderbuch liegt, sichert er dem Händler einen erfreulichen Umsatz.
Wo liegen die größten Baustellen?
Nachdem Ratgeber längst die rein praktische Ecke verlassen haben und immer häufiger zum Lifestyle-Produkt werden, haben wir im Grunde eine luxuriöse Situation. Das Informationsbedürfnis der Leser ist ungebrochen. Durch gesellschaftliche Hype-Phänomene wie beispielsweise Urban Gardening oder die Do-it-yourself-Bewegung entstehen neue Zielgruppen. Die Verlage bieten Titel, die sich an den Erfordernissen des Marktes orientieren und die noch dazu immer attraktiver werden. Darüber hinaus halten die Ratgeberverlage eine solide Backlist vor, in deren Pflege investiert wird, weil eben diese Backlist zum einen ein „rundes“ Programm mit entsprechender Themenbreite für die Zielgruppe sichert, zum anderen hier aber auch eine ganze Reihe von echten „Brotartikeln“ für Handel und Verlag enthalten sind.
In der Praxis sieht es jedoch so aus, dass es von Seiten des Handels eine immer stärkere Konzentration auf Novitäten gibt. Die Geduld, Titel über einen längeren Zeitraum vorrätig zu halten, hat insgesamt deutlich nachgelassen. Oft werden auch Novitäten nur noch als Saisonartikel geführt, die mit Erscheinen der nächsten Vorschau retourniert werden. Ein Endverbraucher, der also auf der Suche nach einem bestimmten, nicht soeben erschienenen Thema ist, wird derzeit meist nur im Internet fündig.
Wie kann man gegensteuern?
Mit der immer dosierter präsentierten Backlist geht natürlich ein Verlust an Kompetenz einher, was bedauerlich ist, denn die meisten Buchhändler sind hervorragende Berater.
Wenn ein Endverbraucher aber wiederholt feststellt, dass er bestimmte Themen in seiner Buchhandlung nicht findet, wird er sein Geld perspektivisch anderswo ausgeben. Da hilft es auch wenig, dass jeder Titel bestellt werden kann, denn Ratgeber werden fast nie gezielt gekauft. Der Endverbraucher muss also im stationären Bereich sprichwörtlich verführt werden: Mit einer zielgruppengerechten Themenbreite und mit Warengruppen übergreifenden Präsentationen, die vom Kundenbedürfnis her gedacht und zusammengestellt sind. Denn Ratgeber brauchen das Liveerlebnis, da sie durch zahlreiche Ausstattungs- und Themenansatz-Facetten äußerst vielfältig sind. Wir als Verlag sehen uns hier in der Pflicht, entsprechende Paket- und Veranstaltungsangebote zu sichern, aber auch mit Informationen hinsichtlich Zielgruppen- und Trendentwicklungen zu unterstützen.
Gibt es noch Spielräume bei den Preisen?
Unbedingt – wenn die Ausstattung Entsprechendes bietet. Wir glauben, dass das Printbuch eine große Zukunft haben kann, vorausgesetzt, die Vorzüge des Produktes werden entsprechend präsentiert. Ein Beispiel: BLV bringt im Oktober einen luxuriösen Gartenband für 150 Euro, den wir bereits auf der Leipziger Messe vorgestellt haben. Dabei konnten wir die ermutigende Erfahrung machen, dass die meisten der Buchhändler diesen Preis für das Gebotene als eher zu niedrig beurteilt haben.
Mehr zum Thema sowie aktuelle Marktdaten des Ratgebersegments lesen Sie im aktuellen buchreport.express 21/2014 (hier zu bestellen).
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