Die Amazon-Konditionendebatte (hier im Dossier von buchreport.de vielfältig aufgegriffen) wird oft darauf verkürzt, dass sich mutige Verlagsgruppen mit eine gierigen Onliner anlegen. Die „New York Times“ bringt unter der Überschrift „Amazon, ein freundlicher Riese, solange man ihn füttert“ einen differenzierten Artikel, der zwar auch von ängstlichen Verlegern handelt, aber auch Autoren und Verlage in den Fokus rückt, die Amazons Errungenschaften in der Branche loben.
Zum konkreten Streit um Konditionen äußern sich im Artikel Amazons Kindle-Manager Russ Grandinetti und Hachette Book Group-Boss Michael Pietsch. Grandinetti drängt die Verlage, beim Pricing von E-Books nicht zu hoch anzusetzen, da sie sonst einen „Rutsch in die Irrelevanz“ auslösten. Bücher stünden heute nicht mehr nur im Wettbewerb zu anderen Büchern, sondern zum Videospiel Candy Crush, Twitter, Facebook & Co. Außerdem verweist Grandinetti darauf, dass Amazons Kindle der Branche zu einer „gesunden Transformation zum Digitalen“ verholfen habe, die „womöglich einzigartig im Mediengeschäft“ sei.
Pietsch hält dagegen, dass es Amazon nicht primär um niedrigere Preise für Bücher gehe, sondern um die eigene Marge. Als Beleg verweist Pietsch auf Amazons Zwist im buchpreisgebundenen Deutschland mit Bonnier. Amazon sei inzwischen verzweifelt, weil der eigene Aktienkurs abgerutscht sei, so Pietschs Erklärung.
Neben den vom Konditionenzoff betroffenen Akteuren lässt der Autor David Streifeld weitere Autoren und Verlage zu Wort kommen. Darunter Vincent Zandri, Autor von Mystery- und Spannungs-Romanen, die beim Amazon-Imprint Thomas & Mercer erscheinen. Vor einigen Jahren habe Zandri davon gelebt, dass er Flaschen gesammelt und gegen Pfand getauscht habe, heute könne er sich Fernreisen leisten – weil er bei Amazon so erfolgreich sei. Im Jahr verdiene er eine sechsstellige Summe, kürzlich habe ihm Amazon neben einem kostenlosen Kindle-Reader auch 30.000 Dollar Vorschuss für sein neues Buch gezahlt. Seine Bücher erschienen auch bei Amazon in Frankreich, Deutschland und Indien. Sein Fazit: Amazon sei das Beste, was Autoren seit Gutenberg passiert sei.
Zwischen beiden Polen, Kritikern und Liebhabern, angesiedelt sind zwei akademische Verlage, die im Artikel erwähnt werden. Bei Rutgers University Press lobt Chefin Marlie Wasserman, dass „Amazon den Regalplatz demokratisiert hat“. Gemeint ist, dass die verlagseigenen Titel zwar nur selten im Buchhandel angeboten würden, dies aber egal sei, weil der Verlag 72% der Erlöse (rund 3 Mio Dollar pro Jahr) mit E-Book-Verkäufen über Amazon erwirtschafte – den Shop, der alles anbiete. Blöd sei nur, dass man als Verlag mit Amazon nur via Web-Interface kommunizieren könne.
Weniger gelassen ist Karen Christensen von Berkshire Publishing. Zwar mache sie nur 15% des Umsatzes über Amazon. Aber sie wache jeden Tag, mit der Angst auf, Amazon könne neue Ansprüche stellen, die sie nicht erfüllen könne.
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