Der Buchhandel als Steigbügelhalter für das Schlachtross Amazon? – der „Kindle Storyteller Award“, bei dem Amazon u.a. mit Lübbe kooperiert, hat in der Buchbranche auch für kritische Stimmen gesorgt. Uwe Kullnick, Präsident des Freien Deutschen Autorenverbands und Vorsitzender in der Jury, die den Selfpublishing-Sieger kürt, verweist auf die Verdienste des Onliners und zeigt wenig Verständnis für Qualitäts-Argumente gegen Selbstverleger.
Hintergrund: Amazon sucht seit 1. Juli das beste deutschsprachige Buch eines Indie-Autors. Der Gewinner des „Kindle Storyteller“-Preises erhält einen Hauptpreis im Gesamtwert von 30.000 Euro. Zu den Kooperationspartnern gehört Kullnicks Freier Deutscher Autorenverband und das Nachrichtenmagazin „Focus“. Das Sieger-Buch soll bei Bastei Lübbe im deutschsprachigen Raum in gedruckter Form veröffentlicht werden – und spätestens dann setzt die Storyteller-Koalition auf den Buchhandel.
Heinrich Riethmüller, Osiander-Geschäftsführer und Vorsteher im Börsenverein, hat sich bereits wenig erfreut gezeigt, dass der Buchhandel in die Aktion einbezogen werden soll. Laut „Börsenblatt“ teilte Riethmüller Amazon mit: „Die Geschäftspolitik von Amazon, die darauf abzielt, die gewachsenen und sehr gut funktionierenden Strukturen des Buchhandels zu zerstören, sind überhaupt nicht dazu geeignet, das stationäre Sortiment für Werbeaktionen Ihres Hauses zu gewinnen.“
Uwe Kullnick äußert sich auf Indie Publishing wiefolgt zur Debatte:
„Der Freie Deutsche Autorenverband hat eine fast hundertjährige Tradition als Schutzverband deutschsprachiger Schriftsteller. Nun kann man sich auf seiner Vergangenheit, den großen Autorennamen und seiner bisherigen Welt ausruhen oder aber die Herausforderungen der Gegenwart annehmen.
Wir als Bundesverband, und da schließe ich unsere Landesverbände ausdrücklich mit ein, haben uns schon vor einer ganzen Weile entschlossen, uns für Selfpublisher, also von Verlagen unabhängige Autoren, zu öffnen und damit zur Liberalisierung des Literaturgeschehens in der Bundesrepublik beizutragen.
„PUBLIKATIONSSCHUB FÜR NEULITERATEN“
Amazon Kindle vor allem, aber auch andere Plattformen, ermöglichten weltweit einen Publikationsschub für Neuliteraten, die in ihrer Bedeutung einer neuen Alphabetisierungswelle ähnelt. Menschen schreiben, die früher nie die Chance gehabt hätten, ein Buch zu veröffentlichen. Und Menschen lesen, die früher kein Buch in die Hand genommen hätten. In beiden Gruppen sind es vor allem junge Menschen, die sich nun brennend für das Medium Buch interessieren, sogar anstatt ihrer zuvor beliebteren Medien Musik, Film und Video.
Die Klage derer, die ihren traditionellen Markt gefährdet sehen, sehe ich, kann sie aber nicht verstehen. Es wird das Qualitätsmerkmal hoch literarischer Texte eingefordert und dabei auf die natürlich bei den Selfpublishern auch vorhandenen Schwächen, wie vor allem mangelndes Korrektorat und Lektorat, verwiesen. Doch es geht vorwärts und es wird immer weniger Platz für ungerechtfertigten Dünkel in dieser Beziehung geben.
Oder wollen wir wirklich über die Qualität und Wahrhaftigkeit der Geldbringer der Verlage aus dem Esoterik- und Alternativmedizinbereich sowie die der Seelenklempner- und Pseudoberaterbücher streiten, die in den großen Buchhandlungen einen riesigen Bereich beanspruchen, nur weil sie Zeitgeisterscheinungen sind, Geld bringen und weil die Menschen diese nachfragen?“
Dr. Uwe Kullnick ist Präsident des Freien Deutschen Autorenverbandes (FDA) und leitet die Redaktion der literarischen Verbandszeitschrift „Literábiles“. Außerdem ist er Herausgeber beim Literatur Radio Bayern. Als Vicepresident bei Siemens Communications hat er die ganze Welt bereist, die Eindrücke sind die Basis für zahlreiche Kurzgeschichten. Kullnick ist Vorsitzender der Kindle Storyteller Jury.
Indie Publishing gibt einen Überblick über zentrale Entwicklungen auf dem Selfpublishing-Markt sowie Markt der unabhängigen Verlage. Das Angebot soll Brücken bauen zwischen den Indies und Buchhandlungen, Verlagen und sonstigen Multiplikatoren. Kernbestandteil ist der Indie Katalog, in dem unabhängige Verlage und Autoren ihre aktuellen Titel gegenüber dem Handel bewerben können.
Indie Publishing ist ein Angebot von buchreport.
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