Behindert das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VlB) indirekt den Vertrieb kleinerer Verlage? Hintergrund: Die Börsenvereins-Wirtschaftstochter MVB nutzt die von den Verlagen eingestellten Titeldaten nicht nur im eigenen Shop Buchhandel.de, sondern verkauft die Rohdaten auch an Shop-Betreiber wie Marktführer Amazon. Das dürfte häufig im Sinne der Verlage sein, die auch von diesem Vertriebsweg profitieren wollen.
Verlage, die keine direkte Geschäftsbeziehung zu Amazon pflegen, weil sie etwa dessen Konditionenpolitik mit sehr hohen Rabatten und Gebühren für nicht auskömmlich halten, haben allerdings ein Problem: Es kann passieren, dass Amazon ihre vom VlB bezogenen Titel zwar anzeigt, aber nicht besorgt und deshalb als „derzeit nicht verfügbar“ ausweist. Diese Praxis kann Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang zufolge auch nicht unterbunden werden. Zu dem zutreffenderen Hinweis „bei Amazon nicht verfügbar“ dürfte der Onliner aus Imagegründen nicht bereit sein.
„Nicht verfügbar“ wird oft als „nicht lieferbar“ verstanden, und das ist für betroffene Verlage besonders bitter, denn Buchkäufer nutzen die Amazon-Datenbank auch für die Einkaufsrecherche bei anderen Händlern und auch mancher Buchhändler bibliografiert dort. „Machen Sie es wie schon viele Kolleginnen und Kollegen und recherchieren häufig bei Amazon?“, fragt etwa der AkS in seiner aktuellen VlB-Umfrage.
Die Praxis des Verkaufs der VlB-Daten an Online-Marktführer Amazon hat jetzt der Wetzlarer Kleinverleger Peter Grosshaus (Büchse der Pandora, Anabas Verlag) moniert, der das VlB für die Vermarktung seiner Bücher hoch schätzt, aber keinen Wert auf die Weitergabe der Daten an Amazon legt, zumal Grosshaus häufig zur Händlerinformation auch vorläufige Texte und Abbildungen seiner Bild- und Grafikbände ins VlB stellt, die im Rahmen von VlB-Optimierungen mittlerweile in Echtzeit an Amazon und andere Lizenznehmer weitergegeben werden.
Grosshaus hat gegenüber dem Börsenverein die juristische Grundlage für den MVB-Datenhandel hinterfragt, wurde aber von Justiziar Sprang beschieden, dass die Weitergabe den Einstellbedingungen entspreche. Die in den MVB-Geschäftsbedingungen versteckte Klausel soll künftig aber offensiver an VlB-Kunden kommuniziert werden. Mehr Kommunikation über das VlB formuliert Verleger Grosshaus jetzt als allgemeines politisches Ziel: „Bei meinen Recherchen habe ich erfahren, dass vielen Kollegen und auch beim Bösenverein-Landesverband die VlB-Geschäfte weitgehend unbekannt sind.“
Ist Herrn Sprang denn ein Urteil eines deutschen Gerichts bekannt, das den Unterlassungsantrag abgewiesen hat? Unser Verlag möchte gegen die wettbewerbswidrige Praxis von Amazon vorgehen. Schließt sich jemand an?
Dr. Ulrich Andryk
Info@andryk-Verlag.de
Hallo an alle Leser,
ist denn vielleicht jemandem bekannt, ob sich seit Veröffentlichung des Artikels oben (2010) mittlerweile (Sammel)Klagen gegen die geschilderte Irreführung ergeben haben oder andere Mittel gegen diese geschäftsschädigende Formulierung irgendeinen Erfolg erwirkt haben – wie beispielsweise Unterlassungsaufforderungen oder ähnliches?
Faktisch ist dies eine Irreführung. Auch wir erhalten immer wieder Informationen, dass sich Kunden für die Literatur anderer Verlage entschieden haben, weil sie auf der konkreten Suche nach UNSEREN Büchern über Amazon lesen können, dass unsere Bücher derzeit nicht verfügbar sein, was wie oben beteits von anderer Seite beschrieben annehmen lässt, sie seien über den regulären Buchhandel nicht verfügbar.
Kann MVB beim Verkauf von Verlagen kostenpflichtig bereitgestellter Daten nicht belangt werden, wenn diese Daten geschäftsschädigend genutzt werden?
MVB sollte als Verkäufer von Daten seiner Kunden an Amazon sicherstellen können, dass der Lieferbarkeitsstatus bei denen eindeutig ist – z.B. Derzeit hier (oder bei uns) nicht verfügbar – alles andere ist irreführend. Amazons Vorgehensweise will VlB Kunden damit zu einem Verkauf über Amazon fast zwingen- den können sich kleine Verlage z.B. für Buchkunst aber nicht leisten. Sorry, so ist es schlicht ein gewisser Missbrauch unserer Daten, die wir dem vlb anvertrauen und dafür zahlen. Wir könnten Amazon auch nicht zwingen, unsere Daten rauszunehmen, so kann man wenigstens erwarten, dass Irreführung unterbunden wird!
Wir (ein kleiner Verlag für Buchkunst) jedenfalls haben uns darüber sehr geärgert – und das geht auch anderen so! Amazon ist für MVB ein guter Kunde, klar, aber wieso eigentlich allmächtig?!
Übrigens, auch Büchhändler wissen das oft nicht und gehen von „Nicht lieferbar“ aus. Ganz schöner Mist!