Buchmesse bedeutet viele individuelle Gespräche und Geschäfte. Die Folie bilden 10 große Themen.
1. Buchpreise: Die auseinanderklaffende Schere
Was der richtige Preis für Bücher ist, steht stärker in der Diskussion denn je. Bei gedruckten Büchern gleichen moderate Preiserhöhungen von im Schnitt 20 Cent dankbar die Absatzrückgänge im Handel aus (nachzulesen im buchreport.express 41/2013), während Marktforscher empfehlen, für E-Books mehr Anreize zu setzen und die Papierwelt-Preise um 40% zu unterbieten. Eigene Kalkulationen der Selfpublisher und digitale Kleinformate lassen die Schere weiter auseinandergehen. Mit welchen Auswirkungen für Kalkulation und Preisgefühl der Kunden?
2. Filialisten: Das richtige Maß
Schließen und Verkleinern – nach der überhitzten Expansion haben die Filialisten kräftig auf die Bremse getreten (mehr dazu im buchreport-Dossier zum Thema). Von Halbierung der Buchhandelsfläche, die als markantes Sanierungsziel im Raum stand, ist die Branche noch weit entfernt, gleichwohl ist in diesem Herbst von Konsolidierung die Rede. War’s das? Eher eine Atempause, die der Mietvertragssituation, der differenzierten Bewertung von Standort zu Standort geschuldet ist und den Optionen, das richtige Maß zu finden. E-Book-Dynamik, Multichannel-Realitäten, Ergänzungssortimente und die Entwicklung des Kerngeschäfts dürften weiter für Anpassungsdruck sorgen.
3. Handel: Das gewachsene Selbstbewusstsein
Nicht nur die Ketten reduzieren, auch im Standortbuchhandel schreitet die Marktbereinigung mit geschätzt 100 Geschäftsaufgaben im Jahr fort. Ordentliche Frühjahrsumsätze, ein kritisches Medienecho für den großen Wettbewerber Amazon und eine positive Entwicklung der Indies im Trendland USA haben allerdings das Selbstbewusstsein vieler unabhängiger Sortimenter gestärkt. Hierzulande haben Ideen aus Übersee den Aufbau des Buy Local-Vereins befeuert, dem unter Federführung von Buchhändlern mittlerweile 220 Einzelhändler angehören, davon 40% aus anderen Branchen (mehr dazu im buchreport-Dossier). In Tübingen, Singen, Lüneburg, Kiel und Berlin treten Händler zusammen auf, um Kunden lokal zu binden.
4. Finanzierung: Kollekte bei der Crowd
Der Erfolg von Crowdfunding-Portalen à la Kickstarter – wo im vergangenen Jahr 15 Mio Dollar für Buchprojekte eingesammelt wurden – hat nicht nur den Buchhandel (in den USA starteten in Not geratene Sortimenter Sammelaktionen), sondern auch Autoren und Verlage auf neue Ideen gebracht: In Großbritannien lässt der Verlag Unbound sein Buchprogramm von der Community bezahlen. In Deutschland testet De Gruyter den US-Service Unglue, bei dem die Nutzer vergriffene Titel „freikaufen“ können. Jüngster Vorstoß ist die Crowdfunding-Plattform „100 Fans“ von der Münchner Verlagsgruppe. Im Vergleich dazu erfolgt die Geldkollekte bei Bastei Lübbe auf klassische, wenn auch für die Buchbranche ungewöhnliche Weise: Das Kölner Verlagshaus feiert pünktlich zur Buchmesse sein Debüt an der Frankfurter Börse.
5. Amazon Publishing: Onliner wird Verleger
In den USA hat Amazon längst die letzte Lücke in der eigenen Buch-Wertschöpfungskette geschlossen: Besonders in der Genreliteratur ist Amazon Publishing eine große Hausnummer. Auch in Deutschland setzt der Verlag des Onliners seit Jahresanfang immer stärkere Akzente: Zu den ersten größeren Aktivitäten gehören Übersetzungen aus dem US-amerikanischen „Amazon Crossing“-Programm ins Deutsche, die teilweise zu Schleuderpreisen angeboten werden. Bestsellerautoren wie Hugh Howey, Jon Krakauer und Jeff Jarvis sind Teil der Vorhut der Münchner Amazon-Dependance, doch bald dürften auch deutsche Autoren folgen. Denn seit September arbeitet der frühere Suhrkamp– und DuMont-Lektor Laurenz Bolliger für Amazon.
6. Selfpublishing: Auf dem Weg zu Multikulti
Spätestens mit der Digitalisierung und dem Einstieg von Amazon (Kindle Direct Publishing) ist Selfpublishing aus der Schmuddelecke in Richtung Mainstream gerückt, flankiert von einigen Vorzeige-Bestsellerautoren. In diesem Jahr vermischen sich die Märkte zunehmend: Verlage wie Carlsen, Egmont, Cornelsen und Kamphausen docken eigene Selfpublishing-Projekte an. In Gegenrichtung orientiert sich der Selfpublishing-Anbieter Bookrix an klassischen Verlagsservices und zahlt aussichtsreichen Autoren Vorschüsse. Mehr dazu im buchreport-Dossier zum Thema.
7. Nonbook: Zwischen Plüschbär und Mozart
Die Hoffnung, die Delle im Kerngeschäft mit Plüschbären, Klangschalen und Teekannen füllen zu können, ist bei vielen Buchhändlern Ernüchterung gewichen. Doch gerade auf großen Flächen sind die Nichtbücher zum Buchhandelsalltag geworden und das Ringen um die passende Ergänzung. In jüngster Zeit ist ein kleiner Trend zum Medienhaus zu erkennen, das bisher vor allem von DVDs getragen wurde. Hoffnungsvoll stimmen nicht nur bei Thalia jüngere Erfahrungen mit Musik-CDs: Libri bietet Buchhändlern neuerdings eine Komplettlösung für den CD-Verkauf an, Wettbewerber KNV kündigt einen Ausbau seines Angebots in diesem Bereich an. Die andere Schiene heißt Spielwaren und müsste sich im kommenden Weihnachtsgeschäft bewähren.
8. Allianzen: Das große Zusammenrücken
Das drohende Amazon-Monopol bringt Konkurrenten zusammen: Die Bereitschaft zu Allianzen ist bei Verlagen und Händlern groß wie nie. Auf internationaler Ebene fusionieren Random House und Penguin zur größten Publikumsverlagsgruppe der Welt. In Deutschland denken die dtv-Gesellschafter Ganske-Gruppe, Hanser, C.H. Beck und Oetinger über konzernähnliche Synergien nach. In der Schweiz machen die Buchhandelsketten Thalia und Orell Füssli gemeinsame Sache. Prominentestes Zusammenrücken hierzulande ist die Tolino-Allianz aus Thalia, DBH, Bertelsmann und Telekom, die gerade mit dem Börsenverein darüber verhandelt, auch kleinere und mittlere Sortimenter in das Boot zu holen, das auf Gegenkurs zu Amazon hält.
9. E-Book: Kompakt und global
Weltweit experimentieren Verlage mit Formaten, Geschäftsmodellen und Vertriebswegen für digitale Inhalte. So findet das von Amazon in den USA hoffähig gemachte Singlesformat auch hierzulande Nachahmer. Das Prinzip: Mit kompakten E-Books schneller auf aktuelle Themen reagieren. Die Herausforderung: Gleichzeitig stürmen Presseverlage auf das digitale Spielfeld, um ihre Stoffe zweitzuverwerten.
10. Change: Die richtigen Köpfe
Die Veränderungen in der Buchbranche werden nur sehr eingeschränkt als Aufbruch wahrgenommen, weil alte und neue Geschäftsmodelle kollidieren und es auffällt, wenn buchhändlerische Schaufenster zugeklebt werden. Das ideale Thema für die Buchmesse: Wie gelingt der Branche auf dem Frankfurter Jahrmarkt Fantasie zu wecken, die im Change dringend benötigten Talente außerhalb der traditionellen buchaffin-lesefreudigen Klientel zu finden?
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