2010 war die Personalfluktuation in der Buchbranche leicht rückläufig, hat Kurt Kettembeil beobachtet. Der Personalberater spricht offen über risikoscheue Kandidaten und eine stark selbstbezogene Branche.
Die Branche ist im Umbruch: Wie groß ist die Chance, die richtigen Leute zu finden?
Das ist immer ein komplizierter Dialog, hat aber nichts mit dem jetzt gefühlten Umbruch zu tun: Die Herausforderungen sind gar nicht neu, weil es immer Unternehmen gibt, die beispielsweise technisch vorn oder sonstwie innovativ sind. Auch die Digitalisierung der Branche ist ein langjähriger Prozess. Es gibt Unternehmen, die ganz vorn dabei sind und ihre Prozesse komplett umgebaut haben, und solche, die in dieser Hinsicht hintendran sind, was übrigens keine Aussage über die jeweilige Rendite ist.
In der Personalberatung muss man entsprechend beim Anforderungsprofil und bei den Kandidaten sehr fein segmentieren. Die richtigen Leute zu finden, ist manchmal Knochenarbeit, aber bisher noch immer gelungen. Eine Herausforderung: Die Wechselbereitschaft ist geringer geworden.
In Personalmeldungen finden sich häufiger Hinweise auf persönliche Gründe. Werden Führungskräfte immobiler?
Ja, das ist ein echtes Problem. Dem Karriereschritt zu verantwortungsvolleren Aufgaben oder finanzieller Verbesserung stehen jetzt häufiger Hemmnisse entgegen. In Krisenzeiten sinkt die Risikobereitschaft, etwas Neues anzufangen. Manchmal ist es auch Lethargie nach dem Motto „Ich fühle mich im Unternehmen wohl“ oder „Nicht schon wieder eine Umstrukturierung“. Oft ist es aber auch das private Umfeld, das bremst, wenn mit dem Aufstieg ein Ortswechsel verbunden ist.
Ein Wertewandel Richtung Familie?
Zumindest können Männer nicht mehr davon ausgehen, dass ihre Partnerinnen mitziehen. Fast noch kritischer als klassische Ehen und Familien sind die loseren Verpartnerungen. Da heißt es dann: „Wenn ich Dir etwas wert bin, bleibst Du hier.“
Und weibliche Führungskräfte?
Ihre Wechselbereitschaft ist nicht groß, sie machen eher Karriere im Unternehmen.
Wie attraktiv ist die Buchbranche für Seiteneinsteiger?
Die Verlagsbranche verliert an Attraktivität, weil sie zu viel jammert. Verlage müssen klarmachen, dass ihr Geschäftsmodell Zukunft hat. So kocht die Branche in sich selbst. Lediglich bei der Fachinformation kommen hin und wieder Experten ohne Verlagshintergrund zum Zuge.
Im Buchhandel besteht zwar grundsätzlich die Erkenntnis, dass man Know-how aus dem übrigen Einzelhandel gut gebrauchen könnte, schon was Freundlichkeit und Beratung anlangt. Aber in der Praxis werden Seiteneinsteiger oft wieder rausgebissen.
Die Fragen stellte Thomas Wilking
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