Die Entscheidung kam spät, aber nicht überraschend. Stimmen aus der Presse zur Absage der physischen Frankfurter Buchmesse 2020.
- „Die Frankfurter Buchmesse wird ‚ohne Aussteller‘, aber mit ‚Ideen für neue Handlungsansätze‘ stattfinden. Was heißt das? Kann sie sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen?“, fragt Mark Siemons in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die Entscheidung sei folgerichtig und kehre gar die „Rangordnung“ der Messe um, meint er: „Das Beiwerk zum Geschäft, der kulturelle Überbau mit all seinen Lesungen und Diskussionen, wird in der Digitalversion der Messe zur Hauptsache.“
- Was hält die Messe, die in diesem Jahr ein „virtuelles Rauschen“ ist, zusammen?, fragt Marc Reichwein in der „Welt“. „Und wer von auswärts wird zu so einer ‚Nicht-Messe‘ fahren?“ und fragt gar: „Ob die Messe je wieder so groß sein wird, wie sie es lange war – wer weiß das schon?“
- „Wer braucht überhaupt noch Buchmessen?“, fragt Andreas Platthaus provokant in der „FAZ“. Die Absage der Messe sei der „letzte Schritt eines Kommunikationsdesasters“ gewesen – und eines „Machtspiels“. „Seltsamerweise dachte man in Frankfurt, das Fernbleiben all der in diesen Konzernen vereinten Verlage machte nichts aus, solange man deren Zusicherung hatte, sich am virtuellen Messeprogramm zu beteiligen. Das war ein Affront gegen die kleineren Verlage. Die reagierten anders als in Frankfurt erwartet: Statt sofortiger Standbuchungen kamen Absagen, auch von Verlagen aus der Stadt“, schreibt er. „Geistermessenatmosphäre war garantiert, weil es für eine Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse keine Signalwirkung seitens der Verlage gab.“ Er schließt: „Genauso richtig wäre es gewesen, gleich auch auf Frankfurt zu verzichten. Der (Über-)Mut der Ausrichter, im Angesicht der Pandemie Flagge zu zeigen, rächt sich jetzt in Gestalt eines riesigen Defizits und des Imageschadens durch die späte Absage. Dazu wird es künftige Umsatzverluste geben, weil nun erkannt werden dürfte, wie leicht eine Messe geschäftlich zu ersetzen ist. Ein Lesefest im Netz dagegen ist Nonsens. Das ist Leipzigs Chance. Auch Frankfurt will mit vielen Lesungen etwas Messeflair retten.“
Erweiterung um Musikmesse?
- Die Frankfurter Messegesellschaft nährt in der „Frankfurter Rundschau“ unterdessen weitere Pläne, Buch- und Musikmesse im kommenden Jahr parallel stattfinden zu lassen, man sehe durchaus Synergien, wie Sprecher Hendrik Müller-Giegler zitiert wird. So solle die Buchmesse vom 20. bis 24. Oktober 2021 und die Musikmesse vom 22. bis 24. Oktober 2021 auf dem Frankfurter Messegelände stattfinden. Die beiden Messen sollen die Hallen untereinander aufteilen und das Freigelände, die Agora, gemeinsam nutzen.“Wenn es tatsächlich so käme, wäre das ein komplett falscher Ansatz“, kritisiert der Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt Joachim Unseld. Die Verlage benötigten einen „ruhigen Austausch“ und nicht noch mehr Rummel auf dem Messegelände. Die Flächen dort könnten „nicht noch mehr Besucher ertragen“, heißt es in der „FR“. Er warnt: „Die Frankfurter Buchmesse könnte so ein Auslaufmodell werden“.
- Zu der Einschätzung, dass die Messe nicht an Stellenwert einbüßt, kommt Marie Schmidt in der „Süddeutschen Zeitung“, die die Sehnsucht nach einer physischen Messe bei der Verlagen eingefangen hat, auch, wenn diese in diesem Jahr nicht möglich sei. „Die Lizenzgeschäfte und Gespräche zwischen Agenten, Literaturscouts, Verlegerinnen und Lektoren ziehen sich nun schon über ein halbes Jahr lang per Videokonferenzen über den ganzen Globus. Und ihre Leserinnen und Leser erreichen Bücher und Autoren vielleicht bequemer im Buchladen um die Ecke, per Videolesung und digitaler Vermarktung. Damit diffundiert nun aber das internationale Ereignis Frankfurter Buchmesse in das Gewirr von virtuellen Kanälen und lokalen Mini-Öffentlichkeiten, aus denen das kulturelle und wirtschaftliche Leben zu Corona-Zeiten sowieso besteht.“
buchreport hat alle Artikel zur Frankfurter Buchmesse zusammengefasst.
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