In der kommenden Woche trifft sich die Börsenvereins-Arbeitsgemeinschaft Publikumsverlage in München zum Jahresauftakt der Branche. Ihr Vorsitzender Joachim Unseld sieht in der Digitalisierung die größte Herausforderung für die Verlage.
Was beschäftigt die Publikumsverlage am Anfang des Jahres 2010?
Neben den Themen Urheberrecht und der Rechteverfolgung im Internet, die uns schon seit einigen Jahren beschäftigen, ist sicher die Entstehung der digitalen Welt die größte Herausforderung für die Verlage. Durch die neuen Entwicklungen stellt sich drängend die Frage, ob es den Verlagen gelingen wird, mit neuen Geschäftsmodellen überhaupt noch einen Platz in den Wertschöpfungsketten zu finden. Wir denken immer noch analog, müssten aber digital handeln. Vielleicht müssen wir unser Geschäft völlig neu begreifen lernen und uns stärker als Inhaltelieferanten für verschiedene Medien verstehen, um in Zukunft noch gebraucht zu werden.
Beschleunigt die Entwicklung auch die Konzentration in der Verlagslandschaft?
Das wissen wir nicht, weil wir die digitale Welt noch nicht ausgelotet haben. Vielleicht wird sie gerade den Kleinen, Flexiblen neue Chancen bieten. Der Blick auf den brutal umkämpften E-Book-Markt in den USA nährt aber tatsächlich die Befürchtung, dass nur wenige große Marktteilnehmer partizipieren werden.
Was muss der Verband tun?
Wir versuchen ja bereits, das System Libreka weiterzuentwickeln und zu empfehlen. Die ganze Diskussion um Libreka zeigt zwar einerseits, dass unsere Branche mit der digitalen Welt, vorsichtig formuliert, noch etwas fremdelt. Aber gerade deshalb ist es besonders wichtig, erst einmal technisches Know-how zu generieren, und dabei hilft Libreka insbesondere den kleinen Verlagen sehr.
Sind die kleinen Verlage auch die großen Verlierer der Wirtschaftskrise?
Im Grunde hat die Wirtschaftskrise uns nicht wirklich erwischt, wie die Umsatzzahlen aus dem Buchhandel zeigen. Aber dadurch, dass jeder die Krise als reservatio mentalis im Hinterkopf hat, ist sie trotzdem spürbar. Wenn der Buchhandel fürchtet, in Zukunft mit schmaleren Renditen auskommen zu müssen, trifft das vor allem die kleinen Verlage, die intelligente Bücher machen, aber nicht die Vertriebsmacht haben, sie im Handel durchzusetzen.
Was würden Sie sich vom Handel wünschen?
Als Verleger beobachten wir, dass sowohl den Autoren als auch den Lesern vor allem Inhalte wichtig sind, im Handel aber viel mehr Wert auf Äußerlichkeiten wie die Umschlaggestaltung gelegt wird. Ich würde mir wünschen, dass auch im Handel wieder mehr über Inhalte gesprochen wird.
Joachim Unseld ist Verleger der Frankfurter Verlagsanstalt und hat sich vor Kurzem von seinem 20%-Anteil an Suhrkamp getrennt. Seit 2004 ist er Vorsitzender der Börsenvereins-Arbeitsgemeinschaft Publikumsverlage. Auf deren Treffen am Donnerstag kommender Woche in München will er nicht wieder für dieses Amt kandidieren.
aus buchreport.express 2/2010
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