Die Erwartungen an die umsatzstärksten Wochen des Jahres hängt der Buchhandel tiefer, um bestenfalls eine positive Bescherung zu erleben.
Der Meteorologe Jörg Kachelmann hat im SPIEGEL über zu frühe Vorhersagen des Weihnachtswetters gelästert – das sei bis Mitte Dezember „völlig sinnlos“. Etwas nebeliger und etwas ratloser als in früheren Jahren fallen auch die Prognosen des Handels zum Weihnachtsgeschäft 2022 aus, vor allem wegen der angesichts steigender Kosten sparsam blickenden Kunden und der insgesamt hohen Inflation. So rechnet der Handelsverband HDE einerseits nominal (also mit den gestiegenen Preisen) mit einen Umsatzplus von über 5%, andererseits aber preisbereinigt mit einem Minus von 4% im Vergleich zum Vorjahr.
Von buchreport befragte unabhängige Buchhändler hängen ihre Erwartungen tief, kalkulieren eher Umsatzrückgänge ein. Aber sie sehen auch Hoffnungsschimmer, weil sie bereits in den vergangenen Wochen „Schlimmeres befürchtet“ hatten und weil sie darauf spekulieren, dass Bücher als erschwingliche Geschenke Höherpreisiges verdrängen und die Wunschzettel mit neuen Konsolen und Smartphones eher auf Wiedervorlage 2023 gelegt werden.
Buchhändler dämpfen ihre Advents-Zuversicht
„Gregs Tagebuch“ war das meistverkaufte Buch der vergangenen Woche und signalisiert damit alle Jahre wieder, dass der Jahresendspurt beginnt. Aber ganz so wie immer ist es beim 17. „Greg“-Band diesmal nicht. Die Nachfrage an den Starttagen war schon um einiges schwächer als in den Vorjahren – vielleicht nur, weil Baumhaus/Lübbe den neuen Band der Bestseller-Reihe diesmal eine Woche früher (und damit im gefühlten Spätsommer) an den Start geschickt hat, vielleicht aber auch, weil die seit Längerem abkühlende Buchkonjunktur den Umsatztrend allwöchentlich unters Vorjahresniveau drückt.
Und so mäandert auch die Stimmung im Buchhandel in diesen Tagen zwischen abwartend und der in vergangenen Corona-Krisenjahren eingeübten gedämpften Zuversicht. Das zeigt eine aktuelle buchreport-Umfrage in überwiegend kleineren, unabhängigen Buchhandlungen. Von den Umfrageteilnehmern haben zwar zwei Drittel im bisherigen Jahresverlauf weniger umgesetzt als 2021, bewerten ihre Geschäftslage aber dennoch derzeit überwiegend mit „befriedigend“ (Tabelle 1).
Tabelle 1: Wie bewerten Sie Ihre gegenwärtige Geschäftslage? | |||||
Unternehmensumsatz in € | |||||
alle | bis 0,5 Mio | bis 1 Mio | ab 1 Mio | ||
sehr gut | 3% | 3% | 2% | 8% | |
gut | 27% | 23% | 27% | 33% | |
befriedigend | 55% | 57% | 59% | 42% | |
schlecht | 14% | 16% | 11% | 17% | |
sehr schlecht | 1% | 2% | 2% | 0% | |
buchreport-Umfrage, gerundete Werte |
Besser als befürchtet
Es ist letztlich eine Frage der Erwartungen – und die sind nicht sehr hochgesteckt, zeigen typische Einlassungen im Rahmen der Umfrage:
- „Gemessen an den schwierigen Bedingungen wegen Ukraine-Krieg, Inflation und hohen Energiekosten sind wir mit den bisherigen Umsätzen noch zufrieden.“
- „Ich hatte Schlimmeres befürchtet.“
- „Das Kaufverhalten ist verhaltener als üblich, aber besser als erwartet.“
- „Im Moment sind wir noch auf Vorjahres-Niveau: Wir halten die Luft an.“
Immer wieder heißt es, die Kunden seien unsicher, sparsamer, kauften wenn, dann sehr gezielt. Immerhin sorgt die Stammkundschaft, so ist herauszuhören, für eine gewisse Stabilität, aber Laufkunden sind rar und spontane Käufe gibt es wenig, auch Beratung sei kaum gefragt.
Kein Plus im Finale
Gemessen an den Erwartungen an die kommenden Wochen kann auch das Weihnachtsgeschäft eigentlich nur noch positiv überraschen (Tabelle 2):
Tabelle 2: Wie wird das Weihnachtsgeschäft im Vergleich zum Vorjahr? | |||||
Unternehmensumsatz in € | |||||
alle | bis 0,5 Mio | bis 1 Mio | ab 1 Mio | ||
massiv schlechter (–10% u. mehr) | 7% | 9% | 5% | 6% | |
deutlich schlechter (–5% bis –10%) | 20% | 23% | 22% | 11% | |
etwas schlechter (bis –5%) | 38% | 32% | 41% | 42% | |
unverändert (±1%) | 28% | 30% | 25% | 28% | |
etwas besser (bis +5%) | 5% | 5% | 3% | 8% | |
deutlich besser (+5% bis +10%) | 2% | 1% | 2% | 6% | |
kräftig steigend (+10% u. mehr) | 0% | 0% | 2% | 0% | |
buchreport-Umfrage, gerundete Werte |
- Fast zwei Drittel rechnen auch im diesjährigen Finale mit anhaltendem Umsatzrückgang.
- Nur 7% kalkulieren mit einem Plus.
In der Tendenz sind größere Buchhandlungen etwas optimistischer gestimmt als kleine, aber insgesamt sind die Erwartungen überwiegend tiefer gehängt als bei vergleichbaren Weihnachtsumfragen in den ja auch nicht immer krisenfreien Vorjahren.
Gutes Programm, ausbleibende Kunden
Eine Grundlage für ein ordentliches Weihnachtsgeschäft ist durchaus vorhanden: Das Buchangebot passt, wird in der Tendenz von vielen Buchhandlungen als positiv bewertet. Auch in einer ersten buchreport-Umfrage im September hatten die positiven Programm-Bewertungen überwogen.
Sorgen bereiten ausbleibende oder missgelaunte Kunden (Tabelle 3):
Tabelle 3: Schmerz- und Pluspunkte: Wie bewerten Sie … | ||||
positiv | normal | kritisch | ||
… das Buchangebot | 42% | 51% | 6% | |
… die Kundenstimmung | 13% | 44% | 43% | |
… die Kundenfrequenz | 8% | 38% | 53% | |
buchreport-Umfrage, gerundete Werte |
- 53% der Umfrageteilnehmer sehen die Kundenfrequenz kritisch.
- 43% bereitet die Kundenstimmung Sorgen.
Hoffnung ruht auf Nachfrage nach kleinen Geschenken.
Auf die offen gestellte Frage, was denn fürs Weihnachtsgeschäft Hoffnung macht, wird immer wieder aufs gute Programm verwiesen und den Mix an populären Titeln. Vor allem aber hoffen viele Buchhändlerinnen und Buchhändler sogar ein Stück weit von der allgemeinen Krisenstimmung profitieren zu können – weil die Geschenke in diesem Jahr womöglich kleiner ausfallen. Weil Bücher nicht oder nur als bescheidener Luxus gelten. Herausgestrichen wird, dass trotz aller Preissteigerungen Bücher preiswert sind und im Vergleich zu anderen potenziellen Geschenken als „erschwinglich“ gelten:
- „Kleinpreisige Geschenke waren schon immer in Krisenzeiten gefragt.“
- „Große Geschenke sind für viele Menschen nicht mehr möglich.“
- „Für ein, zwei Bücher ist immer Geld da.“
- „In unruhigen Zeiten bietet das Buch Stabilität, Verlässlichkeit, Ablenkung, Wertigkeit, ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis und ist ein persönliches Geschenk.“
Die Hoffnung geht namentlich dahin, dass höherpreisige Elektronik in Zeiten größerer Sparsamkeit in den Hintergrund rücken könnte:
- „Da es für die großen Sachen wie Elektronik vermutlich nicht genug Geld gibt, werden voraussichtlich mehr Bücher verschenkt.“
- „Wir hoffen, dass eher zum Buch statt zur teuren Konsole gegriffen wird.“
Buchhandelsumfrage November 2022
buchreport hat vom 14. bis 16. November eine Buchhandelsumfrage durchgeführt, an der sich auf E-Mail-Aufforderung online mehr als 310 Buchhandlungen beteiligt haben.
Die Teilnehmer setzten sich so zusammen:
- 62% sind kleinere Buchhandlungen mit bis zu 500.000 Euro Jahresumsatz.
- 22% setzen 0,5 bis 1 Mio Euro um.
- 11% bewegen sich in der Umsatzklasse ab 1 Mio Euro.
- 4% machten zur Unternehmensgröße keine Angabe.
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