Hiroshi Sogo über den japanischen Buchfilialisten Kinokuniya
Die Größe ist völlig uninteressant
Auf 6000 qm bietet Kinokuniya in Dubai mehr als 200.000 Bücher an.
Die Buchbranche ist weltweit im Umbruch. Deutsche Verleger und Buchhändler orientieren sich meistens Richtung Westen und in den angloamerikanischen Sprachraum, wenn sie wissen wollen, wie sich die internationale Buchhandelslandschaft entwickelt. Doch auch in anderen Teilen der Welt werden erfolgreich Bücher verkauft und tragfähige Buchhandelskonzepte umgesetzt. In Japan zum Beispiel, wo Kinokuniya viel mehr kann, als die obligatorischen Manga in millionenfachen Stückzahlen zu verkaufen.
Als nicht an der Börse notiertes Unternehmen legt Kinokuniya seine Geschäftszahlen nicht offen. Die einzige Ausnahme ist der Umsatz: Umgerechnet 889 Mio Euro haben die 90 Filialen (26 davon außerhalb Japans) 2013 in die Kasse gebracht, 1% weniger als ein Jahr zuvor. Damit gehört Kinokuniya zu den weltweit größten Vollbuchhändlern.
Verantwortet wird das Auslandsgeschäft (bis auf die USA) von Hiroshi Sogo (Foto), einem Kinokuniya-Veteranen, der schon seit 25 Jahren im Unternehmen ist. Bei Sogo steht aktuell E-Commerce ganz oben auf der Agenda: Während die US-Filialen einen eigenen Online-Shop haben, hat der Online-Verkauf in den anderen Regionen bislang nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Das soll sich laut Sogo jedoch bald ändern. Ein von Singapur aus gesteuerter Online-Auftritt gehört zum Ambitioniertesten, das Kinokuniya bislang angepackt hat: Unter dem Dach der 2013 gemeinsam von Kinokuniya und Innovation Network Corporation of Japan (INCJ) gegründeten AsianBasics Corporation baut er eine E-Commerce-Plattform für den südostasiatischen Markt auf, die voraussichtlich im August live geschaltet wird.
Umgerechnet mehr als 11 Mio Euro haben die beiden Partner für die Plattform bereitgestellt, die außer Printbüchern und E-Books in Englisch, Japanisch, Chinesisch und lokalen Sprachen auch Nonbook-Produkte wie zunächst z.B. Schreibwaren verkaufen wird. Die Stoßrichtung ist klar: Kinokuniya, will sich im südostasiatischen Raum und darüber hinaus als Gegenspieler zu Amazon etablieren, der bislang nur in Japan und China präsent ist. Sogo: „Wir haben den Vorteil, dass wir in diesen Märkten bereits als Markenname etabliert sind und schon online verkaufen, wenn auch in kleinem Rahmen.“
Der Buchhandel steht weltweit unter Druck. Wie ist der Status quo in Japan aus der Sicht von Kinokuniya?
Es ging dem Buchhandel schon besser, aber es gibt keinen Grund zur Panikmache. Anders als der Dodo werden Buchhandlungen nicht aussterben. Dass die Buchpreise in Japan wie in Deutschland gebunden sind, ist ein stabilisierendes Element. Wir sehen bei E-Books, was mit freien Preisen passiert. Amazon und Kobo liefern sich heftige Preisschlachten und verkaufen häufig bis zu 70% unter dem empfohlenen Ladenpreis. Eigentlich sind auch sie verpflichtet, bei Online-Verkäufen Mehrwertsteuer von 8% zu kassieren, aber sie versuchen diese Vorgabe trickreich zu umgehen, was mittlerweile das Finanzministerium auf den Plan gerufen hat.
Wie hoch ist aktuell der E-Book-Anteil in Japan am Buchumsatz?
Es gibt nur wenig konkrete Zahlen, aber er liegt irgendwo zwischen 3% und 5%. Das ist noch nicht wirklich hoch, aber die Tendenz ist deutlich steigend, nicht zuletzt wegen der massiven Werbekampagnen, die Amazon und Kobo fahren.
Sie saßen neulich im Rahmen der London Book Fair auf dem Podium, als internationale Buchhändler über die Buchhandlung der Zukunft in Zeiten des Umbruchs diskutierten. Wie sieht sie aus Ihrer Sicht aus?
Die Größe ist völlig uninteressant. Egal, ob 300 qm oder 6000 qm, Kundenbindung steht ganz oben, wenn es nicht sogar das zentrale Thema ist. Eine gute Buchhandlung ist wie ein Theater, nur dass auf der Bühne Bücher stehen. Der Buchhändler, und zwar jeder Einzelne im Team, ist der Direktor, der die Vorstellung inszeniert.
Und der Kunde ist das Publikum?
Ja, denn er stimmt mit den Füßen ab und honoriert nur die besten Auftritte mit seiner Anwesenheit. Wenn wir es nicht schaffen, Kunden zum Wiederkommen zu animieren, haben wir etwas falsch gemacht. Als Buchhändler muss ich nicht nur ständig hinterfragen, was funktioniert und was verbesserungswürdig ist, ich muss sofort entsprechend handeln, auch als Filialist. So viel Flexibilität muss sein.
Wie definieren Sie einen gelungenen Auftritt?
Wir haben letztes Jahr in Japan 100 Bücher, japanische und internationale Literatur, anonym in weißes Papier eingepackt und außen nur zwei Zeilen vom Inhalt abgedruckt. Die haben wir dann im Eingangsbereich hoch gestapelt und selbst gestaunt, wie schnell die Stapel abgeräumt waren. Wir haben diese Bücher nicht nur tonnenweise verkauft, sondern wurden von den Medien überrannt, sogar das Fernsehen hat darüber berichtet. Viele Kunden sprechen uns heute noch begeistert auf die Idee an, die von einem unserer Buchhändler stammt.
Der Ist-Zustand der internationalen Buchketten und ein Porträt von Kinokuniya sind ein Schwerpunkt in der August-Ausgabe des buchreport.magazins, das hier zu bestellen ist.
In Singapurs exklusivster Shopping Mall an der Orchard Road ist Kinokuniya seit 1999 auf 4000 qm vertreten.
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