Die Einführung des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes (UrhWissG) sorgte von Anfang an für großen Protest in der Branche, der Börsenverein hatte erfolglos gegen das Vorhaben gekämpft. Die Hauptkritikpunkte sind der zu 15% freie Basiszugang für wissenschaftliche Publikationen und eine lediglich pauschale Vergütung statt der von Verlagen entwickelten Lizenzmodelle (zum Hintergrund s. Kasten).
Das Wissenschaftsurheberrecht
Die Bundesregierung hatte 2013 im Koalitionsvertrag ein „bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht“ verabredet. Das 2018 in Kraft getretene „Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft“ (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, UrhWissG) sieht u.a. vor, die für die Bibliotheksnutzung (Semesterapparate, Leseplätze, Kopienversand) relevanten Urheberrechtsparagrafen 52a, 52b und 53a zu streichen. Sie werden mit weiteren Schrankenvorschriften (also gesetzlich erlaubten Werknutzungen, denen die Rechteinhaber nicht zustimmen müssen) neu gefasst und erweitert. Vor der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 2018 wurde eine Rückholoption eingebaut: Auf Druck der CDU/CSU wurden die zentralen Regelungen für Unterricht und Wissenschaft zunächst bis Ende Februar 2023 befristet. Die Regelungen sollten vier Jahre nach Inkrafttreten der Reform evaluiert werden.
Kernpunkte
Das „Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft“ (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, UrhWissG) ist am 1. März 2018 in Kraft getreten. Das Gesetz wurde als eines der letzten der Legislaturperiode verabschiedet, im September 2017 wurde es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Kernpunkte:
- Zur Veranschaulichung von Unterricht und Lehre an Bildungseinrichtungen dürfen bis zu 15% eines Werkes vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zugänglich gemacht und wiedergegeben werden. Abbildungen, Beiträge aus Fach- und wissenschaftlichen Zeitschriften, Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke dürfen ganz genutzt werden. Schulbücher sind von den Regelungen ausgenommen.
- Für die nicht kommerzielle wissenschaftliche Forschung dürfen bis zu 15% eines Werkes genutzt werden; für die eigene wissenschaftliche Forschung wird die Vervielfältigung von 75% eines Werkes erlaubt.
- Bibliotheken dürfen ihren Nutzern zu nicht kommerziellen Zwecken Vervielfältigungen bis zu 10% eines Werkes sowie einzelner Zeitschriftenbeiträge ermöglichen.
- Eine pauschale Vergütung oder eine repräsentative Stichprobe der Nutzung für die nutzungsabhängige Berechnung der angemessenen Vergütung genügt mit wenigen Ausnahmen.
- Der Anspruch auf Vergütung kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.
Für etwas Hoffnung bei betroffenen Verlagen sorgte zuletzt eine im Gesetz eingebaute Befristung der zentralen Regelungen, um die Auswirkungen auf den Buchmarkt zu evaluieren. Doch dies ist jetzt mit der von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Urheberrechtsreform vom Tisch: Denn der Gesetzgeber hat in diesem Zuge auch die vorzeitige Entfristung der sogenannten „Wissenschaftsschranke“ beschlossen, was der Börsenverein als „verfehlt und verfassungsrechtlich zweifelhaft” kritisiert.
Absatz und Umsatz gedruckter Lehrbücher ging zurück
Die Kritik: Ursprünglich habe der Gesetzgeber die Befristung bis 2023 ausdrücklich angeordnet, um zu überprüfen, ob durch das Gesetz, wie vorab befürchtet, der Primärmarkt für wissenschaftliche Literatur kannibalisiert wird. Laut Börsenverein liegen inzwischen Daten vor, die einen „signifikanten Rückgang der Verkäufe“ belegten. Der Verband verweist auf das von ihm in Auftrag gegebene „Lehrbuch-Monitoring“, mit dem die Auswirkungen des UrhWissG messbar gemacht werden sollten.
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