Kein großstädtischer Buchmarkt ist seit Jahren so umkämpft wie Stuttgart. Jetzt hat das Bundeskartellamt zugestimmt, dass der marktführende Filialist Thalia die Pole-Position an der Königstraße besetzt. Der Stuttgarter Platzhirsch Wittwer wird übernommen, heißt dann bald Wittwer-Thalia und fortan ist die baden-württembergische Landeshauptstadt eine nahezu reine Filialistenarena:
- Wittwer-Thalia, Königstraße 30: 3100 qm (seit 1967/Umbau 2004/Thalia-Übernahme 7/2018)
- Osiander, Marktplatz 5: 700 qm (seit 6/2017)
- Osiander, Milaneo-EKZ: 516 qm (seit 2014)
- Osiander, Gerber-Quartier: 480 qm (seit 2014)
- Hugendubel, Dorotheen-Quartier: 400 qm (seit 6/2017).
Angesichts dieser Wettbewerbskonstellation (plus der Online-Wettbewerb durch Amazon) hat das Bundeskartellamt den Deal rasch durchgewunken. In der Vergangenheit hatte das Kartellamt die Buchhandelskonzentration ab 2006 an einzelnen Standorten kritischer bewertet und auch Übernahmen untersagt (s. hierzu einen buchreport-Überblick als PLUS-Beitrag).
Der Platzhirsch wurde gejagt
Den Stuttgarter Platzhirsch Wittwer hatte der Zuzug von Wettbewerbern in den zurückliegenden Jahren anhaltend in die roten Zahlen getrieben, angefangen mit der ambitionierten Hugendubel-Großflächeneröffnung 2008. Zwar wurde auch Hugendubel in der Nachbarschaft nicht glücklich und machte nach seinerseits verlustreichen Jahren 2015 seinen 4000-qm-Laden wieder dicht, aber Wittwer kam trotz der damit verbundenen leichten Erholung auf keinen grünen Zweig mehr, weil die kleinformatigeren Ansiedlungen von Osiander und erneut Hugendubel Umsatz kosteten. Hugendubel und Osiander haben damit letztlich Thalia unfreiwillig den Weg bereitet und müssen nun schauen, wie sie mit dem größten Konkurrenten zurecht kommen.
Der Wittwer-Niedergang heißt auch: Ein Selbstläufer wird der akquirierte Standort auch für Thalia-Boss Michael Busch nicht. Der Großfilialist kann zwar die Synergie-Effekte der Kette nutzen, aber weiß andererseits nicht, wie das Wittwer-Stammpublikum auf den neuen Eigner und die damit verbundene Kettenstandardisierung reagiert. Zumal Wittwer bis zuletzt mit zahlreichen Veranstaltung und anderen Kundenbindungsmaßnahmen die Latte hoch gelegt hat, auch wenn die erhoffte wirtschaftliche Wende am Ende ausgeblieben ist.
So oder so: Die Übernahme des Stuttgarter Buchhauses Wittwer durch Thalia-Kette markiert eine Zäsur in der Buchhandelsgeschichte: Die Zeit der großen inhabergeführten Solisten geht zu Ende (PLUS-Beitrag).
Ich hoffe nur, dass die Wittwer-Kunden, die mitdenken, nicht mehr dort bestellen werden, sondern bei den wenigen noch verbliebenen Kleinbuchhändlern. Denn auch dort kann alles bestellt werden! Die Devise lautet also: Anschauen ggfalls bei Thalia, jedoch bestellen in einer kleinen Buchhandlung!