Die deutschen Zeitungen warten heute mit nur wenigen Meldungen über die Buch- und Medienbranche auf – dafür beherrschen Nachrufe auf den amerikanischen Schriftsteller David Foster Wallace (Foto: flickr) die Feuilletons. „Seine Romane, Erzählungen und Essays gehören zum intellektuell und künstlerisch Verwegensten, was die moderne amerikanische Literatur in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat“, würdigt u.a. „Spiegel Online“ den Autor. Vergleiche mit James Joyce und postmodernen Klassikern wie Thomas Pynchon seien gezogen worden, um das wortmächtige, vielfach in sich verschachtelte Konvolut von Wallace-Werken zu charakterisieren, zu komplex und radikal seien viele Texte aus der Feder des Literaturwissenschaftlers erschienen.
Die „Neue Zürcher Zeitung“ meint, das Amerika mit Wallace eine markante literarische Stimme verliere: „Dieser Freitod wirkt wie ein Ausrufezeichen hinter einem Leben, das von Institutionen geprägt war, deren Wert in Amerika häufig pathetisch hochgehalten wird, deren kaschierte Brüchigkeit dem Nachwuchsautor indes schon früh den Stoff für Prosa von Rang lieferte.“ Auch die „Süddeutsche Zeitung“ glaubt, dass der Schriftsteller letztlich an der Eigenart der US-Gesellschaft zerbrochen sei: „So bestätigte er ein weiteres Mal die Kehrseite des amerikanischen Traums, denn wieder einmal hat ihn einer nicht ausgehalten. Hemingway war einer in dieser traurigen Stammtafel, Kurt Cobain und jetzt David Foster Wallace.“
Die „Frankfurter Rundschau“ findet es unheimlich, wie sehr sein persönliches Schicksal – nach der Akademikerfamilie, in der er aufgewachsen ist, nach Leistungssport, Drogen, Mathematik und Wortmonsterexistenz – die schrecklich amüsanten und genauen Gesellschaftsportraits seiner Romane und Erzählungen schließlich eingeholt habe, einholen musste.
Die „Welt“ schließlich lobt Wallace’s kompromisslose Wahrheits- suche: „Er war immer und überall auf die Wahrheit aus, die unverbrüchliche und ganze, die so kompliziert ist wie die Welt. In endlosen Sätzen und verwickelten Plots spürte er ihr nach – nicht, um es dem Leser schwer, sondern um es richtig zu machen.“ Wallace habe Gefühl gewollt, nicht Nihilismus, er habe Herzblut gewollt – und sich zugleich davor gefürchtet. „Dennoch hat er Autoren wie Jonathan Franzen und Jeffrey Eugenides den Weg geebnet – hin zu einer (vielleicht postpostmodernen) Literatur der Rekonstruktion, die sich auf nicht weniger als das Wahre, das Gute, das Schöne besinnt, statt, im besten Fall, das Falsche, das Böse, das Hässliche bloßzustellen.“
Spiegel online, „Neue Zürcher Zeitung“ (Seite 22), „Süddeutsche Zeitung“ (Seite 13), fr-online.de, welt.de , außerdem: standard.at
Bücher & Autoren
Henryk M. Broder: Abdruck der Dankesrede zum diesjährigen Hildegard-von-Bingen-Preis.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Seite 34)
James Meek: Der britische Journalist und Schriftsteller spricht mit dem „Spiegel“ über die Rolle des Reporters und die Suche nach Wahrheit im Krieg und meint, dass dieser auch „inspirierende Momente“ habe.
„Der Spiegel“ (Seite 175)
Medien & Märkte
Blockade im Streit über EU-Mehrwertsteuersätze: Auf ihrem informellen Treffen am Wochenende in Nizza lehnten rund die Hälfte der EU-Finanzministern die Vorschläge zur Ausweitung reduzierter Mehrwertsteuersätze auf bestimmte Dienstleistungen ab.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Seite 9)
Online
Werbeflaute in der Online-Werbung: Der Einbruch der Werbekonjunktur in Deutschland schlägt auf das Internet durch. Der Online-Werbemarkt ist 2008 ein gutes Stück hinter dem Wachstum des exorbitant guten Jahres 2007 zurückgeblieben.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Seite 17)
Szene
Kunst und Krimis per Klick: Die europäische Online-Bibliothek „Europeana“ soll demnächst an den Start gehen. Erstmals werden digitalisierte Bücher, Zeitungen, Fotos und Gemälde über ein einziges Portal zugänglich sein.
ftd.de
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