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»Kunden sind dankbar, dass wir da sind«

Standortbuchhändler legen zu und schneiden in der Coronakrise deutlich besser ab als der Filialbuchhandel. Im Lockdown waren die Einzelbuchandlungen eindeutig flexibler und haben den Kundenkontakt gehalten. Aber wieso ist der Vorteil auch nach der Wiederöffnung so groß? Im Mai und Juni hat der Standortbuchhandel mehr umgesetzt als im Vorjahr, während die Buchketten noch zweistellig hinter ihren Umsätzen von 2019 zurück bleiben…

Woran liegt das? Dieser Frage ist buchreport in seiner Titelgeschichte des buchreport.express 30 (23.7.) nachgegangen.

Tenor: Gestärkt aus der Krise. Hier geht es zum E-Paper, hier zum Online-Artikel br+

Der Analyse liegt eine große Umfrage im unabhängigen Buchhandel zugrunde. Ein Thema ist das veränderte Kundenverhalten, eine veränderte Wahrnehmung des inhabergeführten stationären Buchhandels. Viele Umfrageteilnehmer haben dies auch im Kommentarfeld ausgedrückt. Hier sind Auszüge:  

  • Insgesamt ist das Bewusstsein unserer Kunden für den Erhalt des örtlichen Einzelhandels deutlich gestiegen. Wir werden vermehrt gefragt, wie sie bestellen sollen/dürfen. Der Wunsch der Kunden, dass es uns auch in Zukunft gibt, wurde sehr deutlich. Wir haben die Kommunikation nicht grundlegend geändert, aber die Frequenz deutlich erhöht, vor allem auf Instagram deutlich mehr Stories veröffentlicht und die Buchhandlung während der Schließung so geöffnet.
  • Wir hören immer wieder von den Kunden, dass die großen Ketten einfach nur noch Abholstationen für Bücher werden und man nicht mehr gut beraten wird.
  • Die Kunden haben den persönlichen Bezug als schätzenswert erkannt.
  • Der „kleine“ oft etwas altmodische, aber nicht verrostete Buchhandel ist einfach viel flexibler als die Ketten. Wir „selbst & ständigen“ haben unsere Kunden auch noch um 23 Uhr per E-Mail erreicht und benachrichtigt, individuelle Alternativvorschläge gemacht, zum Ausfahren das Fahrrad gesattelt und, und, und… – das was wir halt auch meist schon vor Corona getan haben.

Kunden sind dankbar, dass wir da sind und da waren. Sie halten uns die Treue.

  • Viele frühere Kunden von Amazon haben jetzt erst gemerkt, dass man im Buchhandel Bücher bestellen kann und sie am nächsten Tag da sind…
  • Wir haben unseren Onlineshop immer schon sorgfältig gepflegt, aber während der Coronakrise wurde er nun endlich auch umfassend von den Kunden genutzt, inkl. einer  Neukundengewinnung über den Onlineshop. Wir verzeichnen weiterhin deutlich höhere Umsätze über den Onlineshop als vor der Coronakrise.
  • Unsere Kunden kommen verstärkt zu uns, da sie Angst haben, es könnte uns sonst nicht mehr geben.
  • Wir haben 1000 Postkarten verteilt mit den Kontaktdaten für unseren Lieferservice und den Online-Shop, außerdem haben wir unser Kundenmagazin vor die Tür gestellt, für alle zum Mitnehmen. Beides wurde sehr gut angenommen.
  • Wieder vermehrt heimische Kunden im Geschäft.
  • Wir sind verstärkt in den Fokus der Kunden geraten. Alle wollten unbedingt was tun, helfen, aber sie waren auch selbst bedürftig, hockten mit gelangweilten Kindern zuhause. Wir waren eine der ganz wenigen Abwechslungen, die möglich waren. Bücher, Lernhilfen, Spiele, Puzzle, wir haben geliefert wie verrückt und die Leute wollten das alles unbedingt. Beide Seiten hatten was davon. Kunden haben untereinander über uns gesprochen, vielen waren früher nie auf die Idee gekommen bei uns zu kaufen (zu klein, zu provinziell, was weiß ich…) und plötzlich nahmen sie uns wahr.
  • Mehr Menschen bestellen über den Web-Shop und holen es ab.
  • Kunden hatten Zeit, sich zu überlegen, was ihnen wichtig ist in einer Stadt und diese Gespräche haben wir auch intensiv geführt und positiv bestärkt, dass nur Orte mit „fittem“ und leistungsstarken Einzelhandel lebenswert und lebendig sind.

In den Fluren der Menschen, die wir beliefert haben, wurden auf Distanz tolle Gespräche geführt.

  • Frühere Amazon-Kunden haben sich nun entschieden, den lokalen Buchhändler zu unterstützen und bei uns bestellt. Wir haben dadurch etliche Neukunden bekommen.
  • Wir haben auf das Gespräch mit allen Kunden gesetzt. Wir haben den Buchladen weit offen gehalten und eine progressive Willkommens-Aussage kolportiert. Wir waren rund um die Uhr da und haben trotz Stress auf guter Stimmung bestanden. Wir haben gezeigt, dass wir etwas können, was Amazon nicht kann. Unsere Kunden haben das verstanden. Wir sind ein Team geworden, besser geht es nicht!
  • Wir haben ein paar Kunden neu dazugewonnen, die nicht mehr über das Internet bestellen wollen oder jetzt unseren eigenen Onlineshop nutzen. Was bei unseren Kunden sehr gut ankam, war die Belieferung nach Hause während des Lockdowns und das hat sich dann auch rumgesprochen.
  • Kunden, die das vorher nicht gekannt hatten, sind offensichtlich sehr beeindruckt und werden – zumindest bei uns – zu Wiederholungstätern.

Viele Menschen haben nach Jahren endlich verstanden, dass Buchhandlungen einen gut funktionierenden Onlineshop haben!

  • Der Kontakt mit den Kunden war während der Lieferperiode sehr schön! Alle haben sich gefreut, dass wir da sind und dementsprechend auch gerne bestellt.
  • Den Online-Shop hatten wir vorher schon, der Lockdown hat diesen aber geboostet. wie wir das mit anderen Aktivitäten nicht geschafft hätten. Und es bleibt auf auch einem guten Niveau.
  • Hier in Norddeutschland mit sehr vielen Touristen muss auch ‚mal ein Schnack und ‚mal ein Lächeln verteilt, aber auch eingesteckt werden. Und die Hinweise aufs Einhalten arbeitsrechtlicher Vorschriften und auf reelle, steuerliche Abgaben dürfen gezielt platziert werden!
  • Wir haben viele Neukunden gewonnen, die sich bewusst gegen Online-Händler und für den lokalen Einzelhandel entschieden haben.

Das Verhältnis zu den Stammkunden ist noch intensiver bzw. persönlicher geworden.

  • Kunden haben den Wert der Geschäfte für die Lebendigkeit der Städte wiederentdeckt. Wir haben seit dem Lockdown einen großen Zuwachs an Neukunden. Liegt sicher zum Teil an der vielen Werbung, die wir während des Lockdowns für uns gemacht haben, aber auch daran, dass Kunden vermehrt den lokalen Handel unterstützen möchten. Im Lockdown konnte man sehen, wie Städte aussehen, wenn es keine Geschäfte mehr gibt, das hat bei vielen Menschen ein Umdenken bewirkt. Zumindest für den Moment, ob es nachhaltig so bleibt, wird sich herausstellen.
  • Der Hauptgrund für das gute Abschneiden war neben unserem Lieferservice das Bewusstsein der Kunden, die sich wieder stärker regional orientieren und ganz bewusst den stationären Handel unterstützen wollten.
  • Weil wir guten Kundenkontakt haben, guten Service, vorher schon ausgeliefert haben und gut beraten können, haben die Kunden uns durch den Lockdown getragen: mit 25% mehr Umsatz.
  • Der benachbarte Filialist gibt sich große Mühe, Kunden zu vergraulen. Schlecht für die Kette, gut für mich. Viele sehen auch ein, dass mit den großen Ketten die Innenstädte veröden und hier bei uns vor allem noch die individuelle Beratung stattfindet und der bessere Service (Vorbestellungen, Überwachen von Serien usw.).
  • Wir waren während des Lockdowns und danach zu unseren „normalen“ Geschäftszeiten persönlich erreichbar. Die Konkurrenz hatte im Monat danach stark verkürzte Öffnungszeiten. Davon haben wir profitiert und einige Menschen danken es uns auch jetzt noch. Wir haben die Zeitungen mehrfach motivieren können, über uns zu berichten. Unsere Büchertipps wurden ebenfalls gerne veröffentlicht.
  • Ich denke die Kunden haben gemerkt, was sie an uns haben. In der Zeit, in der sich Amazon auf Hygieneartikel konzentriert hat und Bücher quasi links liegen blieben, sind die Kunden tatsächlich scharenweise auf unseren Onlineshop ausgewichen. Viele nutzen ihn nun auch weiterhin.
  • Das Bewusstsein der Kunden für die Vorteile des stationären Handels hat sich verbessert. Neben vielen Solidaritätsbekundungen durch unsere Stammkunden haben wir Kunden dazugewonnen, die früher grundsätzlich im Internet bestellt haben.

Kommentare

1 Kommentar zu "»Kunden sind dankbar, dass wir da sind«"

  1. Dies liest sich alles gut und schön – und dies alles können wir hier aus unserer Erfahrung heraus bestätigen. Aber eine andere Meldung im buchreport.express 30 war erwartbar und lässt noch weit übleres erahnen:

    Auf Seite 10 geht es aus Verlagssicht um die Zahlungsmoral der Buchhandlungen mit den Worten: „Das Zahlungsverhalten gilt bisher auch noch nicht als auffällig. Während kleine und mittelgroße Buchhandlungen pünktlich zahlen, drängen Ketten vermehrt zu einer Verlängerung des Zahlungsziels. Auch würden trotz verzögerter Zahlung die Konditionen für eine ursprüngliche Begleichung in Anspruch genommen.“

    Mit anderen Worten: Den ersten Teil der verzögert bezahlten Zeche einiger größerer Marktteilnehmer bei den Verlagen zahlen die kleineren Marktteilnehmer schlussendlich unmittelbar jetzt schon mit!!!

    Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln

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