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Die Kunst des Weglassens

Junge deutschsprachige Literatur hat Konjunktur, zahlreiche Debütanten sind in diesem Frühjahr in den Programmen der Buchverlage vertreten. Die Wege und Ziele dieser neuen Autoren stellt buchreport.de in einer Serie vor. Heute berichtet Elias Wagner (Foto) von der Entstehung seines ersten Romans „Vom Liebesleben der Mondvögel“(Hoffmann und Campe). 

© Jonas Merz

Mein Roman in drei Sätzen.
Es ist für mich vor allem ein Versuch gewesen, zu beschreiben, wie es sich anfühlt, gegenwärtig in einer voralpenländischen Region aufzuwachsen. Es geht um den Horror und den Zauber der Pubertät mit allem, was in dieser Zeit der Metamorphosen dazugehört, und es geht um Insekten. Das voralpenländische Bayern ist die optimale romantisch-morbide Kulisse für die Zeit der Pubertät, deren zentrale Topoi ja so ein diffuses Sich-sehnen, der Tod und die erste Liebe sind. Vielleicht ist mein Roman auch nur ein riskanter Versuch, den bereits von Oskar Maria Graf eindrücklich beschriebenen Kosmos ins Hier und Jetzt zu katapultieren, in ein modernes mediales Zeitalter.

Meine literarischen Vorbilder.
Jonathan Safran Foer, David Foster Wallace, Julio Cortázar, allesamt natürlich literarische Monster, die für mich Literatur aber immer als einen Kosmos definiert haben, der auf einer anderen Ebene schwingt als die sogenannte Realität.

Mein Weg zu Hoffmann und Campe.
Prinzipiell war der Weg eher klassisch über das Textwerk-Seminar am Münchner Literaturhaus und eine Agentur, die mich an Hoffmann und Campe vermittelt hat. Ich war immer eher in einer passiven Rolle. Für die Fertigstellung des Buches habe ich dann ein Urlaubssemester eingelegt. Das war das erste Mal, dass ich mich allein auf das Schreiben fokussieren konnte.

Was mein Lektor getan hat.
Es war ein sehr intensiver Schnelldurchlauf durchs Handwerk des Schreibens. Während der Zusammenarbeit hat sich auch der Stil herausgeschält, in dem ich das Buch dann schließlich erzählt habe, ein Ton für eine spezielle Gegend. Es war für mich auch so ein stilistischer Selbstfindungstrip. Und ich habe die Kunst des Weglassens erlernt, Aussparen von freien Flächen, in denen sich der Leser frei bewegen kann. Vorher war mein Schreiben wie das Beackern einer großen Fläche, auf der ich ein Schild mit der Aufschrift: Bitte nicht betreten! Nur zur Besichtigung aus der Ferne! aufgestellt habe, ohne es zu wissen. Jetzt gibt es – hoffe ich zumindest – Flächen im Textgewebe, in denen jeder seine eigene Geschichte weiterspinnen kann. Das gab es vorher nicht. Ich weiß, dass ich in Sachen Lektorat sehr großes Glück hatte. Das Buch hat die Zeit bekommen, die es gebraucht hat.

Gedruckt oder digital?
Ich lese nur gedruckt, da ich eine Art Fetisch für riechende Bücher besitze. Solange es wie bisher nur geruchsneutrale E-Books gibt, werde ich weiterhin ganz klassisch Bücher lesen.

Meine Lieblingsbuchhandlung.
Buchhandlung Frick am Graben in Wien. Ein Gefühl wie nach einem Urlaub, wenn ich eine Zeitlang darin herumgestöbert habe.

Der Literaturbetrieb.
Es ist das erste Mal, dass wir miteinander in Kontakt treten, der ominöse „Literaturbetrieb“ und ich. Ich mache mir da nicht so viel daraus, ehrlich gesagt. Das ist einfach eine weitere Parallelwelt in meiner Sammlung.

Mein Plan B.
Ich studiere Medizin, was allerdings kein Plan B für mich ist. Ich würde gern weiter zweigleisig fahren wie bisher.

Zur Person
Elias Wagner wurde 1987 in München geboren und wuchs am Starnberger See auf. Mit  16 Jahren gewann er den Schülerwettbewerb „Open Mike“, den das Literaturhaus München 2004 veranstaltet hat. 2008/09 nahm er am Textwerk-Seminar des Literaturhauses München teil. Seit 2007 studiert er Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Elias Wagner: Vom Liebesleben der Mondvögel
224 S., HoCa, 19,99 E,
ISBN 978-3-455-40356-5

Bislang sind in der Serie folgende Teile erschienen:  

Die komplette Serie lesen Sie im buchreport.magazin 3/2012 (hier zu bestellen)

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