Andreas Gessler präsentiert Bücher und Nonbooks in Themenwelten
Die Leute sind bequemer geworden
Andreas Gessler (Foto) hat das Konzept eines klassischen Sortiments aufgebrochen: In seiner Buchhandlung „Gessler 1862“ in Friedrichshafen hat er die übliche Aufteilung in Warengruppen zugunsten einer fließenden und vermischenden Präsentation in verschiedenen Themenwelten aufgegeben (zu sehen in der Bildergalerie am Ende des Artikels). Idee und Beweggründe erläutert er im Interview mit buchreport.
Warum haben Sie das klassische Konzept Buchhandlung aufgebrochen?
Ich musste für die Zukunft überlegen: Mache ich im klassischen Buchhandel weiter, schließe ich die Buchhandlung und vermiete das Ladenlokal – wie viele andere es machen – an Teppichhändler oder Matratzengeschäfte und habe dadurch eine abgesicherte Mieteinnahme oder versuche ich etwas Neues: Ich wollte ein Wohnzimmer machen, so wie ich es ja auch umgesetzt habe.
Was ist jetzt anders?
Vorher wussten unsere Kunden, wenn sie zu uns kamen, welches Buch sie kaufen wollten. Sie sind in die Buchhandlung gekommen und haben das Buch bestellt, haben aber selten gestöbert und neue Entdeckungen gemacht. Ich möchte, dass die Kunden jetzt reinkommen und sich umschauen, was wir an schönen Büchern und Nonbooks neu haben.
Ich lege nach wie vor großen Wert auf die Haptik eines Buches, auf schöne Bücher, also gebundene Bücher und auch Bildbände. Im Nonbook-Bereich lege ich ebenfalls Wert auf gute Produkte, nach Möglichkeit aus der näheren Umgebung.
Ich lebe von der Region und möchte der Region durch den Verkauf etwas zurückgeben. Auch im Café-Bereich habe ich darauf geachtet, dass hochwertige Möbel genutzt werden, dass alles harmonisch und schön ist und man sich wohlfühlt.
Warum funktioniert der „normale“ Buchhandel nicht mehr?
Die Leute sind bequemer geworden. Wenn Sie ein Buch haben möchten, dann wollen sie es gleich bestellen – und wählen den kurzen Weg ins Internet. Bei der Jugend ist das bereits sehr ausgeprägt.
Wie entwickeln sich die Segmente?
Der Taschenbuch-Bereich wird wahrscheinlich irgendwann einmal sterben, weil sich Geräte wie Kindle und iPad durchsetzen. Der Sachbuchbereich wandert vermutlich ins Internet ab, weil man dort schneller an aktuellere Informationen kommt.
In der normalen Belletristik liegt die Chance des empfehlenden Buchhändlers. Allerdings: Immer weniger Leute wollen so lange Texte. Die Jugend ist durch das Internet daran gewöhnt, nur noch ganz kurze Texte zu lesen.
Weist Ihr Konzept den Weg für den Buchhandel?
Es gibt nicht das eine Konzept und es wäre auch nicht witzig, wenn das jeder machen würde. Es ist ein durchdachter Versuch und natürlich eine Möglichkeit, die auch andere Buchhändler ausprobieren können. Man kann aber auch ganz andere Schlüsse ziehen.
Die Fragen stellte Christina Reinke
Mehr zum Konzept von „Gessler 1862“ lesen Sie im buchreport.magazin 10/2012 (hier zu bestellen).
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