Was können etablierte Medienhäuser von Start-Ups lernen? – Vor allem den „Lean“-Gedanken der schlanken und schnellen Prozesse. Was bedeutet das im Personalmanagement? Kerstin Schiefelbein, Geschäftsführerin beim Social-Media-Publisher Visual Statements, im Interview.
Kerstin Schiefelbein war bei Burda u.a. Head of Digital und Director Digital & Innovation , bevor sie zum Rocket Internet-Start-Up Glossybox wechselte (zuletzt als Managing Director). Seit April 2016 ist sie Geschäftsführerin bei Visual Statements, einem Social Media-Publisher, der auf (meist aus dem Internet stammenden) Bild-Text-Botschaften in Social Media und anderen Medien wie T-Shirts und Tassen spezialisiert ist.
Schiefelbein wird beim HR-Future Day der Akademie der Deutschen Medien und von Bommersheim Consulting am 17. März 2017 in München das Thema HR in Start-Ups ausführen. Hier weitere Infos zur Veranstaltung.
Visual Statements ist ein junges Unternehmen an einem Standort, Freiburg, der Ihnen sicherlich nicht immer genügend Fachkräfte liefert? Was sind Ihre größten Herausforderung im Bereich HR?
Kerstin Schiefelbein: Visual Statements ist in der komfortablen Lage, dass wir bisher immer sehr passende Profile finden konnten. Es ist eher die Recruiting-Geschwindigkeit, mit der man im Start-up zu kämpfen hat. Ein rasantes Wachstum, dessen Dimension sich oftmals schwer planen lässt, stellt uns immer wieder vor die Herausforderung Kapazitäts- und Kompetenzengpässe zu bewältigen. Wir haben jedoch auch schon sehr früh auf die Situation reagiert und einen weiteren Standort in Berlin etabliert. Unser Hauptsitz ist in Freiburg. Beide Standorte haben ihre Vorteile hinsichtlich der Verfügbarkeit von Ressoucen im Markt. In Freiburg decken wir sehr gut den Content- und Creativbereich ab. In Berlin finden wir leichter Marketingprofile und auch erfahrene Mitarbeiter im E-Commerce-Bereich.
Was bieten Sie ihren Mitarbeitern, so dass die nicht nur gerne zu Ihnen kommen, sondern auch gerne bleiben?
Als Social Media-Publisher bieten wir ein interessantes Arbeitsumfeld, das auch trendy ist. Grundsätzlich beobachte ich hier die selben Präferenzen, wie auch in meiner Zeit in Medienhäusern: Die Bereitschaft für eine tolle Marke zu arbeiten und den Erfolg mitzugestalten, ist ein Magnet. Viele Mitarbeiter sind schon lange auch in unserer Fanbase und identifizieren sich sehr stark mit unseren Marken. Das bindet sie intrinsisch ans Unternehmen. Gleichzeitig, und das ist sicher einfacher im Start-Up abzubilden, bieten wir große Gestaltungsfreiräume. Alle sind angehalten, Ideen einzubringen und haben die Chance eigene Projekte auch zu verwirklichen. Unsere Entscheidungswege sind ja sehr kurz und unsere Innovationsgeschwindigkeit sehr hoch. Das merken unsere Mitarbeiter dann auch, wenn wir im Gespräch mit unseren Geschäftspartnern sind, zu denen auch Medienhäuser und Buchhandelsketten gehören, wie wir uns hier in Sachen Schnelligkeit und weniger komplexen Prozessen deutlich abheben.
Gleichzeitig bieten wir unseren Mitarbeitern auch innerhalb des Unternehmens eine Perspektive, an den jeweils anderen Standort zu wechseln, und wollen damit auch zukunftsgerichtet die Fluktuation eindämmen. Wir stellen immer mehr fest, dass es Mitarbeitern wichtig ist, auf Veränderungen in der privaten Lebenssituation reagieren zu können. Dies scheint mittlerweile einen höheren Stellenwert als nur Gehalt zu haben.
Ihre Produkte sind vermehrt auch im Buchhandel zu finden, Sie stehen im Kontakt zu den großen Filialisten. Wie erleben Sie diese zwei Welten?
Das ist richtig. Seit diesem Jahr sind wir mit unserem Sortiment auch im Buchhandel zu finden. Dies hatte auch eine gewisse Vorbereitungszeit, in der wir die Prozesse der „anderen Seite“ verstehen gelernt und auch unsere Prozesse daran anpassen mussten. Bisher waren wir ja ausschliesslich im B2C-E-Commerce Geschäft tätig. Ich denke, dass es immer ein Abenteuer ist, wenn sich das Geschäftsmodell auf weitere Bereiche ausdehnt, ich stelle aber auch fest, dass es uns als Unternehmen in vielen Bereichen weiterbringt und uns auch zwingt bestimmte Strukturen zu schaffen, und damit zu professionalisieren, welche wir sonst evt. erstmal nicht in Angriff genommen hätten. Wir profitieren als kleines und noch junges Unternehmen somit sehr stark von so einer Zusammenarbeit auch abseits des reinen Geschäftsmodells. Umgekehrt haben wir jedoch beispielsweise eine Partnerschaft mit einem Grußkartenverlag, wo wir einen regelmäßigen Austausch in Form von Workshops organisieren und unsere Teams Erfahrungen und Kenntnisse austauschen. Hier bringen wir viel von unserer Art Innovationsmanagement zu betreiben ein und lernen vor allem Produktionsprozesse kennen.
Was können etablierte Medienhäuser grundsätzlich von Start-Ups lernen?
Das ist eine sehr schwierige Frage, da sie sehr vielschichtig ist. Meine Beobachtung ist, dass der Innovationsgedanke in jungen Unternehmen viel stärker in der DNA verankert ist und mit hoher Priorität verbunden ist. Dies geschieht vor allem in weniger komplexen Strukturen und ist damit mit einer anderen Dynamik verbunden, die sich sehr motivierend und positiv auf die Unternehmenskultur auswirkt. Ich denke, dass hier ein sehr guter Ansatzpunkt für Medienhäuser wäre, von jungen Unternehmen zu lernen und zu adaptieren oder sogar zusammen zu arbeiten.
Was sind die größten Herausforderungen im Zusammenhang mit Teams, denen Sie sich als Managerin eines Start-ups gegenüber sehen?
Wir bei Visual Statements, wie sicher auch andere Start-Ups, stehen eigentlich jeden Monat aufs Neue vor der Herausforderung, die Organisation zu verändern und Strukturen und Prozesse aufzubauen und einzuführen. Dies hängt zum einen mit einer stark wachsenden Organisation zusammen und mit den sich permanent ändernden Bedingungen. Man könnte fast sagen, dass man Monat für Monat ein anderes Unternehmen hat. Gleichzeitig versucht man eine konstante Unternehmenskultur aufzubauen und zu etablieren. Employer Branding steht hier bei uns auch ganz weit oben. Den Bedarf an Management, war ich, selbst viele Jahre Führungskraft in einem Medienhaus, nicht gewohnt und habe hier auch sehr viel in den letzten Monaten dazu lernen müssen. Hinzu kommt, dass viele Mitarbeiter selbst noch sehr stark entwickelt werden müssen und das Thema Personalentwicklung oftmals aus Zeit und Kostenaspekten heraus nicht so professionell z.B. in eigens dafür entwickelten Weiterbildungsprogrammen betrieben werden kann, wie man das aus einem Medienunternehmen gewohnt ist. Ich empfinde die Management-Anforderungen in einem Start-Up oftmals als sehr viel spannender, aber auch fordernder, als ich sie in vergleichbarer Position im etablierten Medienhaus erlebt habe.
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