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Die Montagsrede der Ministerin

Die „Berliner Rede“ der Justizministerin hat die „Dritter Korb“-Debatte eröffnet. Für die Buchbranche fällt die Beurteilung der Grundsatzrede zwiespältig aus.

Wenn ein Politiker hehre Grundsätze beschwört, nennt man das eine „Sonntagsrede“. Wenn ein Auto zwar fährt und ganz gut aussieht, aber ärgerliche kleine Fehler aufweist, spricht man von einem „Montagsauto“. Die „Berliner Rede zum Urheberrecht“ von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kann man mit einigem Recht als „Montagsrede“ charakterisieren, und zwar nicht in erster Linie, weil sie zufällig tatsächlich an einem Montag gehalten wurde.

Da klang vieles durchaus gut. Und angesichts der vielfältigen öffentlichen Kritik am Urheberrecht ist grundsätzlich schon anerkennenswert, dass die Ministerin sich zu dessen Grundsätzen bekennt. Zumal, da mit dem „Dritten Korb“ eine Reform ins Haus steht, bei der an zentralen Stellschrauben des Urheberrechts gedreht werden wird.

Absage an eine fundamentale Umdeutung

Dieses Bekenntnis ist weniger selbstverständlich als man glauben könnte, denn auch in der seriösen wissenschaftlichen und politischen Diskussion gibt es seit Jahren ernstzunehmende Fundamentalkritik am System des Urheberrechts. Was auf Kreative und Verlage zukommen könnte, zeigt exemplarisch ein Diskussionspapier, das der Hamburger Justizsenator Till Steffen im März lanciert hat und in dem er für ein „nutzerorientiertes Urheberrecht“ plädiert.

Solchen grundlegenden Umdeutungsversuchen hat die Ministerin immerhin eine Absage erteilt und stattdessen die Interessen der Urheber in den Mittelpunkt gestellt. Beim Börsenverein wird man mit besonderer Genugtuung zur Kenntnis genommen haben, dass auch allen Ansätzen zur Diskussion einer sogenannten Kulturflatrate die Grundlage entzogen ist.

Auch die Aufnahme des Kampfes gegen Internetpiraterie ins „Dritter Korb“-Projekt war keine Selbstverständlichkeit: Als im vergangenen Jahr die damalige Justizministerin Brigitte Zypries einen Fragebogen mit „Prüfbitten“ zum „Dritten Korb“ an die Vertreter von Künstlern und Kreativindustrie verschickte, war darin vom Vorgehen gegen die illegalen Downloads noch keine Rede.

Fast abfällige Bemerkungen über Verlage

Aber wie das so ist mit ärgerlichen Fehlern: Sie können auf Dauer vieles verderben. Und für die Gefahr, dass es Buchautoren und -verlegern mit dem „Dritten Korb“ so ergehen wird, kann nach der „Berliner Rede“ keine Entwarnung gegeben werden.

Nicht nur, weil man sich schon ärgern darf über die fast abfälligen Bemerkungen der Ministerin über Buchverlage als „Werkvermittler“, denen sie „keine Schonräume schaffen“ wolle für „Geschäftsmodelle, deren Zeit abgelaufen ist“. Von einem Bewusstsein für die wichtige Rolle der Verlage beim Entdecken, Ermöglichen und Erarbeiten von Literatur und Sachinformationen zeugen solche Sätze nicht. Das alarmiert die Wissenschaftsverleger, denen ein existenzieller Konflikt über die künftigen Rahmenbedingungen für den sogenannten Open Access bevorsteht.

Abgesehen davon bleibt skeptisches Staunen über den merkwürdigen Widerspruch, dass die Ministerin Warnhinweise für Urheberrechtsverletzer ankündigt, aber nur, wenn sich „dies technisch ohne eine Inhaltskontrolle und Datenerfassung realisieren ließe“. Wie soll das gehen? Nicht nur in dieser Frage werden wohl erst die ersten Ar­beits­entwürfe für den „Dritten Korb“ zeigen, was von der „Montagsrede“ der Ministerin übrig bleibt.

David Wengenroth

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