Die Lust der Deutschen aufs Land und Naturnähe ist ungebrochen. Ein gutes Trendbarometer ist das Zeitschriftenregal im Supermarkt. Immer mehr einschlägige Zeitschriften buhlen um Leser. Auch im Buchhandel ist der Trend im Frühjahr unübersehbar: Büchertische und Schaufensterdekorationen rücken die Schwerpunkte Natur, Tiere, Garten in den Blickpunkt und lassen das Landlust-Gefühl weiter sprießen.
Wer Zweifel hat, muss sich nur die aktuellen Verkaufszahlen der Trend-Zeitschrift „Landlust“ vor Augen führen, die seit 2005 nur einen Weg kennen: Nach oben. Auch im vergangenen Jahr war die sagenhafte Erfolgsgeschichte des Gummistiefel-Titels aus dem Münsteraner Landwirtschaftsverlag nicht aufzuhalten: Im 4. Quartal 2012 kletterte die Zahl der verkauften Exemplare auf 1,06 Mio, sagenhafte 19,5% mehr als im vergleichbaren Zeitraum 2011.
Wohnzimmertaugliche Landlust-Gefühle
Dass auf dem Land vielfach eher Frust angesagt ist, weil die Landwirtschaft unter Druck steht, viele junge Leute in die Städte abwandern und die Bevölkerung zunehmend überaltert, findet in den Sehnsuchtsmagazinen übers Landleben nicht statt. Auch in den Büchern wird die Schollen-Nostalgie eher wohnzimmertauglich dargestellt, denn Erfolg hat, was (positiv) gefällt. Und da ist die Richtung vorgegeben, sagt Christian-Geschäftsführer Clemens Hahn: „Der Markt für Themen rund um das Land und damit das einhergehende Lebensgefühl wächst. Abseits der ,urbanen Welt‘ gibt es Buchthemen zuhauf, die sich zurück zu den Wurzeln begeben, um Nachhaltigkeit und Ursprünglichkeit drehen.“
Die Entwicklung im Ratgebermarkt ist uneinheitlich, die Themen Hobby/Haus, Essen und Trinken sowie auch die Warengruppe Natur/Garten/Haustiere gehörten aber 2012 zu den gut nachgefragten. Unter den Verlagen, die den Landlust-Trend bedienen, ist die Stimmung deshalb ziemlich positiv. „Stabil bis leicht wachsend“ lautet durchgehend der Tenor in den Verlagen, die damit die Umsatztrendanalyse bestätigen. Und die meisten sehen sogar weiteres Wachstumspotenzial, wenn alles passt: „Man braucht das richtige Buch zum passenden Zeitpunkt“, verweist Brandstätters Vertriebsleiter Horst Grabensberger auf die Grundlagen des Geschäfts.
Alle Ratgeberverlage treibt die Suche nach „ihrem“ Heiligen Gral um, sprich, einen Trend zu erkennen und ihn rechtzeitig mit den passenden Büchern zu begleiten:
- „Gemacht werden Trends ganz klar in der Praxis. Unsere Aufgabe besteht darin, den Markt zu beobachten und zu prüfen, welche Themen das Zeug dazu haben, sprichwörtliche Dauerbrenner zu werden,“ sagt BLV-Verlagsleiterin Antje Wolf.
- „Trends kann man nicht machen, sondern man muss sie rechtzeitig ,riechen‘. Dabei hilft die fortwährende Beobachtung der Szene im Netz, die Lektüre auch kleinerer Zeitschriften, ein Netzwerk an Gartenexperten und nicht zuletzt das Gespräch mit dem Buchhändler, der den unmittelbaren Kontakt mit den Gartenbuchkäufern hat“, beschreibt Jens-Peter Arndt, Leiter Marketing und Vertrieb Buch bei Callwey, den Versuch, das Gras wachsen zu hören.
- Zu den größten Herausforderungen gehört für Maja Mann, Kosmos-Verkaufsleiterin Buchhandel, aus den ausgemachten Trends neue Themen herauszufiltern und zielgruppengerecht „scharf zu stellen“.
Wobei, mahnt Nadja Harzdorf, die bei Gräfe und Unzer den Verlagsbereich Garten, Heimtier und Natur leitet, „wir uns bei den irgendwie endlichen Themen immer wieder die Frage nach dem tatsächlichen Bedürfnis der Kunden stellen müssen“. Ins gleiche Horn stößt DVA-Produktmanager Hubert Dold: „In Zeiten großer Veränderungen des Konsumentenverhaltens und korrespondierend der Handelsstrukturen gilt es, die richtige Zielgruppenansprache fortlaufend weiterzuentwickeln.“
Konkurrenz für den Buchhandel
Ihre Bücher kauft die Zielgruppe vorwiegend weiterhin im Laden, doch die Konkurrenz schläft nicht. „Der Buchhandel ist nach wie vor der wichtigste Vertriebsweg und wird das auch bleiben, nur ist er nicht mehr der einzige“, analysiert Michael Kurzer-Graber, bei Ulmer für Marketing und Vertrieb im Buchverlag zuständig.
Fast durchgängig beobachten die Verlage eine kräftig spürbare Verschiebung in den Online-Handel. Und auch der branchenfremde Handel gewinnt weiter an Bedeutung, egal ob Gartencenter, Landwirtschaftshandel, Reitsportfachgeschäfte oder Futter- und Zubehörhändler. Auf die Frage, was der Buchhandel tun kann, um nicht weiter an Boden zu verlieren, fällt auch das Wort Mut:
- Mutiger seine Bonuspunkte ausspielen, empfiehlt etwa BLV-Verlagsleiterin Wolf. „Der Buchhandel hat gerade jetzt eine sehr gute Chance, seine Konzepte anzupassen und seine Trümpfe auszuspielen: Maßgeschneiderte Sortimente in individueller Atmosphäre mit kompetentem Personal, das persönliche Tipps zum ,Must have‘-Buch geben kann.“
- „Wir glauben, dass der stationäre Handel gerade in dem Bereich der Special-Interest-Themen eine sehr gute Chance zur Profilierung hat. Sinkende Umsätze im Bereich Taschenbuch/Belletristik könnten durch eine aktive Sortimentsplanung abgefedert werden“, appelliert Dorling Kindersleys Vertriebs- und Marketingleiterin Doris Giesemann: „Hier kann man nur Mut machen, die Herausforderung positiv anzunehmen und Trends schneller und in einer ansprechenden Warenpräsentation sichtbar zu machen. Viele Verlage bieten dazu Unterstützung an.“
Alltagsgeschichten mit ländlichem Touch
Landlust ist im Übrigen keinesfalls nur etwas für Ratgeberspezialisten. Einblicke ins ländliche Leben, Natur- und Tiererfahrung vermitteln auch erzählerische Erfahrungsberichte. Die Publikumsverlage bedienen den Markt bevorzugt mit locker geschriebenen Alltagsgeschichten aus erster Hand. Neuerscheinungen zu diesem Thema sind z.B.:
- „Eine Kuh macht Muh – viele Kühe machen Mühe“, wahre Geschichten aus dem Alltag der Landtierärztin Astrid Brandl (Piper).
- „Land & Lotte – Mit dem Pferd durch die Provinz“ von Stefanie Schnitzler (dtv).
- „Schäferstunden“ von Joe Rißmann über sein Leben als Hirte (Bastei Lübbe).
- „Bewusst anders: Erfahrungen eines Öko-Pioniers“ von Georg Schweisfurth (dtv).
Von Anja Sieg
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