Die Buchbranche leidet unter einem massiven Absatzrückgang. Die Ursache: Seit 2012 sind Millionen Buchkäufer verloren gegangen, belegt eine Studie des Börsenvereins, präsentiert auf der Jahrestagung der IG Belletristik und Sachbuch. Die Online-Medien kosten zu viel Zeit, hieß es in München. Glücklich macht das die Menschen allerdings nicht.
„Das Buch und Lesen bekommt immer mehr Konkurrenz durch andere Medien“, hat Börsenvereins-Vorsteher Heinrich Riethmüller das Kernproblem der Branche bei der Eröffnung der Jahrestagung der IG Belletristik und Sachbuch benannt. Smartphone und Videostreaming lassen keine Zeit mehr für das stille Medium Buch. „Die Menschen kommen nicht mehr zum Lesen“, assistierte Verbandsgeschäftsführer Alexander Skipis und eröffnete zugleich die Perspektive, dass die Leute unter den Social Media und der damit verbundenen Hektik leiden. Dies sei der Ansatz für die Buchbranche, die „Sehnsucht nach der Wellnessoase“ zu bedienen.
Die Buchbranche leidet unter Kundenschwund
Börsenvereins-Marktforscherin Jana Lippmann präsentierte dazu zahlreiche Daten, darunter der Rückgang der Buchkäufer um 6 Mio seit 2012. Weitere Erkenntnisse:
- Der Buchmarkt erreichte 2016 mit 4,22 Mrd Euro Umsatz zwar sein zweitbestes Ergebnis seit 2010, allerdings wurden im sechsten Jahr in Folge weniger Produkte verkauft.
- 2016 sank die Käuferschaft mit 30,8 Mio Käufern auf das niedrigste Niveau der letzten 10 Jahre.
- Der Negativtrend setzt sich fort: Im 1. Halbjahr 2017 verlor der Buchmarkt 600.000 Käufer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das ist ein Minus von 6%.
- Ein Grund: Andere Unterhaltungsmedien graben dem Buch das Wasser ab. So hat der Buchmarkt in den vergangenen 10 Jahren in nahezu allen Altersgruppen (mit Ausnahme der 10- bis 19-Jährigen und der Gruppe 70+) Anteile an den Ausgaben für Unterhaltungsmedien verloren, s. Grafik:
- Auch hier setzte sich der Trend im 1. Halbjahr 2017 fort: Die Entertainment-Märkte Games, Kino, Home Video und Musik entwickelten sich positiv, der (weiterhin größte) Teilbereich Buch verlor.
- Eine Analyse der Käuferwanderung für 2015/2016 ergab: Knapp 9 Mio Buchkäufer des Jahres 2015 kauften 2016 kein Buch. Weitere Daten liefert die Grafik:
Bleiben die Käufer bei der starken Medienkonkurrenz perspektivisch bei der Stange? Ergebnisse der Studie des Börsenvereins geben den Verlagen auch Anlass zur Hoffnung. Die kritischen Zielgruppen fühlen sich häufig von den Verpflichtungen und der Schnelllebigleit des Alltags gestresst und unter Druck gesetzt. Als Ausgleich zum Alltag wird das Lesen von den Befragten als wertvolle Form der Entspannung erlebt.
Es wäre sehr sinnvoll, sich die – sehr enge – Demographie der Buchkäufer in Erinnerung zu rufen und zu beleuchten: Die sprichwörtliche „schwäbische Hausfrau“ ist im Wandel der Bevölkerung nunmal eine immer schmälere Nische. Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildung, und Lebensperspektive sind in Buchhandel und Verlagen, wie auch den Medien insgesamt, nur sehr ungenügend repräsentiert. Und alle Kanäle und Formate, die dem Selbstbild der traditionellen Buchkultur nicht passgenau entsprechen, werden zum Feindbild erklärt – Stichwort soziale Medien, Handy, Netflix, Games. Daraus wird für die Buchbranche kaum eine schlüssige Zukunftsstrategie zu entwickeln sein.