Die Buchbranche arbeitet nicht wirtschaftlich. Mit dieser Aussage hat Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis auf der virtuellen Jahrestagung der IG Belletristik und Sachbuch (IG BellSa) den politischen Akzent gesetzt.
Skipis warnt in jüngster Zeit verstärkt davor, dass der Branchenkonsens zerbricht und die Interessengegensätze nicht mehr geklammert werden können. Für den 66-Jährigen, der seit 15 Jahren den Branchenverband führt, geht es dabei auch um sein Vermächtnis. Er wird im Laufe dieses Jahres aus dem Amt ausscheiden.
„Was machen wir falsch?“, fragt Skipis mit Hinweis auf das „Paradoxon der Buchbranche“:
- Das Buch sei beliebt, tief in der Gesellschaft verankert, ein Leitmedium, ein Kultur- und Wirtschaftsgut zugleich.
- Die wirtschaftliche Auskömmlichkeit sei dagegen offensichtlich eingeschränkt oder sogar gefährdet.
„Es vergeht kaum ein Gespräch, mit Branchenteilnehmern, in denen auf diesen Aspekt nicht hingewiesen wird, schon fast mit einer gewissen Ratlosigkeit oder Verzweiflung.“ Skipis nennt 3 Ansatzpunkte.
1 Die Branchenlogistik ist wirtschaftlich gesehen ein Irrsinn
Skipis: „Hunderttausende Kilometer werden auf den Autobahnen und Straßen in Deutschland zurückgelegt mit Mehrfachanfahrten einer Buchhandlung am selben Tag mit immer kleiner werden Wannen respektive Päckchen. Das ist wirtschaftlich gesehen ein Irrsinn und das weiß auch jeder Teilnehmer, nur tun wir nichts dagegen.“ Neben der fehlenden Wirtschaftlichkeit sei das auch ökologisch nicht vertretbar: „Wollen wir warten, bis uns Dritte irgendwann etwas von Nachhaltigkeit erzählen?“
2 Die Buchpreise bewegen sich nicht
Beim Thema Buchpreise vermeiden Börsenvereinsvertreter mit Blick aufs Kartellamt tunlichst Aussagen à la „Bücher müssen teurer werden“. Auch Skipis verweist lediglich darauf, dass die Buchpreise seit Jahrzehnten nicht oder unwesentlich steigen (was auch eine aktuelle Analyse von buchreport bestätigt). Skipis verweist lediglich darauf, dass dies vor dem Hintergrund der Kostenentwicklung eine ökonomisch gesehen schwierige Situation zu sein scheine.
3 Die Buchpreisbindung schützt die Macht der Großen
Skipis erinnert daran, dass die Buchpreisbindung als „staatlicher Garant für die Vielfalt sowohl im Angebot als auch im Vertrieb“ gedacht ist und wie schwer gerungen worden sei, diese gesellschaftliche Bedeutung der Buchbranche 2002 durch das Buchpreisbindungsgesetz zu sichern. Das System des festgesetzten Ladenpreises funktioniere auch und werde gut kontrolliert. Aber das Buchpreisbindungsgesetz wolle im §6 (3) auch verhindern, „dass marktmächtige Unternehmen unbotmäßige Margen im Schutz der festgelegten Preise erreichen“. Derzeit sei es „offensichtlich so, dass der Schutzzweck, nämlich Vielfalt und Kleinteiligkeit zu bewahren, sich ins Gegenteil verkehrt zum Schutz der Marktmacht“.
„Es steht die Existenz von Verlagen auf dem Spiel, die durch die Rabattforderung mittlerweile sehr stark in Bedrängnis gekommen sind.“ Auch die kleineren und mittleren Buchhandlungen seien dadurch gefährdet. „Das Schlimmste an der ganzen Sache ist, dass wir mit einem solchen Verhalten die Buchpreisbindung insgesamt gefährden.“
Skipis wirbt für einen transparenten Umgang mit dem Thema der Rabattspreizung zwischen kleinen Händlern und den unausgesprochenen Marktführern Amazon und Thalia. Die Gefahr durch die aktuelle Praxis halte er „für ungleich größer, als die Gefahr, dass wir das thematisieren und so zu einem Thema machen. Ich glaube, wenn wir zeigen, dass wir das Problem erkennen und das Problem lösen wollen, dann stärken wir die Buchpreisbindung ganz besonders.“
Die bisherigen Ideen, dieses Problem zu lösen, seien nicht zielführend gewesen. Der Vorstand des Börsenvereins werde neue Wege suchen müssen und dies in Kürze diskutieren.
Lesehinweis:
Die Buchbranche ist wohl neben der Lebensmittelbranche die einzige Branche, in der die Käufer (Groß- und Zwischenhandel) den Produzenten (Verlage) vorgeben können, welche Rabatte er gewähren muss. Die Verlage machen das mit, weil sie um die Sichtbarkeit fürchten. Und die Buchhändler müssen mitmachen, was ihnen die Großhändler diktieren, da sie sonst befürchten müssen, nicht oder nur unzureichend mehr beliefert zu werden.