Eine Einordnung von Thomas Wilking
Im Mai hat der Börsenverein ein großes Signal in die Welt gesandt: „Die Frankfurter Buchmesse 2020 wird stattfinden.“ Und auch die jetzt am 8. September versandte Erklärung beginnt mit dem merkwürdig trotzigen Satz: „Die Frankfurter Buchmesse findet in diesem Jahr statt.“
Nein, das tut sie nicht, jedenfalls nicht annähernd wie geplant auf dem Messegelände, und das ist auch gut so. Denn die Messe vor Ort wäre eine Geisterveranstaltung geworden, ein Schattenspiel, mit der sich die deutsche Buchbranche blamiert und das große, weltweit anerkannte Event beschädigt hätte. Die Bilder dieser „Special Edition“ wären nur schwerlich wieder aus dem Kopf zu bekommen gewesen. Denn sie wären hängen geblieben, und nicht der neue Digitalauftritt und auch nicht das „Bookfest” in Frankfurt.
Es ist aller Ehren wert, es entschlossen probiert zu haben. Aber wenn sich das Scheitern eines Plans so lange abzeichnet, wenn so früh und so viele Teilnehmer – die Kunden! – abwinken und warnen, dann ist der Gang der Dinge in diesem Sommer schon verwunderlich. Es sind ja nicht primär die kaum überraschende Entwicklung der Pandemie oder ein Scheitern des Hygienekonzepts, sondern es ist eine politische und unternehmerische Fehleinschätzung.
Das Risikospiel der Buchmesse ist nur verständlich, wenn man die Folgen bedenkt: Die wirtschaftlichen Schäden für die Buchmesse, für den Börsenverein, für die Messewirtschaft und die Stadt sind immens. Und die Erfahrung der diesjährigen Messeabstinenz muss auch in den Folgejahren nicht in ein umso schwungvolleres Comeback münden. So sehr sich alle die persönlichen Begegnungen wünschen, den direkten Austausch und das Zusammengehörigkeitsgefühl, für das die Frankfurter Buchmesse stand und hoffentlich auch wieder stehen wird.
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