Das Lesen ist ein öffentlicher Akt geworden, postuliert Volker Oppmann und nimmt sich vor, mit seiner gemeinnützigen Plattform Log.os die Macht über die Daten wieder dem Leser zurückzugeben. Auch mit Blick auf die Social-Media-Aktivitäten könne es nicht angehen, dass das kulturelle Erbe „metaphorisch gegen Glasperlen und anderen digitalen Tand“ eingetauscht werde.
Das hat mich am meisten gefreut
Am meisten freut mich zu sehen, dass in der Branche tatsächlich ein Umdenken zu beobachten ist. Insbesondere werden die richtigen Fragen gestellt, wie aktuell die Initiative „Writers Against Mass Surveillance“ zeigt.
Ich zitiere: „Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Beobachtung ist keine Demokratie mehr. Deshalb müssen unsere demokratischen Grundrechte in der virtuellen Welt ebenso durchgesetzt werden wie in der realen.“
Gerade beim digitalen Lesen stellt sich die Frage nach der Überwachung ja in ganz besonderem Maße, da die E-Reading-Softwarer auch ohne NSA-Überwachung ständig „mitliest“. Das Lesen ist also alles andere als ein privater Akt, es ist ein öffentlicher Akt geworden.
Ein weiteres Feld tut die Frage auf, was mit den Daten geschieht, die wir über Social Reading-Funktionen selbst generieren und wem diese Daten gehören. Fakt ist, dass unsere Lesezeichen, Markierungen, Anmerkungen, Kommentare und Rezensionen/Empfehlungen die virtuellen Bibliotheken in der Cloud nicht nur anreichern, sondern extrem aufwerten. Wem aber gehören diese Daten und wofür werden sie genutzt?
Hier geht es um unser kulturelles Erbe, das wir „digital na(t)ives“, blind AGBs zustimmend, metaphorisch gegen Glasperlen und anderen digitalen Tand eintauschen. Auch hier müssen wir uns als Gesellschaft die Datensouveränität zurückerobern und unsere Wissenschätze nicht einfach internationalen Großkonzernen überlassen.
Es würde ja auch niemand ernsthaft auf die Idee kommen, sämtliche Rechte an den Beständen des Schiller Archivs in Marbach an ein Unternehmen abzutreten sowie dieses Unternehmen auch noch dafür zu bezahlen (!), das Archiv abzutransportieren, nur um sich den Zugang zu demselbigen im Anschluss erneut kostenpflichtig zu erkaufen.
Das hat mich am meisten geärgert
Ich ärgere mich selten, und wenn, dann über mich selbst.
Das habe ich 2013 am liebsten gelesen
Gemeinwohlökonomie von Christian Felber, vor allem weil es hier in der Debatte Tauschwert versus Nutzwert eine äußerst interessante Parallele zur Digitalisierung geht: Felbers Hauptkritik an der heutigen Form des Wirtschaftens zielt darauf ab, dass die Wirtschaft Mittel (Kapital) und Zweck verwechselt und so in einer völlig sinnentleerten Profitmaximierung letztendlich zum Schaden aller gereicht.
Er plädiert stattdessen für eine Gemeinwohlökonomie, die ihre Ergebnisse nicht mehr länger nach einem abstrakten Tauschwert im Sinne eines finanziellen Gegenwerts, sondern in Form eines konkreten Nutzwertes bemisst (www.gemeinwohl-oekonomie.org), von dem letztlich sowohl die Unternehmen als auch die Gesellschaft profitieren.
Auch beim digitalen Lesen wird der konkrete Nutzwerts eines E-Reading-Angebots immer wichtiger, sodass unsere auf einem Tauschwert basierenden Geschäftsmodelle (Betrag X gegen Print-Produkt Y) nach und nach obsolet werden. Die Frage ist nicht länger, was der Kunde für einen konkreten Inhalt zu zahlen bereit ist, sondern wie er diesen Inhalt tatsächlich nutzen kann.
Oder um mit Peter F. Drucker zu sprechen:
„Quality in a product or service is not what the supplier puts in. It is what the customer gets out and is willing to pay for. A product is not quality because it is hard to make and costs a lot of money, as manufacturers typically believe. This is incompetence. Customers pay only for what is of use to them and gives them value. Nothing else constitutes quality.“
Das steht auf meiner persönlichen Agenda 2014
- Fundraising für LOG.OS
- LOG.OS Prototypen bauen
- „Refurbish“ ONKEL & ONKEL
Das muss sich in der Branche 2014 ändern
Frei nach Prof. Faltin („Kopf schlägt Kapital“): Der noch sehr in den Konventionen verstrickte Teil der Branche muss endlich lernen, von den Funktionen her zu denken und, darauf aufbauend, sich selbst und seine Geschäftsmodelle neu zu erfinden.
Letztendlich schafft nur ständige Veränderung Kontinuität. Insofern hoffe ich auf einen Entwicklungssprung, da unsere Branche ansonsten im evolutionären Wettbewerb entweder komplett aussortiert oder aber ein schildkrötenähnliches Inseldasein fristen wird.
Foto: © Bernd Große
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